Robots & Dragons: Die Serienhighlights der Redaktion 2019

Wir setzen unseren Jahresrückblick fort. Nachdem wir im ersten Redaktionsartikel auf die besten Filme des Jahres geschaut haben, dreht sich hier nun alles um die Serien des Jahres, die uns wirklich überzeugen konnten.

Nele Bübl

Warum die einzelnen Ausstrahlungsblöcke von Chilling Adventures of Sabrina mit Part 1, Part 2 etc. unterteilt sind, statt klassisch-verständlich mit Staffeln zu arbeiten, bleibt mir ein Rätsel. Die Folgen, die seit April bei Netflix verfügbar sind, zählen für mich auf jeden Fall zu diesem Jahr und somit auch zu den aktuellen Highlights. Zu Beginn der Serie schwankte ich die ganze Zeit, ob ich es fantastisch oder ganz furchtbar finde. Sobald ich mich aber darauf einlassen konnte, dass einfach alles komplett überzogen-drüber ist, konnte ich mich entspannt zurücklehnen und so die zweite Staffel (!) gleich von Beginn an in vollen Zügen genießen. Sabrina, ihre Tanten, die skurrilen Bewohner von Greendale und der oberklischeehafte Hexenzirkel machen einfach jede Menge Spaß.

Als der Kurzfilm/das Werbevideo für den Comic von Dennis Liu 2015 viral ging, war ich sofort angetan. Entsprechend rief die Ankündigung von Netflix, dass sie Raising Dion als Serie entwickeln, direkt Begeisterung aus. Was bin ich nun froh mitteilen zu können, dass diese alle meine Erwartungen voll erfüllt hat: Superkräfte, Geheimlabor, Geheimnisse, Familie, Liebe, kindliche Kinder, starke Charaktere, diverser Cast, simpel und doch spannend erzählt - und dieser Tage schon beinahe erfrischend: ohne Gewaltorgien.

Wie schön ist bitte Der Prinz der Drachen? Auch keine totale Neuerscheinung des Jahres, aber die erst kürzlich veröffentlichte dritte Staffel hat hier einfach eine Erwähnung verdient. Die Feder der Kreativen hinter Avatar: The Last Airbender merkt man deutlich - der Mix aus Humor, Drama, Mystik, dicht und doch leichtfüßig erzählt und einfach wunderschön anzusehen.

Wenn ihr noch irgendwen davon überzeugen müsst, dass The Orville nicht nur irgendeine flache Comedy ist: Der Zweiteiler Identität Teil 1+2 hat die (ohnehin großartige) Serie auf ein ganz neues Level gehoben. Ernst, dramatisch, emotional mitnehmend - und mit Weltraumschlacht.

Florian Rinke

Die Umbrella-Academy-Comics von Gabriel Bá und Gerard Way gehören zu meinen Lieblingscomics. Deswegen war ich äußerst kritisch, als bekannt wurde, dass The Umbrella Academy als Serie umgesetzt werden sollte. Würden sie die Vorlage richtig in Szene setzen oder stark von den Comics abweichen? Was soll man sagen: Es tauchen Figuren auf, die eigentlich erst im zweiten Band auftreten, die Helden verhalten sich anders und es wurden Handlungen dazu erfunden. Die Macher der Serie taten also alles, um sich einen Platz bei den Enttäuschungen 2019 zu sichern. The Umbrella Academy schafft aber scheinbar mühelos den Spagat zwischen werkgetreuer Adaption und der nötigen Freiheit des neuen Mediums – die zehn Folgen sind angenehm anders, sehr unterhaltsam und genauso empfehlenswert wie die Comics.

Nachdem die zweite Staffel Stranger Things einige Längen besaß, macht die Fortsetzung dieses Jahr wieder alles richtig. Besonders die Geschichten in der neuen Starcourt Mall und Maya Hawke als Robin konnten überzeugen. Logik scheint hingegen nicht immer die Stärke der Duffer Brüder zu sein: Wie haben die Russen ihre geheime Basis unter dem Einkaufszentrum errichtet? Und wieso laufen alle Mitarbeiter dort unten während einer Undercover-Mission in Uniformen der Roten Armee herum? Man sollte nicht weiter drüber nachgrübeln – dann kann man auch die Gesangseinlage von Dustin im Finale genießen. So oder ganz anders waren die 80er Jahre halt.

