Kritik zu Aladdin – Eine Wunderlampe der Überraschung

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Aladdin

Ein bisschen stutzt man, wenn einem die Laufzeit von Disneys Neuverfilmung ihres 27 Jahre alten Trickfilms zu Ohren kommt: 128 Minuten? Für einen Film, der auf einem Film basiert, der nur knapp 90 Minuten lang lief? Schnell macht man sich da Sorgen, schließlich könnte Disney die Neuauflage verhauen, mit unnötigen Actionszenen, noch mehr Kitsch oder irgendwelchen Nebenhandlungen, die niemand wirklich braucht.

Disneys Neuauflagen von Filmen wie Die Schöne und das Biest oder Das Dschungelbuch aus jüngster Zeit wurden zwar mit Anerkennung, aber auch nicht ohne Kritik aufgenommen. Ach, schon die Originalfilme, inklusive Aladdin, mussten sich gewisser Kritik, vor allem in Hinsicht auf stereotype Darstellung fremder Kulturen oder der Rolle von Frauen gefallen lassen – und das zurecht. Und nun legt Disney Aladdin neu auf, der zusammen mit Der König der Löwen wohl wie kein anderer Zeichentrickfilm die gerade jetzt ins Kino gehende Generation von Ex-Kindern geprägt hat. Was da alles schief gehen kann!

Gaunerfilm-Regisseur, Whitewashing und, naja, Musicals

Da war zunächst die Auswahl des Regisseurs: Guy Ritchie hat die Inszenierung übernommen. Anfangs legt man da vielleicht den Kopf schief, aber dann fällt ein der Groschen. Ritchie hat seine Bekanntheit nicht nur mäßigen Action-Filmen wie King Arthur: Legend of the Sword zu verdanken, sondern zuallererst seinen Gaunerkomödien wie Snatch – Schweine und Diamanten. Das passt, denn irgendwie ist Aladdin auch eine kleine Gaunerkomödie.

Dann sind da die Schauspieler: Viel berechtigte Kritik mussten sich diverse Hollywood-Produktionen anhören, die sogenanntes Whitewashing betrieben haben, also ethnisch eindeutige Rollen wie asiatische (Ghost in the Shell) oder nah-östliche (Exodus: Götter und Könige) Figuren mit westlichen Schauspielern wie Scarlett Johansson oder Christian Bale zu besetzen, weil diese sonst nicht in der Logik der Studios zu vermarkten wären. Schon beim Casting wurde darauf geachtet, den vage arabischen Hintergrund Aladdins auch bei den Schauspielern abzubilden. Das gelang: Aladdin-Darsteller Mena Massoud hat ägyptische Wurzeln, Naomie Scott als Jasmin hat ein indisches Elternteil, Dschaffars Rolle wird von Marwan Kenzari verkörpert, der tunesisch-niederländischer Herkunft ist. Will Smith spielt übrigens auch mit.

Schließlich fragt man sich auch, wie die zahlreichen Musikstücke gut in die Geschichte integriert werden können, schließlich waren die schmissigen Lieder ein elementarer Teil der Disney-Magie der frühen Neunziger. Hier kann man klar und eindeutig sagen: Das ist nicht gelungen. Der Film bleibt einfach in Teilen ein verdammtes Musical, in dem Leute mehr oder weniger plötzlich anfangen zu singen und zu tanzen – damit muss man entweder klar kommen oder nicht. Immerhin treiben einem so manche Musikstücke die nostalgischen Tränen in die Augen, was man als gelungene Darstellung des Ganzen interpretieren kann.

Vorlagengetreu und mit Mut zur Ergänzung

Jetzt wurde viel über die Ängste und Vorbereitungen im Vorfeld gesprochen, wie sieht es nun mit der Umsetzung aus? Da hält sich Aladdin sehr eng an seine Vorlage: Wer das Original von 1992 kennt, der wird in der Story nur neue Details erkennen und nicht wirklich überrascht sein. Ein paar Informationen wurden umgebaut, einige Figuren wie der Sultan oder Jasmins Kammerzofe wurden ausgebaut oder hinzu geschrieben. Vor allem Jasmin bekommt mehr Kontur und soll nicht länger schlicht verheiratet werden: Sie möchte der neue Sultan sein und tritt somit in Konflikt mit ihrem eher traditionell orientieren Vater. Der wiederum ist nicht die Karikatur aus dem Original, sondern ein um eine gute Herrschaft bemühter Sultan. Hier beweist Disney, dass man mit der Zeit gehen kann, ohne eine gute Geschichte zu opfern. Zusätzlich zu ihren neuen Szenen und ihrer Motivation hat Jasmin auch zwei neue Songs auf den Leib geschrieben bekommen, die eine nette Ergänzung sind, aber die es nicht unbedingt gebraucht hätte. Aber naja – Musicals.

