The Lovecraft 5: Kritik zu den Hörspielen Das Bild im Haus und Jäger der Finsternis

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The Lovecraft 5

H. P. Lovecraft ist bekannt für seine Geschichten über Cthulhu und andere kosmische Wesen, welche die Menschen allein durch ihre Präsenz in den Wahnsinn treiben. Zu seinen Lebzeiten veröffentlichte er allerdings nur einen einzigen Roman und einige wenige Erzählungen. Dass er mehr als achtzig Jahre nach seinem Tod noch als einer der wichtigsten Autoren der Horrorliteratur bekannt ist, liegt an dem Eigenleben, welches sein Werk entwickelte. Es gibt mittlerweile zahlreiche Adaptionen seiner Geschichten als Filme, als Comics oder auch als Hörspiele.

"Wenn ich nicht allmählich beginne, sitzen wir hier noch bis zum Morgengrauen."

Gerade in den letzten Jahren ist die Anzahl der Vertonungen stark anstiegen. Auch bei vielen der besseren Umsetzungen zeigt sich, dass eine werkgetreue Adaption äußerst schwierig ist. Lovecrafts Geschichten zeichnen sich nicht unbedingt durch ihre Dialoge aus. Meist gibt es einen Erzähler, der die grauenhaften Ereignisse schildert – und hält man sich daran, gleichen die Ergebnisse eher einem Hörbuch als einem Hörspiel.

Das Label Contendo Media hat für dieses Problem mit seiner Serie The Lovecraft 5 eine ganz eigene Lösung gefunden. Die ersten beiden Folgen basieren auf den Geschichten Das Bild im Haus und Der leuchtende Trapezoeder, welche von dem jeweiligen Erzähler auch mehr oder weniger vollständig wiedergegeben werden. Im Mittelpunkt des Geschehens stehen allerdings die Freunde Charles, Warren, Herbert, Richard und·Edward. Jeweils einer der Fünf berichtet den anderen von einem unheimlichen Vorfall, welchen er direkt oder indirekt miterlebt hat.

"Bösartigkeit ist nur ein moralisches Konstrukt."

In der ersten Folge erzählt Charles von einer Reise, die er für seine genealogischen Studien unternommen hat. Während eines Unwetters sucht er in einem heruntergekommenen Haus Unterschlupf. In einem Regal entdeckt er ein altes Buch mit unheimlichen Bildern von blutigen, kannibalischen Ritualen. Als der Bewohner der Hütte schließlich auftaucht, kommen die beiden über den Band ins Gespräch. Nach und nach beschleicht Charles ein grausiger Verdacht über seinen Gastgeber.

In "Der Jäger der Finsternis" ist es der Schriftsteller Edward, der seinen Freunden über den exzentrischen Maler und Autor Robert Blake berichtet. Der kürzlich verstorbene Blake hat ein mysteriöses Manuskript hinterlassen. Sein Tagebuch handelt von einem geheimnisvollen Trapezoeder und einem grausigen Wesen, welches nur in der Finsternis zuschlagen kann.

Die Regie bei The Lovecraft 5 führte Christoph Piasecki, während Julie Hoverson die Vorlagen für das Hörspiel bearbeitet hat. Sie bleibt bei ihrer Adaption dicht am Original, um sich in den Gesprächen der Freunde wiederum von der strikten Nacherzählung zu lösen. Davon leben die Hörspiele. Immer wieder wird der jeweilige Erzähler von Kommentaren oder Nachfragen seiner Zuhörer unterbrochen.

Die fünf Männer, von denen man nur die Vornamen erfährt, sind Zeitgenossen Lovecrafts. Der Autor wird aber selbst nicht erwähnt, weil seine Erzählungen hier als eigene Erlebnisse der Freunde ausgegeben werden. Es wird zwar nicht direkt angesprochen, aber es gibt versteckte Hinweise, dass es sich bei den fünf Freunden um Figuren aus anderen Lovecraft-Erzählungen handelt.

In den Gesprächen wird erwähnt, dass Richard Künstler ist, dessen Bilder einigen Betrachtern zu widerwärtig sind – was an den Maler Richard Upton Pickman aus der Geschichte Pickmans Modell denken lässt. Charles, der Erzähler im ersten Hörspiel, betreibt genealogische Nachforschungen über seine Familie, genau wie der Protagonist in Der Fall des Charles Dexter Ward. Und bei dem Naturwissenschaftler Herbert, der gerne über den Tod und die Wiederbelebung durch elektrischen Strom nachdenkt, gibt es starke Ähnlichkeiten zu Herbert West – der Wiedererwecker.

"Wolltest du uns nicht eine Geschichte erzählen, die uns die Haare zu Berge stehen lässt?"

Während und vor allem nach der eigentlichen Geschichte diskutieren die Fünf lebendig über Themen, die mit der Erzählung direkt oder indirekt zu tun haben. So werden Kannibalismus, die Wendigo-Legende, Algernon Blackwood, Bram Stokers Dracula, die alten Kindergeschichten aus dem Struwwelpeter, das Floß der Medusa, die Walpurgisnacht, Meteoriteneinschläge und Werwölfe angesprochen.