In der koreanischen Serie Kingdom stehen neben den wandelnden Toten vor allen Palastintrigen, Schwertkämpfe und ein Prinz auf der Suche nach seiner Bestimmung im Mittelpunkt. Liegt der König im Sterben oder ist er bereits gestorben? Diese Frage beschäftigt seinen Sohn, der zurecht an eine Verschwörung seiner Stiefmutter und des führenden Clans glaubt. Ein Arzt, welcher den König eigentlichen heilen sollte, verbreitet ungewollt eine Seuche im Land. Der aus der Hauptstadt geflohene Prinz muss nun mit ansehen, wie sich die Armen in Untote verwandeln, während sich die Reichen in ihren Palästen in Sicherheit wähnen. Es tut Kingdom sehr gut, von den üblichen modernen Zombieszenarien abzuweichen.

Anne Jerratsch

Es gibt ja nun wirklich jede Menge Serien über Zeitreisen und Selbsterkenntnis. Was Netflix aber Anfang des Jahres mit der Miniserie Russian Doll vollführte, darf als eine der tiefgründigeren Experimente rund um das "Und täglich grüßt das Murmeltier"-Prinzip auf das Siegertreppchen. Die immer brillante Natasha Lyonne spielt eine seelisch zerrüttete, unglückliche junge Frau, der fast nichts mehr am Leben liegt - bis sie eines Tages immer und immer wieder stirbt und am selben Tag wieder aufwacht. Da wir uns aber 2019 befinden, weiß auch die Hauptfigur, dass dieses Zeitschleifen-Konzept nicht gerade neu ist, und versucht, auf alle mögliche Weise aus dem Teufelskreis auszubrechen. Dabei kann Russian Doll mit einem guten Gespür dafür glänzen, wann man das Thema Depression und Sinnsuche mit dem entsprechenden Ernst angehen sollte, und wann die ewigen Wiederholungen eine Frischekur vertragen können. So können selbst Genre-Kenner sich von zahlreichen Wendungen überraschen lassen. Wer danach nicht in Natasha Lyonne verliebt ist, oder wenigstens mit ihr ein Bier trinken gehen will, hat kein Herz.

Mit The OA hat Netflix bereits 2016 eine der bemerkenswertesten Mystery-Serien geschaffen. Umso größer war die Enttäuschung der Fans, als der Anbieter der Serie in diesem Jahr den Stecker zog. Immerhin konnte Regisseurin und Hauptdarstellerin Britt Marling zuvor noch die zweite Staffel umsetzen, so dass 2019 noch einmal im Zeichen von The OA stehen konnte. Marling spielt eine Frau, die nach jahrelangem Verschwinden plötzlich wieder auftaucht und angibt, über spezielle Fähigkeiten zu verfügen, die mit Nahtoderlebnissen vergleichbar sind. Bald schart sie eine Gruppe um sich, die ihr helfen wollen, das Geheimnis um sich und den Tod zu lösen. So mysteriös sich die Handlung anhört, eine Testsichtung sei jedem empfohlen, der für intelligent gemachtes Drama und sehr gute Kameraführung etwas übrig hat. Mit ruhiger Erzählweise und intelligent geschriebenen Figuren setzt Marling hier neue Maßstäbe im überfüllten, aber leider oft recht platten Mystery-Genre. Um nicht zu viel vorwegzunehmen: Tatsächlich ist es am Besten, man weiß so wenig wie möglich über die Handlung. The OA ist etwas zum drauf einlassen. Aber wen sie einmal gepackt hat, den lässt die Serie so schnell nicht los.

Der Rummel um die Crew von Star Trek: Discovery ist mittlerweile etwas abgeklungen, und auch wir Roboter und Drachen haben uns, so gut es ging, in einer vergleichenden Analyse versucht. Was dabei manchmal ein wenig zu kurz gekommen ist, waren die Anfütter-Episoden, also die Short Treks. Dabei hat gerade dieses Format im Rückblick auf mich einen besonderen Charme ausgeübt. Nicht nur nutzen die Star-Trek-Macher die unterschiedlichen Formatlängen, um den Fans ihre neuen Figuren vorzustellen. Auch werden hier einfach wunderbare Kurzgeschichten erzählt. Was in der regulären Serie keinen Platz gefunden hat, darf hier stattfinden, ohne den Kanon zu stören oder die Handlung der Hauptserie in eine andere Richtung zu lenken. Gerne mehr davon!