Aladdin selbst ist relativ unverändert und wird von Mena Massoud auch glaubhaft verkörpert, lediglich sein Schauspiel ist manchmal etwas flach – aber da ist er nicht der einzige, leider. Bleibt noch Will Smith, der als blauer Dschinni versucht, es an Witz und Verve mit Robin Williams aufzunehmen, der den hyperaktiven Geist aus der Flasche 1992 seine Stimme verlieh (und darüber mit Disney in argen Streit geriet). Natürlich scheitert Smith daran, die Klasse des 2014 leider verstorbenen Schauspielers und Komikers zu erreichen, was auch daran liegen kann, dass ein computergenerierter Dschinni auch mit den heute mächtigen Digitalisierungsverfahren immer noch nach einem computergenerierten Dschinni aussieht. Aber zumindest nutzt der Film die Möglichkeiten des Computers für ein paar gelungene Witze und optische Bonbons. Will Smith macht seinen Job übrigens gut und gibt dem blauen Geist ein paar Nuancen, die ihn als Charakter greifbarer werden lassen. Dschaffar kann als Bösewicht ebenfalls halbwegs überzeugen, auch wenn er als Charakter und Gegenspieler etwas weniger greifbar ist und seine Motivation etwas abgekürzt erscheint.

Eine Mischung aus Bollywood und Disney

Bleibt die gesamte Inszenierung der Neuauflage. Wer Ritchies Filme gesehen hat, der weiß: Rasant kann der Mann. Das lässt sich auch hier verfolgen: Die Szenen auf Agrabahs Straßen sind mit einer gewissen spielerischen Rasanz in Szene gesetzt und auch später, beispielsweise beim Einzug Prinz Ali Ababuas in die Straßen der Stadt, entfaltet der Film eine farbenprächtige Opulenz, die man so nur aus Bollywood-Filmen kennt. Die Regie hat hier die absolut richtige Entscheidung getroffen, sein Material nicht ganz ernst zu nehmen und den Prachtregler auf 11 zu drehen, was dem Film eine angenehm leichte Note aus dem indischen Kitsch-Kino gibt.

Nebenbei ist Aladdin auch witzig, wobei manche Scherze etwas gewollt erscheinen, aber das kann man bei der insgesamt hohen Qualität verzeihen. Lediglich das Ende des Films wirkt etwas gestreckt, aber bis hierhin fühlt man sich so gut unterhalten, dass die letzten zehn Minuten zu viel Film auch nicht unangenehm zu Buche schlagen.

Am Ende lässt einen Aladdin mit dem positiven Gefühl zurück, dass Disney hier mit der Regie, den Schauspielern und dem gesamten Plan tatsächlich ein Glücksgriff gelungen ist, der im zynischen Geschäft der Filmproduktion recht unerwartet kommt. Aber dafür umso positiver überrascht.

Fazit

Aladdin ist eine rasant inszenierte, in der Handlung aber wenig innovative Neuauflage des Zeichentrickfilms, die überraschend viel Spaß macht und auch Erstseher unterhalten kann.

ALADDIN - 2. Offizieller Trailer (deutsch/german) | Disney HD

Disney's Aladdin Official Trailer - In Theaters May 24!

Aladdin
Originaltitel:
Aladdin
Kinostart:
23.05.19
Regie:
Guy Ritchie
Drehbuch:
Vanessa Taylor, John August
Darsteller:
Will Smith, Mena Massound, Naomi Scott, Marwan Kenzari, Nasim Pedrad, Billy Magnussen, Navid Negahban, Numan Acar
Mit Aladdin bringt Disney den nächsten seiner Zeichentrickklassiker als Realverfilmung erneut in die Kinos.

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