Anime-Kritik zu Sirius the Jaeger: Vampirjäger zum Anbeißen

Wer spiegelt sich nicht, meidet fließendes Wasser und verabscheut Knoblauch? Wer brennt durch die Ansicht christlicher Symbole wie Feuer, zerfällt im Sonnenlicht zu Staub und verendet nur durch einen gezielten Pfahl mitten ins kalte, tote Herz? Richtig, es ist der Klischee-Vampir! So wirklich können wir uns nicht von Bram Stokers unheimlichen Biestern mit Beißern trennen, vor sechs Jahren wurde sogar Abraham Lincoln ausgegraben, um die Untoten zu jagen. Auch im fernen Japan beschäftigen Vampire noch immer die Animatoren. Bekannte Anime-Serien aus dem Genre wie Vampire Hunter D, Bakemonogatari, Shiki und Hellsing sind gute Abwandlungen des grundlegenden Mythos. Netflix hat sich jetzt die Serie Sirius the Jaeger (Ja, so heißt sie auch hierzulande) gesichert, die mit einer etwas traditionelleren Geschichte überzeugen möchte. Erste Zweifel sind nach den Trailern sicher berechtigt. Ist der besagte Klischee-Vampir noch zeitgemäß? Bieten solche altbackenen Geschichten überhaupt noch neue Perspektiven, oder sind sie auserzählt?

Verantwortlich für die Anime-Serie ist kurioserweise das Studio P. A. Works. Gewohnt sind Fans von dem Team fast ausschließlich Geschichten aus der Adoleszenz japanischer Schüler und Slice of Life. Westliche Fans und fleißige Netflix-Zuschauer kennen den hoch polierten Stil auch von Kuromukuro, einer Mecha-Serie gemischt mit Historien- und Teenage-Drama. Fast scheint es, als sichere sich das Studio mit für sie ungewöhnlichen Genre-Gehversuchen bei der Video-on-Demand-Plattform ab. Oder man möchte auf den Hype der Castlevania-Cartoons aufspringen. Wie dem auch sei: Auch Sirus the Jaeger spielt zwar teilweise in Japan, begibt sich aber nie in ein Schulsetting. Stattdessen geht es zu Beginn nach Tokio im Jahr 1930. Die titelgebenden Jäger sind eine bunte, fünfköpfige Einheit aus Vampirjägern, die einer Mordserie mit blutlosen Opfern gefolgt sind. Die Täter leben in einer vampirischen Sekte mitten unter den Menschen. Vorwiegend finden sich Vampire natürlich in der gesellschaftlichen Elite - irgendwie müssen die extravaganten Smokings und Umhänge ja bezahlt werden.

Mehr Vampire jagen als Motivationen hinterfragen

Die Handlung konzentriert sich auf den jungen, aber talentierten Jäger Yuliy. Anders als der Rest des Teams verzichtet er auf Schusswaffen und tritt im Nahkampf gegen seine Feinde an. Das kann er nur bewältigen, da eine uralte Macht in ihm steckt, die ihn in eine Rage versetzt - in der Serie das Äquivalent zu einem Werwolf. Diese Fähigkeiten liegen in seinem Blut, seinen Ahnen und natürlich seiner schrecklichen Vergangenheit. Überraschung: Yuliy ist ein Waise und die Vampire haben seine Familie umgebracht. Eine sehr aufgesetzt wirkende Motivation, die es wirklich nicht gebraucht hätte, schließlich sind die Antagonisten mordende Bestien. Die tote Familie gehörte dem Volk der namensgebenden Sirius an, ein indigenes Volk, die einmal eine fortgeschrittene antike Zivilisation waren. Die Vampire begehren das einzige Überbleibsel davon, die mysteriöse Arche der Sirius, ein allmächtiges Objekt allen kosmischen Wissens. Blöd nur, dass die Sirius vor ihrem Ableben die Arche versteckt haben und sie nur von einem ihrer Leute gefunden werden kann.

Sirius Vampir

Somit fangen die Vampire auch schnell an, den Spieß umzudrehen und Yuliy zu jagen. Die Drecksarbeit für die mächtigen Anführer dürfen normale Vampire, die mehr blutrünstigen Ghoulen ähneln, erledigen. Den Angriff gegen die Jäger führt Mikhail an, ein Sirius, der beim Überfall auf sein Volk gebissen wurde und Yuliys älterer Bruder ist. Wie sollte es auch anders sein. Damit wird die prominenteste Charakterbeziehung etabliert, die leider einem vorhersehbaren, abgelaufenen Pfad folgt. Interessanter gibt es einen ähnlichen Handlungsstrang im Vampir-Anime Owari no Seraph. Neben den beiden Brüdern bleiben sämtliche Nebencharaktere leider unbeleuchtet und teilen sich ihre Persönlichkeit mit einem Pappaufsteller. Auch ignoriert wird die Gegenseite. Ist in modernen Medien eher der Trend hin zu sympathischen Vampiren mit interessanten Persönlichkeiten, bleibt Sirius the Jaeger bei verwerflichen Kreaturen, deren jede Tat in ihrer Motivation, böse zu sein, begründet ist. Dabei waren sich aber offensichtlich nicht alle Autoren einig.

