DC-Comic-Kritik zu Hellblazer 2 - 4

Wer die DC-Comic-Kritik zu Hellblazer 1: Die giftige Wahrheit  nachholen will, wird hier fündig. Selbstredend muss in diesem Beitrag auf das bisherige Geschehen eingegangen werden, über Gebühr gespoilert wird jedoch - wie gewohnt - nicht.

Stadt der Irrlichter

Es bleibt dabei: John Constantine ist wohl einer der sympathischsten Unsympathen der Comic-Geschichte. Und weil er das ist, eilt ihm sein Ruf auch voraus - sogar bis nach Frankreich. Dorthin verschlägt es den berüchtigten Trickbetrüger nämlich. Genauer gesagt durchstreift er mit dem Medium Mercury Paris - in der Hoffnung, all das über die Djnn herauszufinden, was er wissen muss, um sie und vor allem den mächtigen Marid endgültig zu besiegen. Eine bedeutende Rolle nimmt dabei ein ganz spezielles Tagebuch ein …

Die in diesem Band erzählte Geschichte ist nicht ganz so düster wie Die giftige Wahrheit, was aber auch einfach daran liegt, dass diese schon überdurchschnittlich düster war. Doch hier gilt ebenfalls: Wo der nicht ganz so nette Okkultist aus der (nicht ganz wörtlich zu nehmenden) Nachbarschaft auftaucht, pflastern Leichen seinen Weg. Das war für das ehemalige DC-Imprint Vertigo kein Problem - schließlich wurde es gegründet, um sehr erwachsene Comics realisieren zu können. Doch der Kettenraucher-Magier wurde im Rahmen der Wiedergeburt des neuen DC-Universums wieder Teil des wichtigsten Unternehmenszweigs - und dessen Zielgruppe besteht eben in erster Linie aus jüngeren Lesern. Daher sollte niemand Panels erwarten, die nach einer FSK-18-Freigabe schreien. Wer allerdings parallel noch weitere Titel von Marvels großem Konkurrenten liest, spürt deutlich die andere Ansprache.

Und das ist durchaus erfrischend. Der notorische Lügner nimmt nicht nur kein Blatt vor dem Mund, seine Abenteuer kennen ebenfalls keine Filter-Funktion. Der Falschspieler wird schlicht permanent mit einer unerbitterlichen, schonungslosen Realität konfrontiert. Die Frage, inwiefern sich der Zauberer sein eigenes Grab schaufelt, darf in diesem Zusammenhang natürlich nicht unter den Tisch fallen. Das macht den Charakter immerhin seit jeher aus - befindet er sich in einer misslichen Lage, hat er in der Regel auch zu deren Zustandekommen beigetragen. Nicht immer bekommt man davon jedoch etwas mit. Vielmehr erfährt der Leser meist entweder von dem berühmten Trenchcoatträger oder einer der unzähligen Personen, mit denen er in der Vergangenheit nicht unbedingt im Guten auseinandergegangen ist, weshalb man es diesmal auf ihn abgesehen hat.

Hier ist es nicht viel anders und dennoch wird man das Gefühl nicht los, dass erzählerisch mehr möglich gewesen wäre. Und das liegt nicht daran, dass es trotz der weiter oben bereits angeführten Gründe zwar im Verhältnis zu anderen Reihen, die unter dem Rebirth-Banner laufen, derber zugeht, die Handbremse aber eindeutig angezogen bleibt. Simon Oliver bedient sich einfach zu wenig in der riesigen Trickkiste, die dank der reichhaltigen Hellblazer-Historie bis zum Anschlag gefüllt ist, und für jeden Autoren, der sich John Constantine annimmt, eigentlich ein wahrer Segen sein müsste. Dies überrascht insbesondere deshalb, da der Mann, der im Vereinigten Königreich geboren wurde, allerdings ebenfalls die US-amerikanische Staatsbürgerschaft besitzt, auch für die im ersten Paperback gesammelten Einzelheftausgaben verantwortlich zeichnet. Und diese sprühen förmlich vor dunkler Kreativität und makaberem Einfallsreichtum. Dagegen ist das im zweiten Paperback Präsentierte eher etwas zäh und langatmig, obwohl es zweifellos seine Momente hat, die gar in einem Finale münden, das Lust auf mehr macht - dummerweise jedoch im dritten Trade schlicht ignoriert wird.