Stefan Turiak

Dass er wunderbar Pulp und Action in ein Serienformat umsetzen können, hat Jonathan Tropper schon mit der Serie Banshee bewiesen. Dieses Jahr legte er mit der von der Allgemeinheit zu Unrecht weitestgehend ignorierten Martial-Arts-Serie Warrior nach, die auf einem Treatment von Bruce Lee basiert. Die Serie spielt im Jahr 1870, handelt von chinesischen Einwanderern in den USA, die sich in mehreren rivalisierenden Gangs zusammenschließen und sich gegenseitig auf spektakulärste Weise die Knochen brechen. Natürlich mischen noch andere Fraktionen in dem Schmelztiegel USA mit und es werden noch mehr Knochen gebrochen. Die ganze Knochenbrecherei ist dabei allerdings auch noch in einen durchaus spannenden Plot eingewoben.

Mindhunter Staffel 2 beschäftigt sich dagegen gewohnt unaufgeregt mit der Methodik des Profilings und setzt sie bei einer Serienkiller-Jagd ein, die so gar nichts mit den typischen Jagden zu tun hat, die man aus den handelsüblichen Thrillern beziehungsweise Thriller-Serien kennt, bei denen der Killer innerhalb von einer oder zwei Stunden identifiziert und gestellt wird. Stattdessen geht diese Arbeit in der Realität langsam vonstatten, ist frustrierend, gelegentlich liegen die Protagonisten auch einfach nur falsch oder werden durch das komplexe Spiel der Lokalpolitik ausgebremst. Darüber hinaus schleicht sich der Horror der Arbeit langsam in das Privatleben aller Hauptfiguren ein. Wie man es von David Fincher mittlerweile gewohnt ist, geht hier alles langsam, methodisch und bedacht vonstatten. Und jede Kameraeinstellung lässt sich einrahmen.

Während Mindhunter noch eine Weile weitergehen kann, ging Mr. Robot in diesem Jahr in seine letzte Runde. Wie viele andere Serien hatte auch der von Sam Esmail geschaffene Paranoia-Thriller, in dem sich eine Gruppe von Hackern gegen übermächtige Konzern-Overlords auflehnt, seine Aufs und Abs – auch in der letzten Staffel. Trotzdem dringt der Showrunner, Autor und Regisseur noch tiefer in die Psyche seines Hauptprotagonisten und korrupten Sümpfe dieser Welt ein. Aus dem Ersterem fordert er Verstörendes und aus dem Letzterem noch Überraschendes zutage und inszeniert viele der 13 Episoden äußerst einfallsreich, zum Beispiel als eine Art Theaterstück oder sogar einmal frei von jeglichen Dialogen.

Barry ist eine tragikomische Serie über einen Kriegsveteranen, der jetzt Profikiller ist, aber am liebsten ein Schauspieler sein möchte. Die meiste Zeit verbringt er jedoch damit, alle anderen und vor allem sich selbst davon zu überzeugen, dass er kein Monster ist. Dabei muss er aber viele monströse Dinge tun, damit niemand entdeckt, dass er in Wirklichkeit vielleicht doch ein Monster sein könnte. Das ist absurd-komisch und gelegentlich auch traurig. Vor allem aber eine Gelegenheit für Saturday-Night-Live-Veteran Bill Hader zu zeigen, dass er ein äußerst facettenreicher Schauspieler sein kann. Nicht zu vergessen Henry Winkler, der oftmals nur ein komödiantischer Stichwortgeber sein darf, hier allerdings auch eine andere Seite zeigt.

Wie nicht anders zu erwarten, liefert auch die 4. Staffel von The Expanse wieder interessantes Science-Fiction-Serienfutter. Auch wenn das vierte Buch der Reihe nicht mein Lieblingsbuch war, kann die Serienadaption die reizvolle Kolonisierungsgeschichte um einige andere Facetten anreichern: Die separaten Plots um Bobbie Draper, Chrisjen Avasarala und Klaes Ashford sorgen für Abwechslung und bereiten schon den Boden für Ereignisse, die in der 5. Staffel wahrscheinlich folgen, die ich aber selbstverständlich noch nicht verrate.