Sind zwar Serien auch in Hollywood nur noch selten von einem Autor geschrieben, gibt es doch Leitfäden, an denen sich die Drehbücher der Episoden orientieren können. In Sirius the Jaeger merkt man die klaffenden qualitativen Unterschiede zwischen Episoden und vor allem Akten. Die ersten sechs Episoden sind gleich die stärksten, wissen um ihre Schwächen und liefern hochwertige Actionsequenzen in der Kulisse eines durch westliche Kultur geprägten Tokios. Kombiniert mit den durchgängig guten Produktionswerten des Studios hätte die Serie mit dem ersten Akt ein moderner Klassiker werden können. Doch Akt #2 wirft die Vampirjagd in schmutzigen Gassen und Herrenhäusern hin. Stattdessen paktieren die Vampire plötzlich mit Klarwein, einem verrückten Wissenschaftler, wie er im Buche steht. Dieser baut im Auftakt auf Befehl des Obervampirs natürlich sofort Frankensteins Monster. Das hat nichts mit der Jagd nach der Arche der Sirius zu tun, die Vampire wollen scheinbar nur Monster in Massenproduktion herstellen und… an das japanische Militär verkaufen.

Schockierende Gesellschaftskritik: Die Blutsauger sind Kapitalisten

Der dritte Akt orientiert sich aber erneut um, weshalb die Beweggründe um Frankensteins Monster nie ganz geklärt werden. Stattdessen setzt die Handlung an den Überbleibseln des ersten Aktes an: Es geht wieder auf Vampirjagd! Leider ist es aber sofort aus mit den schönen Straßenkämpfen und das Finale verkommt zu einem übernatürlichen Kräftemessen rund um den Globus. Für nur zwölf kurze Folgen werden verschiedenste Szenarien also ohne Pause rotiert, ob die Puzzlestücke wirklich zusammenpassen, scheint niemand so richtig überprüft zu haben. Gerade die kurze Handlung rund um Klarwein ist, selbst für Anime-Serien, ein grotesker Stimmungswechsel. Immerhin hatte die Animationsabteilung scheinbar durchgehend Spaß bei der Arbeit und setzt Hintergründe, Figuren und selbst Blutspritzer passend in Szene. Letztere sind in jeder Episode üppig verteilt, womit schnell geschnittene Action auch in den eher unpassenden Handlungssträngen ihren Platz findet. Auch die Farbbalance ist erwähnenswert und wertet die dunkle Stimmung optisch auf.

Sirius Luger

Fazit

Auch nach all den Fehlern, die Sirius the Jaeger macht, bleibt am Ende die Obsession mit Vampiren. Es ist schwer, die Serie in ihrer Gesamtheit als Enttäuschung abzustempeln. Zu sehr unterscheiden sich Höhen und Tiefen, zu tief sind die Gräben zwischen den Handlungssträngen. Das Gehirn mag zwar weitgehend abgeschaltet zugesehen haben, aber trotzdem bleibt das Gesehene nicht sofort vergessen. Vielleicht würde die Serie dann am besten, wenn man sie betrachtet, wie die Elite-Vampire ihre menschlichen Mitbürger: als kurzlebiges Amüsement. Eine blutige Ablenkung.

Sirius the Jaeger gibt es im Stream auf Netflix zu sehen.

zusätzlicher Bildnachweis: 
© Netflix

US PREMIERE of Sirius the Jaeger at Anime Expo 2018!

Appleseed 2005 Filmposter
Originaltitel:
アップルシード Appurushîdo
Kinostart:
08.09.05
Laufzeit:
102 min
Regie:
Shinji Aramaki
Drehbuch:
Haruka Handa
Die Welt nach dem dritten Weltkrieg. Während noch die letzten Einheiten in einen erbitterten Grabenkrieg verwickelt sind, hat sich der Rest der Menschheit in Olympus City eine Art Utopia erschaffen. Zusammen mit den sogenannten Biodroiden soll eine neue Gesellschaft entstehen.

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