Erschwerend hinzu kommt, dass sich ein vermeintlich normaler und oft praktizierter Vorgang innerhalb der Branche in diesem Fall ausnahmsweise negativ auf das Leseerlebnis auswirkt: ein Zeichnerwechsel. Philip Tan durfte nämlich noch die ersten beiden in diesem Sammelband enthaltenen Ausgaben ungemein atmosphärisch bebildern - sein Stil hat etwas von Bleistiftzeichnungen und ist geprägt von sehr weichen Übergängen. All das passt wunderbar zu den von Magie erfüllten Schauplätzen, an denen sich das Geschehen ereignet. Doch dann übernahm sein Kollege Davide Fabbri, was einen regelrechten Bruch zur Folge hatte. Dessen Stil erinnert eher an Cartoons, die Konturen der Figuren und Hintergründe sind wesentlich klarer. All das nimmt den Panels das Mystische. Außerdem kümmert sich ab diesem Moment auch nicht mehr Elmer Santos, sondern Carrie Strachan um die Farben …

The Hellblazer Contantine

Der Tod und der Trinker

…und das sollte sich ebenfalls bis zum Ende dieser Serie nicht mehr ändern. Gegen Kontinuität ist im Falle einer ebensolchen prinzipiell nie etwas einzuwenden, vorausgesetzt, es geht um nichts, was der geplanten Wirkung entgegenläuft. Denn diese Helligkeit verhindert erst recht, dass der Leser - unabhängig vom Inhalt - allein schon durch das Betrachten einzelner Seiten in die Handlung hineingezogen wird. Und gerade die oftmals mysteriösen Abenteuer des Okkultisten, die im Idealfall auch ein (leichtes) Unbehagen bei den Heftkäufern hervorrufen und für etwas Gruselstimmung sorgen, leben eigentlich von der visuellen Sogwirkung.

Dass die erste von zwei Geschichten, die der zweite Band beinhaltet, von Jesus Merino zu Papier gebracht worden ist, lässt zwar kurz die Hoffnung aufkommen, dass es in Sachen Bildsprache von nun an wieder in eine andere Richtung geht, doch die wird mit der zweiten Episode aus Constantines Leben direkt im Keim erstickt. Für die zeichnet nämlich wieder Fabbri verantwortlich, dessen von ihm mit Leben gefüllte Panels oftmals eher (unfreiwillig) komisch denn bedrohlich wirken.

Interessant ist zudem, dass es die Fans diesmal nicht nur mit dem Werk eines, sondern mit dem zweier Autoren zu tun bekommen: Den Auftakt macht Tim Seeley, der einmal mehr beweist, dass er ein Meister des “Wellental-Erzählens“ ist. Sein Nightwing-Run hat beispielsweise enorm stark angefangen, dann folgten aber starke qualitative Schwankungen. Deswegen ist der Umstand, dass er den Faden, den ihm Simon Oliver hinterlassen hat, nicht aufnimmt, im Grunde doppelt bedauerlich. Aus den von seinem Kollegen bewusst offengelassenen Fragen am Ende von Stadt der Irrlichter respektive deren Beantwortung hätte man schließlich zweifelsohne eine Story mit Klassiker-Potenzial entwickeln können.