Mein Serien-Highlight in diesem Jahr stellte jedoch Watchmen dar. Und ja, es liegen sicherlich schon zahlreiche Beschwerden bei der HBO- und Lindelof-Beschwerdeabteilung vor und vielleicht ist die nächste Petition, welche die Serie für immer aus dem Raum-Zeit-Kontinuum löschen soll, schon in Arbeit. Aber all das ist mir egal. Interessante Adaptionen werden für mich immer reizvoller sein als werkgetreue Adaptionen. Weil, warum sollte ich mir etwas ansehen, das mich in keinster Weise überrascht oder herausfordert und von dem in meinem Kopf sowieso schon eine bessere Verfilmung existiert. Und im Falle von Watchmen ist die Comicvorlage sowieso besser, als jede direkte Verfilmung je sein kann, wie die Zack-Snyder-Adaption bereits bewiesen hat. Unter den Superhelden-Deckmantel verhandelt die Serie zahlreiche Themen: Rassismus, sicherlich. Aber auch Trauma - hier in der Form des Tulsa-Massakers, das 1921 wirklich stattfand, aber lange Zeit nur eine historische Fußnote darstellte und erst heute wieder ins kollektive Bewusstsein Einzug findet. Watchmen blickt aber auch im Serienformat hinter die diversen Masken, identifiziert Schmerz und vor allem Angst, die sich durch die alternative Geschichte der USA zieht (und wahrscheinlich nicht nur diese).

Katrin Hemmerling

2019 hat mir aus diversen Gründen leider wenig Zeit gelassen, Serien runterzubingen. Deswegen habe ich leider nur zwei Kandidaten, aber die waren in diesem Jahr die große Liebe für mich.

Schon bei den ersten Casting-Meldungen für Good Omens war klar, dass diese Serie eigentlich nur gut werden kann. Der erste Trailer hat die Vorfreude noch gesteigert - und bereits nach Folge 1 war mir klar: Die Serie gehört zu meinen Top des Jahres. Die Chemie zwischen David Tennant und Michael Sheen stimmt, das Comedy-Timing zwischen den beiden ist perfekt und britischer Humor ist bei mir sowieso immer willkommen. Außerdem hatte ich nach einigen Folgen liebgewonnene Queen-Ohrwürmer. Was möchte ich mehr von einer Serie?

Sprecht ihr schon Podling? Mögt ihr euren Holzlöffel? Hup aus Der Dunkle Kristall - Ära des Widerstandes hat mein Herz im Sturm erobert. Auch auf diese Serie hatte ich mich immens gefreut, als feststand, dass sie im alten Stil des Films umgesetzt werden würde. Und ich wurde nicht enttäuscht. Meine ausführliche Meinung dazu habe ich bereits kundgetan - damit ist klar, dass die Serie mit zu meinen Lieblingen in diesem Jahr zählen würde.

Und ja, mit anderen Serien hänge ich hinterher. Man möge mir verzeihen, dass ich Watchmen oder His Dark Materials noch nicht weitergucken konnte. Aber die Weihnachtspause kann ich ja entsprechend nutzen ...

Tobias Maibaum

Ich muss zugeben: An die HBO-Serienumsetzung von Watchmen habe ich anfangs nicht geglaubt. Wie viele andere Menschen, habe ich den Comic inzwischen für zu schwer adaptierbar gehalten - und dann noch in einem Sequel? Zum Glück gefallen Überraschungen und da hat es die Serienwelt zum Ende der Dekade nochmal voll erwischt. Watchmen schließt nicht nur befriedigend an die Vorlage an, sondern kombiniert auch gleichzeitig das beste aus Lost, Legion und The Leftovers in eine rundum hervorragend aufgelöste Serie. Es brilliert ein Drehbuch, was in die gleiche Kerbe wie Westworld schlägt, aber seine Mysterien nicht für Entdecker auf Plattformen wie Reddit aufbaut. Muss ich dazu noch erwähnen, dass Themen wie Krieg, Rassismus, amerikanische Politik und Polizeigewalt elegant jongliert werden? Watchmen macht ganz nebenbei, wovon anderen Produktionen nur träumen können.