Die Diskussionen und Einwürfe binden auch den Rassismus von H. P. Lovecraft geschickt ein, ohne deplatziert oder aufgesetzt wirken. So wird zum Beispiel erwähnt, dass Kannibalismus viel weniger verbreitet war als geglaubt. Oft wurde der Vorwurf dafür verwendet, ein Volk zu stigmatisieren und es anschließend ohne Skrupel anzugreifen oder zu versklaven.

Außerdem werden Lovecrafts Stilmittel kritisch hinterfragt. Zum Beispiel wenn Edward in der zweiten Episode aus einem Manuskript vorträgt, welches mehr oder weniger aus der Vorlage Der leuchtende Trapezoeder stammt. Als er zu den Lovecraft typischen Beschreibungen der Architektur kommt, erklärt er kurzerhand, diese langatmigen Passagen zu überspringen.

"Wenn du es dir leise vorstellst, kann ich inzwischen weiter erzählen."

Als Charles und somit Erzähler der ersten Geschichte ist Uve Teschner (Edgar Allen Poe in der Hörspielserie Die geheimnisvollen Fälle von Edgar Allen Poe und Auguste Dupin) zu hören. Lutz Mackensy·(Erzähler der Hörspielserie Die Fünf Freunde) leiht Warren seine Stimme, welcher die anderen immer mit seinen Wissensvorträgen nervt.

Richard wird vom Sprecher Florian Hoffmann·(Synchronsprecher von Ian Somerhalder) als arroganter Schnösel angelegt. Markus Pfeiffer (Synchronstimme von Paul Rudd) spricht den Naturwissenschaftler Herbert, welcher die übersinnlichen Ereignisse kritisch hinterfragt.

Edward, der letzte der fünf Freunde, hat in "Das Bild im Haus" nur einen kurzen Auftritt und ist erst in dem folgenden Hörspiel die gesamte Zeit mit dabei. Er wird von Julian Tennstedt gesprochen, der schon in den Gruselkabinett-Folgen "Die Farbe aus dem All" und "Der Ruf des Cthulhu" Erfahrungen mit H. P. Lovecraft sammeln konnte.

In den ersten beiden Folgen haben noch Robin Brosch (Synchronstimme von Christopher Cousins in Vampire Diaries) als Bewohner der unheimlichen Hütte und Michael-Che Koch·(Sprecher in verschiedenen Gruselkabinett- und Geister-Schocker-Hörspielen) als Robert Blake ihre Auftritte.

Bei The Lovecraft 5 handelt es sich um eine sehr gute Ensembleleistung, wobei kein Sprecher negativ auffällt. Den Erzählern und auch den Gastsprecher in den jeweiligen Geschichten gelingt es gut, mit wenigen Mitteln eine unheimliche Stimmung zu erzeugen. Das Herz der Serie sind aber die fünf Freunde. Es macht wirklich großen Spaß, heimlicher Zuhörer ihrer Erzählrunde zu sein.

"Warren, solltest du deine eigenen Memoiren verfassen und dann auf seltsame und schreckliche Weise ums Leben kommen – dann können wir uns weiter darüber unterhalten."

Obwohl sie über grausige Themen wie Kannibalismus oder Wahnsinn sprechen, fehlt es nicht an gut platziertem Humor. Zu Beginn hat man noch ein wenig Mühe, die einzelnen Sprecher – mit Ausnahme von Lutz Mackensy – auseinanderzuhalten. Das legt sich aber schnell, und es gelingt jedem von ihnen, seiner Figur nur mit der Stimme einen eigenen Charakter zu verleihen.

Der Reihe kommt zugute, dass sie mit zwei nicht ganz so bekannten und nicht schon öfters vertonten Geschichten startet. Die Musik versetzt den Hörer zu Beginn in eine gemütliche schaurige Stimmung und ist dann nur noch ab und an im Hintergrund zu hören. Effekte gibt es wenig. Die verwendeten, wie Hall in großen Räumen oder Regenschauer, werden aber gut in Szene gesetzt. Die Hörspiele besitzen mit einer Dauer von rund vierzig Minuten genau die richtige Länge – obwohl man nach dem Ende gerne gleich die nächste Folge hören will.

"Das Bild im Haus" und "Jäger der Finsternis" sind ab dem 22. November in allen gängigen Shops und Portalen als Download verfügbar. Am 18. Dezember folgt dann "Der Außenseiter" und für 2020 sind bereits die Folgen "Der Fall des Arthur Jermyn" (17. Januar), "Aus dem Jenseits" (14. Februar) und "Das gemiedene Haus" (13. März) geplant.

Fazit

Die Autorin Julie Hoverson und der Regisseur Christoph Piasecki haben einen ganz eigenen Weg gefunden, die Erzählungen von H. P. Lovecraft zu vertonen. Dabei lösen sie sich stark von der klassischen Erzählweise im Hörspiel. Dieses Wagnis hat sich gelohnt. Die Gespräche der Freunde bieten zusätzlich zu der eigentlichen Geschichte viele interessante Informationen und vor allem beste Unterhaltung. Das liegt besonders an der sehr guten Gesamtleistung aller beteiligten Sprecher.

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zusätzlicher Bildnachweis: 
© Contendo Media

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