Einerseits entgeht den Fans darum mutmaßlich extrem düsterer Lesestoff und andererseits macht es sich Seeley auf diese Weise unnötig schwer. Denn selbstredend steigt die Erwartungshaltung an seine Ideen für den Fortgang der Reihe in einem solchen Falle direkt immens. Nun ist es nicht so, dass der US-Amerikaner nicht geliefert hätte, im Gegenteil: Alles beginnt damit, dass die Polizei John Constantine unmittelbar nach einer Filmriss-Nacht in London damit konfrontiert, dass der Mann, der ihn noch kurz vor dem Betreten seines Zimmers mit Nachdruck zu verstehen gegeben hat, wie wenig er von ihm hält, mittlerweile das Zeitliche gesegnet hat. Und dieser Einstieg wäre für sich genommen schon als gelungen durchgegangen. Insbesondere in der Retrospektive wird allerdings deutlich, dass die im Zuge der Ermittlungen eingeführte, bis dato nicht-kanonischen Figur Margaret Ames der eigentliche Glücksgriff Seeleys war. Sie ist nicht nur Detective Chief Inspector, sondern ebenfalls eine der zahlreichen Verflossenen des Magiers, die darüber hinaus zu einem späteren Zeitpunkt noch eine wichtige Rolle spielt.

Zuerst wird sie jedoch noch das Opfer einer Entführung der übernatürlichen Art und ihr Ex-Freund setzt alles in Bewegung, um sie zu retten - aus einer Leiche. Das Skurrilitäts-Level ist hier definitiv so hoch, wie es sein sollte, optisch weiß das Dargebotene dank Jesus Merino - wie gesagt - ebenfalls zu überzeugen, aber Abzüge in der B-Note gibt es trotzdem: Der Leser wird einfach nicht lange genug im Dunkeln gelassen, die mit dem Fall in Verbindung stehenden Rätsel zu schnell gelöst, weswegen die Spannung viel zu früh nachlässt. Und so bleibt abschließend nur festzuhalten: Gut, allerdings wäre wesentlich mehr möglich gewesen. Und das Thema Spannung beziehungsweise Spannungsbogen bleibt auch das bestimmende, wenn man sich den Sprechblasen zuwendet, die der Feder von Richard Kadrey entstammen.

Sprung nach San Francisco: Dort lässt der 62-Jährige, der auch in besagter Stadt lebt, den Magier mit höchst zweifelhaftem Ruf auf neue Menschen, die bald ihren letzten Atemzug getan haben werden, treffen, gleichzeitig jedoch auch auf alte Bekannte, denen es ähnlich ergehen wird respektive erfährt er von welchen, denen es ähnlich ergangen ist. Statt dieses Szenario so weiterzuentwickeln, dass eine echte emotionale Fallhöhe entsteht, wählt der Autor einen Weg, der bedauerlicherweise nahezu komplett auf Highlights verzichtet. Kadrey hat es nicht geschafft, die als äußerst mächtige, mit dem Jenseits in Verbindung stehende Bedrohung so zu gestalten, dass man sie auch als eine solche wahrnimmt. Mehr und mehr Menschen mit übernatürlichen Fähigkeiten werden ermordet, und man nimmt es schlicht zur Kenntnis, da es sich weder um populäre Charaktere noch um welche, zu denen die Fans eine Verbindung hätten aufbauen können, handelt. Und daher fehlt dem Showdown auch der Reiz, weil man - logischerweise - nicht mitfiebert. Das größte Problem aber besteht darin, dass …

The Hellblazer Contantine

Die gute alte Zeit

… Richard Kadrey offensichtlich keine Notwendigkeit dafür gesehen hat, dem, was war, oder dem, was kommt, die Bedeutung beizumessen, die er ihnen eigentlich im Sinne der Comic-Liebhaber hätte beimessen müssen. Der finale vierte Band enthält nämlich nur noch eine Geschichte - und diese ist wieder von Tim Seeley ersonnen worden. Zeichner ist - wie weiter oben bereits erwähnt - Davide Fabbri geblieben und Carrie Strachan die zuständige Koloristin. Positiv hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang dann auch, dass Seeley - es wurde schon angedeutet - zumindest auf seinen Beitrag zum zweiten Paperback Bezug nimmt und Margaret Ames auf durchaus originelle Weise zum Mittelpunkt des Geschehens macht: Sie wird zum sogenannten "Daemonium Ostium", einer Art Dimensionstor, das unsere Welt mit der feurigen Unterwelt verbindet, also Toten eine Rückkehr ins Leben ermöglichen kann.