Auch das Buch Ein gutes Omen von Terry Pratchett und Neil Gaiman hielt ich für schwer adaptierbar, selbst wenn mich die erste Staffel von American Gods eigentlich eines besseren belehrt haben sollte. Aber hier ist Good Omens mit David Tennant, produziert von der BBC: Kleine Änderungen und Anpassungen um einige Charaktere wirken nicht fehl am Platz, der Humor bleibt erhalten, Spezialeffekte sind irgendwie passend inszeniert. Auch diese Serie verzichtet - ebenso wie Watchmen - darauf, eine Grundlage für eine zweite Staffel zu schaffen und darf alleine stehen. Damit stimmt das Ende, Charaktere dürfen sich entwickeln und die meisten Handlungspunkte wirken befriedigend rund. Manchmal reichen eben auch sechs Episoden, wenn das Endprodukt dadurch stimmt. Doch auch die Besetzung hält die verrückte Handlung toll zusammen, die Hauptcharaktere haben eine stimmende Chemie und selbst Erzengel Gabriel ist mit Jon Hamm gleichzeitig ein regeltreuer Bürokrat und ein grausamer Richter.

Meiner Kollegin Anne kann ich bei ihrem Lob um Russian Doll nur zustimmen. Die bekannt wirkende Prämisse wird durch zeitgemäßen Humor und eine Natasha Lyonne, die schauspielerische Höchstleistung zeigt, abgerundet. Die Serie ist sich sehr bewusst, wie das moderne New York mit all seinen Ecken und Kanten aussieht und macht sich darüber genauso lustig, wie über das eigene Genre. Dabei werden die Zeitreisen durch spannende Wendungen verfeinert, die klare Parallelen zu den Themen Sucht und psychischen Krankheiten ziehen. Trotzdem kommt Russian Doll ohne einen mahnenden Zeigefinger aus und die krächzende Hauptfigur darf sich einige Zigaretten genehmigen, ohne eine gleich eine wundersame Genesung durchzumachen.

Florian Kaiser

Bereits weit vor Ausstrahlung der letzten Folge des Welthits Game of Thrones in diesem Jahr war der Kampf um die Thronfolge entbrannt. Eine Serie, die in diesem Zusammenhang schon früh als einer der großen Favoriten gehandelt wurde, war The Witcher. Der Hexer Geralt von Riva (Henry Cavill) erlangte in erster Linie als Protagonist einer äußerst erfolgreichen Videospielreihe enorme Bekanntheit. Diese schloss inhaltlich ihrerseits an eine unter Fantastik-Liebhabern sehr populäre Buchreihe von Andrzej Sapkowski an, auf der wiederum das neueste Prestigeprojekt von Netflix basiert.

Die erste Staffel dreht sich aber zunächst einmal vornehmlich um Geschehnisse, die einer Kurzgeschichtensammlung entstammen und zeitlich vor den in der Haupt-Pentalogie vorgestellten Ereignissen zu verorten sind. Sprich: Ausreichend Material für die nächste große "Bewegtbild-Saga", die der Popkultur über viele Jahre ihren Stempel aufdrücken könnte, wäre vorhanden - zumal die Macher sich auch nicht davor scheuen, Ergänzungen beziehungsweise Anpassungen in Bezug auf den Inhalt vorzunehmen. Und die ersten acht Episoden liefern ausreichend Argumente, die für das Eintreten dieses Szenarios sprechen. Allen voran die Tatsache, dass Showrunner Lauren Schmidt und ihr Team einen Fantasy-Ansatz gewählt haben, der sehr erfrischend daherkommt.

Natürlich existieren auch in diesem Universum Elfen, Könige, Ritter oder Monster. Und selbstredend ebenfalls Magie-Begabte wie Zauberer, Magierinnen oder eben Hexer. Insbesondere der letztgenannten Gruppe verdankt das Format zudem eindeutig die meisten seiner Alleinstellungsmerkmale. Magie dient hier nämlich dazu, diese Welt im Gleichgewicht zu halten und dafür zu sorgen, dass das Chaos nicht die Oberhand gewinnt. Das altbekannte Prinzip, nach dem alles seinen Preis hat, ist daher sozusagen das Fundament, auf dem die präsentierte Handlung fußt. Und diese hält einige Überraschungen für den Streamenden bereit und liefert ihm nicht jede Information auf dem Silbertablett, sondern fordert ihn und nimmt ihn ernst.

