Retro-Kiste: Ich habe es selbst gesehen, ein Ungeheuer aus der Jurazeit – Godzilla

Seit 65 Jahren taucht Godzilla immer mal wieder auf und zerstört Tokio oder den Rest der Welt. Egal, ob er dabei als lebendige Naturkatastrophe durch die Städte stapft oder auf Seite der Menschheit gegen feindliche Ungeheuer kämpft – seine Filme erfreuen sich nicht nur in Japan anhaltender Beliebtheit. Regisseur Ishirō Honda schaffte 1954 mit seinem Monsterfilm das, was anderen gigantischen Filmmonstern wie King Kong oder Tarantula verwehrt blieb: Er begründete ein eigenes Filmgenre.

Noch bevor die treibende Filmmusik von Ifukube Akira einsetzt, hört man bereits während des Vorspanns Godzillas ikonische Schreie. Dann dauert es ein wenig, bis man das Monster wieder zu hören oder gar zusehen bekommt, denn Godzilla macht sich, wie jedes gute Ungeheuer, in der ersten Hälfte des Films rar.

Der Monsterstreifen beginnt mit einer friedlichen Szene auf See – doch plötzlich wird das Schiff durch etwas, was wie eine Unterwasserbombe anmutet, versenkt. Als weitere Fischerboote und Passagierdampfer verschwinden, beschließt die Regierung in Tokio eine wissenschaftliche Expedition auf die abgelegene Insel Oto zu senden. Professor Yamane und sein Team sollen herausfinden, was hinter den mysteriösen Ereignissen steckt.

Die Fischer der Insel schreiben die Vorfälle dem legendären Seeungeheuer Godzilla zu, dem sie früher noch eine Jungfrau als Opfer darbrachten. Was zunächst als Märchen abgetan wird, bestätigt sich, als Godzilla zum ersten Mal bei Tag das Meer verlässt und die Bewohner der Insel angreift.

Während sich das Monster nun dem Festland nähert, muss sich die Tochter des Professors zwischen zwei Männer entscheiden. Sie liebt Ogata, der für den japanischen Seenotdienst arbeitet. Von ihrem Vater wurde Emiko allerdings schon Dr. Serizawa versprochen. Dieser scheinbar nebensächlichen Handlung kommt große Bedeutung zu, nachdem Godzilla Tokyo angegriffen hat – denn nur Dr. Serizawa hält ein Mittel bereit, welches Japan vor weiteren Angriffen des gigantischen Ungeheuers retten könnte.

"Ihre Angst könnte sich bewahrheiten. Aber Godzilla ist bereits Realität."

Für Regisseur Ishirō Honda war Godzilla sein erster Monsterfilm. Zuvor hatte er als Regieassistent von Akira Kurosawa gearbeitet und eigenständig einige Dokumentar- und Kriegsfilme gedreht. Seit 1954 ist sein Name mit dem Kaijū-Genre verbunden.

Er drehte nicht nur viele der Godzilla-Fortsetzungen, sondern auch Filme mit anderen Ungeheuern wie Die fliegenden Monster von Osaka (1956) sowie die Science-Fiction- und Horrorfilme Das Grauen schleicht durch Tokio (1958), Ufos zerstören die Erde (1962) und Matango (1963). Seine Godzilla-Ära endete 1975 mit Die Brut des Teufels, Konga, Godzilla, King Kong.

Auch die Darsteller von Godzilla traten alle in späteren Teilen der Reihe wieder auf. Professor Yamane wird von Takashi Shimura (Rashomon – Das Lustwäldchen) gespielt, der seine Rolle in Godzilla kehrt zurück wieder aufnimmt. Als seine Tochter Emiko ist Momoko Kōchi zu sehen, die zuletzt 1995 in dem Kaijū Godzilla gegen Destoroyah mitwirkte.

Akira Takarada (Half Human: The Story of the Abominable Snowman), der Darsteller des Ogatas, sollte eigentlich einen Cameo-Auftritt im US-Remake aus dem Jahr 2014 erhalten. Die Szene schaffte es letztlich nicht in den fertigen Film. Dr. Serizawa wurde von Akihiko Hirata (Mothra bedroht die Welt, Sanjuro) gespielt und der Reporter Hagiwara wurde von Sachio Sakai (Die Rückkehr des King Kong, Yojimbo – Der Leibwächter) verkörpert.

