Anime-Kritik: Made in Abyss

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Made in Abyss

Die unerforschten Tiefen des Ozeans gelten nach wie vor als eines der großen Mysterien unserer Zeit. Denn dass dort noch jede Menge Überraschendes entdeckt werden kann und in Zukunft sicherlich auch noch wird, davon sind Wissenschaftler weltweit überzeugt. Nun ist der Abyss zwar nicht mit Wasser gefüllt, aber Parallelen drängen sich dennoch auf. Mangaka Akihito Tsukushi hat nämlich mit seinem gefühlt nie enden wollenden riesigen Erdloch, das im Prinzip eine gigantische Höhle ist, einen Handlungsort erdacht, den ebenfalls auszeichnet, dass keiner so wirklich weiß, was einen auf dessen Grund erwartet. Und die Hoffnung auf die Beantwortung dieser Frage ist es auch, die einem - im wahrsten Sinne des Wortes - eintauchen lässt in die Welt von Made in Abyss.

Von Weltenbauern…

Wer starkes Storytelling betreibt und in Sachen Charakterentwicklung glänzt, gilt gemeinhin als sehr guter Autor. Wer darüber hinaus noch beim Worldbuilding überzeugt, als exzellenter. Tatsächlich ist letztgenannter Punkt nämlich eine Fähigkeit, die viel zu selten angemessen gewürdigt wird. Im Fiktionsbereich ist schließlich wenig so herausfordernd wie das Ersinnen komplexer Welten, die im Idealfall so beschaffen sind, dass sie einem bestimmte Geschichten förmlich aufdrängen. Der Abyss-Kosmos ist ein gutes Beispiel hierfür.

Immerhin ist dieser Handlungsort alles außer gewöhnlich. Über die umliegenden Regionen erfährt der Leser nahezu nichts und über dieses riesige schwarze Loch der etwas anderen Art zunächst nur das Nötigste. Und das ist auch genau richtig so, da logischerweise das Erkunden dieser insgesamt sechs Tiefenschichten ein wesentlicher Bestandteil der Reise ist, die im Grunde genommen mit dem Aufschlagen der ersten Seite im Manga respektive mit der ersten Anime-Folge beginnt.

Made in Abyss

Interessant ist dabei vor allem, dass man recht früh erfährt, dass jede der besagten Tiefenschichten andere Auswirkungen auf den menschlichen Körper hat. Diese werden mit jedem Etappenziel extremer, weshalb das Erreichen des Grunds gemeinhin als untrennbar mit dem Tod verbunden gilt - vorausgesetzt, der oder die Waghalsige ist ihm nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt anheimgefallen.

Wer nicht auf natürliche Weise verstirbt, hat höchstwahrscheinlich die Bekanntschaft einer der zahlreichen gefährlichen Kreaturen (etwa Totenkläger, Domherrin oder Purpurschlund) gemacht, die im Abyss hausen und eher dafür bekannt sind, mit ihren Opfern kurzen Prozess zu machen als zimperlich zu sein. Sieht man einmal davon ab, dass eigentlich alle - im Gegensatz zu den meisten Protagonisten - schon optisch sehr einschüchternd wirken, dürften sicherlich viele Rezipienten äußerst beeindruckt von der Originalität der Wesen sein. Wie schon der Schauplatz selbst sind diese wunderbar und detailreich ausgestaltet und in keiner Weise mit 0815-Monstern vergleichbar, die man gefühlt schon 1000 Mal gesehen hat. Vor allem sind diese Raubtiere 2.0 in gewisser Weise das Produkt ihrer Umgebung; so kommen manche nur in den höheren und andere nur in den tieferen Ebenen vor - zudem muss davon ausgegangen werden, dass viele in den Niederungen des Abyss hausende Spezies noch gar nicht entdeckt worden sind. 

…und ungewöhnlichen Charakteren

Und obwohl all das offensichtlich in mehrerlei Hinsicht eine Gefahr für Leib und Leben eines jeden Menschen, der besagte Herausforderung annimmt, darstellt, gab es ebenjene praktisch seit dem Tag, an dem man erstmals auf dieses einzigartige Paralleluniversum gestoßen ist. Dass die Quelle an Wissbegierigen nicht versiegte, lag in erster Linie daran, dass diese sich am Rande der Höhle ansiedelten. Ironischerweise - aus unserer Perspektive - heißt dieser Ort auch tatsächlich Orth.

Von der frühesten Kindheit an war es der Lebensinhalt vieler Bewohner, ein sogenannter Höhlentaucher zu werden und sich unter anderem auf die Suche nach wertvollen Relikten zu machen. Schon ganz junge Nachwuchsforscher wurden auf ihre ersten eigenen Abstecher ins Ungewisse vorbereitet. Die Anfänger bezeichnet man als sogenannte Glöckchen, Lehrlinge als Rotpfeifen, Gesellen als Blaupfeifen, die Lehrmeister der aufstrebenden Talente als Mondpfeifen, Veteranen als Schwarzpfeifen und die Meister ihres Faches, die Legenden, als Weißpfeifen.

Made in Abyss

Eine dieser Ausnahmeforscherinnen war Lyza, von der viele annehmen, dass sie längst nicht mehr lebt, aber stimmt das wirklich? Vereinzelte Hinweise lassen jedenfalls die Vermutung zu, dass dem nicht so ist. Und diese sind auch der Grund dafür, warum die aufgeweckte Riko unbedingt für Gewissheit sorgen will. Die Rotpfeife sieht ihre Chance gekommen, als sie Reg, einem sonderbaren Jungen, begegnet, der sein Gedächtnis verloren hat, allerdings über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügt.

Riko ist jedoch nicht einfach nur ein Mädchen, das einem Geheimnis auf die Spur kommen will; ihre Motive sind vielmehr persönlicher Natur, da es sich bei Lyza um ihre Mutter handelt/e. Dieser Umstand sorgt dafür, dass man das Vorhaben des jungen Mädchens sehr gut nachvollziehen kann und es für den Leser absolut plausibel erscheint, dass die Protagonistin sich den unzähligen Gefahren, die im Abyss lauern, aussetzt - Gefahren, auf die sie unmöglich vorbereitet sein kann. Ebendies macht diese einzigartige Reise aber erst so spannend: So wird der Rezipient nämlich zu einem Mitreisenden, der dazu in der Lage ist, sich bestmöglich in die "Taucher“ hineinzuversetzen, denn beide eint, dass sie nicht wissen, was sie erwartet…

Fazit

Ob als Anime oder Manga, Made in Abyss weiß auf vielfältige Weise zu überzeugen: Beeindruckende Schauplätze, vor Kreativität und Originalität nur so strotzende Wesen aus der Tiefe, sympathische Helden und eine packende, emotionale und teilweise auch brutale Story sind die Zutaten für diesen außergewöhnlichen Mix.

Wer also auf der Suche nach etwas im wahrsten Sinne des Wortes "völlig anderem“ ist, sollte folglich vielleicht eine Rotpfeifenkarriere in Erwägung ziehen.

zusätzlicher Bildnachweis: 
© Kinema Citrus / Universum Film

Made in Abyss - Trailer (deutsch/german; FSK 6)

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