Die bemitleidenswerte Polizistin wird zuvor erneut entführt und dient alsbald einem vor Ewigkeiten verstorbenen Verbrecher als Gefäß. Initiiert hat das Ganze ein Geistlicher, der vor vielen Jahren nicht den Pfad eingeschlagen hat, den seine beiden Brüder gewählt hatten. Den ersten hatte er auf eben erläutere Weise wiederauferstehen lassen, sodass dieser ihm daraufhin dabei helfen konnte, seinen Plan, der letztlich zum „Wiedersehen“ des Geschwistertrios führen sollte, zu realisieren - auf Kosten von Margaret und zahlreichen Unschuldigen.

In der Zwischenzeit ist DCs Super-Trenchcoatträger allerdings ebenfalls nicht untätig gewesen: Gemeinsam mit Huntress hat er die Verfolgung der Geschwister aufgenommen. Helena Bertinelli, so der Name der Frau, die sich hinter der berühmt-berüchtigten Maske verbirgt, wurde in Rom - von wem wohl? - damit beauftragt, diesem dämonischen Treiben ein Ende zu setzen, was heißt, dass Constantine und sie - wenigstens indirekt - dasselbe Ziel verfolgen. Der König der Trickser geht jedoch auf Nummer sicher und nimmt Kontakt zu einer weiteren Verflossenen auf, der vielleicht gefährlichsten: Blythe. Und die Dämonin lässt sich tatsächlich auf einen Deal mit ihrem ehemaligen Liebhaber ein, dessen Folgen verheerend sein könnten.

Doch auch diese sind nicht von Belang, da am Ende nicht mehr wirklich viel Zeit bleibt, um darauf einzugehen. Es muss schließlich zunächst herauskommen, dass Nergal, einstiger babylonischer Gott und Dämon in Personalunion sowie Erzfeind des Okkultisten, seine eigenen Ziele verfolgt, was letzten Endes dazu führt, dass John Constantine irgendwann einer Gruppe aus langjährigen Widersachern gegenübersteht. Und einmal mehr gilt: Würde man diese Einfälle als Kurzkonzept pitchen, wäre es sehr wahrscheinlich, dass man dafür ungeteiltes Lob und Vorfreudebekundungen ernten würde. In der Realität hetzt Seeley unverständlicherweise durch das von ihm verfasste Abenteuer und baut nichts richtig auf. Es fehlen einfach Tiefe und ein Stück weit auch echte Wow-Momente. Man könnte auch von einem tollen Rezept, einer überhasteten Zubereitung und einem aus diesem Grund "unperfekten“ Dinner sprechen.

Fazit

Die neue Serie rund um John Constantine hatte mit Die giftige Wahrheit viele Hoffnungen geschürt, die Stadt der Irrlichter, Der Tod und der Trinker sowie Die gute alte Zeit nur bedingt erfüllen konnten. Höhepunkte existieren - in Summe aber zu wenige. Dies hängt sicherlich auch mit der fehlenden Kontinuität hinsichtlich der Autoren zusammen.

Dass mehrere innerhalb einer Reihe zum Zuge kommen, ist nichts Ungewöhnliches, nur werden ihnen dann zumeist mehr Ausgaben zugestanden, um ihre Visionen zu verwirklichen. Ein gutes Beispiel für einen in sich stimmigen Run wäre etwa Deathstroke von Christopher Priest. Doch selbst schwächere Hellblazer-Ausgaben verdienen es allein schon deshalb gelesen zu werden, weil Abstecher in die von Zauberei und Mystik erfüllten Ecken des DC-Universums immerhin stets eine Abwechslung vom Justice-League-Mitglieder-Alltag darstellen.

zusätzlicher Bildnachweis: 
© DC Comics

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