Zwei Darsteller, die man in dem Film nie zu Gesicht bekommt und trotzdem im Zentrum der Kamera standen, sollen nicht unerwähnt bleiben: In das Godzilla-Kostüm schlüpften nicht zum letzten Mal Haruo Nakajima, der auch in einer Nebenrolle in Die sieben Samurai zu sehen ist und Katsumi Tetsuka, welcher als Schauspieler in U 2000 – Tauchfahrt des Grauens sowie Godzilla und die Urweltraupen mitspielte.

Das Gummikostüm konnten die Darsteller wegen der Hitze, dem Gewicht und der schlechten Luft nur wenige Minuten am Stück tragen. Deswegen stampften Nakajima und Tetsuka abwechselten durch die Miniaturkulissen. Für die damalige Zeit funktioniert die Tricktechnik aus Monsterkostüm, Modellbauten und Schnitten auf die real gefilmten Szenen sehr gut.

Im Gegensatz zu manch späteren Monsterkloppereien wirkt der Auftritt Godzillas nie lächerlich, sondern hat etwas Bedrohliches. Das mag auch daran liegen, dass der Film, im Gegensatz zu vielen anderen Kaijūs, das Leid der Opfer nicht ausspart und deutlich in Szene setzt.

"Vergessen Sie ihren Plan den Godzilla töten zu wollen, erforschen sie lieber an ihm die Geheimnisse des Lebens."

In der Fortsetzung aus dem Jahr 1955 tritt erstmals ein zweites Monster auf. Godzilla kämpft in Godzilla kehrt zurück gegen Angilas – eine Mischung aus Ankylosaurier und einem Igel. Die vielen unterschiedlichen gigantischen Kaijūs sind aus den weiteren Godzilla-Filmen nicht wegzudenken. So tauchen in den folgenden Abenteuern der japanischen Riesenechse der Flugsaurier Rodan, die Riesenmotte Mothra, der dreiköpfige Drache King Ghidorah, der Roboter MechaGodzilla und viele weitere riesige Ungeheuer auf.

Die bisher erschienen japanischen Filme lassen sich in mehrere Perioden einteilen. 1954 begann mit dem ersten Godzilla-Film die Showa-Reihe, die 1975 mit Hondas Die Brut des Teufels, Konga, Godzilla, King Kong endete. Dann gab es neun Jahre lang keine neuen Filme mehr. Erst 1984 startete mit Godzilla – Die Rückkehr des Monsters der erste der sieben Filme der Heisei-Reihe – welche 1995 mit Godzilla gegen Destoroyah ihr Ende fand.

Aber Godzilla war nicht tot zu kriegen und nur vier Jahre später startete die aus sechs Filme bestehende Millennium-Reihe. Godzilla 2000 kann man als Antwort auf Roland Emmerichs US-Godzilla-Film (1998) sehen, der in Japan nicht so gut ankam. Emmerichs Riesenechse taucht 2004 in Godzilla: Final Wars wieder auf und wird dort von seinem japanischen Pendant im Zweikampf besiegt.

Obwohl Warner Bros. und Legendary Pictures 2014 mit einem weiteren US-Remake ihr eigenes MonsterVerse starteten, veröffentlichte das Filmstudio Toho 2016 mit Shin Godzilla einen weiteren in Japan äußerst erfolgreichen Kaijū-Streifen. Zudem produzierte das Studio 2017 mit Godzilla: Planet der Monster einen Animationsfilm, der eine düstere Zukunft der Erde voller riesiger Ungeheuer zeigt. 2018 folgten zwei Fortsetzungen des Animes.

Warner Bros. hat derweilen seinem MonsterVerse mit Kong: Skull Island um eine berühmtes westliches Filmmonster erweitert. 2020 sollen die beiden dann in Godzilla vs. Kong aufeinandertreffen. Zuvor kommt Godzilla 2: King of the Monsters von Regisseur Michael Dougherty (Krampus) in die Kinos.

Die deutschen Varianten der alten japanischen Godzilla-Streifen zeichnen sich nicht nur durch ihre zum Teil recht eigenwillige Übersetzung der Originaltitel, dem häufig irgendwas mit Frankenstein zugefügt wird, aus. Ishirō Honda erster Monsterfilm kam in Deutschland zunächst nur in einer gekürzten Version heraus.

Der in schwarz-weiß gedrehte Film ist in der japanischen Fassung 92 Minuten lang. Die gekürzte Version lässt viele Szenen weg, in denen man die verletzten Opfer, die Flucht vor dem Monster oder Diskussionen der Regierung über den Einsatz Atomwaffen zu sehen bekommt.

Auch Dr. Serizawa Beweggründe für sein Handeln werden durch zusätzliche Rückblenden wesentlich plausibler erklärt. Ohne diese Szenen fragt man sich, wieso der Wissenschaftler seinen Oxigenzerstörer überhaupt entwickelt hat, wenn er doch solche Skrupel hat, seine Waffe einzusetzen.

Godzilla lief 1956 in den amerikanischen Kinos an. Allerdings hatte der dortige Verleih ein paar zusätzliche Szenen mit dem US-Schauspieler Raymond Burr gedreht. Als amerikanischer Reporter wurde er in den Film hinein geschnitten, um den Zuschauer als Identifikationsfigur zu dienen.

Vielleicht wollte man so auch ein wenig auf Distanz gehen, zu den nicht zu übersehenden Anspielungen auf die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki. Die Szenen, nachdem Godzilla Tokyo zerstört hat, dürften insbesondere beim japanischen, aber auch beim weltweiten Publikum, Erinnerungen an die schrecklichen Folgen der beiden Nuklearwaffenangriffe geweckt haben.

"Es dürfen keine Atombomben zu diesem Zweck eingesetzt werden!"

Godzillas Radioaktivität spielt noch auf einen weiteren Vorfall an: Im März 1954 wurde ein japanischen Fischkutter durch einen amerikanischen Atomwaffentest im Pazifik radioaktiv verstrahlt. Dies wird im Film wieder aufgegriffen, indem erklärt wird, dass Godzilla durch Atombombentest im Pazifik geweckt wurde und das Ungeheuer daraufhin begann, japanische Fischkutter zu versenken.

Unverkennbar war auch der Hollywoodfilm Panik in New York aus dem Jahr 1953 ein Vorbild für Godzilla. In beiden Streifen greift Urzeitsaurier, die durch einen Atombombentest geweckt wurde, eine Großstadt an. Oftmals schlägt der amerikanische Monsterfilm der 50er Jahre aber einen gegensätzlichen Weg ein.

Ein gutes Beispiel ist Jack Arnolds Trantula aus dem Jahr 1955. In dem Horrorfilm erschafft ein fehlgeleiteter Wissenschaftler eine Riesenspinne, die am Ende nur mit Hilfe des Militärs besiegt werden kann - in den japanischen Monsterfilmen ist es meist genau umgekehrt.

Auch wenn die meisten Kaijūs reine Unterhaltungsfilme sind, greifen sie auch hin und wieder ernste Themen auf. So muss Godzilla unter anderen gegen das aus atomarem Müll bestehen Ungeheuer Hedorah antreten.

In seinen ersten Kinofilm ist Godzilla gewiss kein Friedensmonster. Die Unterhaltung steht bei den Monsterattacken eindeutig im Vordergrund. Dennoch beinhaltet Godzilla einen klaren Appell gegen Atomwaffen - diesen fast am Ende des Films Professor Yamane noch einmal eindringlich in wenigen Worten zusammen.

zusätzlicher Bildnachweis: 
© Toho

Godzilla (1954)

Shin Godzilla - Deutsches Kinoposter
Originaltitel:
Shin Gojira
Kinostart:
03.05.17
Laufzeit:
118 min
Regie:
Hideaki Anno, Shinji Higuchi
Drehbuch:
Hideaki Anno
Darsteller:
Hiroki Hasegawa, Yutaka Takenouchi, Satomi Ishihara
In der Bucht von Tokio kommt es zu einem unerklärlich Ereignis: Eine Yacht scheint wie aus dem Nichts zu explodieren. Schnell wird klar, dass das Unglück von einem lebenden Organismus ausgegangen sein muss.

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