Dabei sticht vor allem einerseits die klare Fokussierung auf lediglich drei Hauptfiguren heraus und andererseits die Art, wie deren Handlungsstränge gestaltet werden. Geralt etwa darf mehrfach das Monster der Woche erledigen, während alles, was mit Yennefer von Vengerberg (Anya Chalotra) und Cirilla von Cintra (Freya Allan) zu tun hat, (zumindest anfangs) sehr linear erzählt wird. Man erfährt in der Regel genug, um den Ereignissen folgen zu können, gleichzeitig ergeben sich jedoch auch immer neue Fragen - besser kann man seine Fans wohl kaum dazu animieren, sich die Wartezeit bis zur zweiten Staffel mit der Lektüre der Vorlage zu vertreiben.

Ich schätze Serien sehr, in denen Dinge nicht einfach so passieren, sondern stets eine Bedeutung haben und es auf die Details ankommt - Serien wie Der Prinz der Drachen. Lange hat mich kein Titel mehr so begeistert wie diese Netflix-Produktion, deren zweite und dritte Staffel 2019 erschienen sind, und die auf Aaron Ehasz und Justin Richmond zurückgeht. Ersterer war Hauptautor von Avatar - Der Herr der Elemente, einer der erfolgreichsten Zeichentrickserien überhaupt, Zweiterer ist eigentlich ein Experte für packende Videospiele. Eine, wie sich schnell zeigen sollte, ideale Kombination, von der das Format von Folge 1 an profitiert hat. Denn obwohl wir es hier mit animierten Charakteren zu tun haben, zielt Netflix mit The Dragon Prince eindeutig auch auf ein erwachsenes Publikum ab.

Neben der Komplexität des Dargebotenen sprechen einige beeindruckend umgesetzte Kampfsequenzen dafür. Bereits in den ersten Episoden steht beispielsweise ein Attentat auf den König von Katolis an. Dieses geht auf das Konto der sogenannten Mondschatten-Elfen - außer ihnen gibt es noch fünf weitere Elfenarten. Sie alle leben in Xadia, einem von Magie erfüllten Ort, der durch einen Lavastrom von den fünf Menschenkönigreichen, zu denen das erwähnte Katolis gehört, getrennt ist. Zwischen beiden Seiten besteht seit Ewigkeiten ein Konflikt, den zwei Prinzen (Callum und Ezran) sowie eine junge Mondschatten-Elf-Assasinin (Rayla) beenden wollen, indem sie den Prinzen der Drachen, der lange als tot galt, wieder nach Hause bringen. Daran hindern wollen sie hingegen der gefährliche Lord Viren und dessen mysteriöser Einflüsterer. Man könnte an dieser Stelle noch einige Haupt- und Nebenfiguren aufzählen, die positiv auffallen.

Die Liste würde aber extrem lang werden, da die Macher viel Wert darauf gelegt haben, dass man so ziemlich allen eingeführten Personen - ob gut, böse oder irgendwo dazwischen - etwas abgewinnen kann. Daran sieht man ebenso wie an dem Umstand, dass sich die Handlung sehr stimmig entwickelt und sich jedes neue Teil wunderbar in das noch unfertige Puzzle einsetzen lässt, ohne dass das finale Motiv schon zu erahnen wäre, dass hier mit viel Weitsicht geplant wurde. Und deshalb wäre es dieser faszinierenden Serie - aus meiner Sicht - definitiv zu wünschen, dass die Macher wirklich - wie von ihnen angedacht - jeder der sechs respektive sieben Quellen der Magie eine Staffel werden widmen dürfen.

Hannes Könitzer

Mein persönliches Highlight des Jahres war ohne Zweifel Watchmen. Dabei war ich zunächst noch sehr skeptisch. Die vielen Fragezeichen nach den ersten Folgen fühlten sich zu sehr nach Lost an und so stellte sich durchaus die Frage, ob Damon Lindelof hier wieder nur ein paar halbgare Antworten liefern würde. Spätestens mit der vorletzten Episode waren aber alle Zweifel ausgeräumt. Watchmen ist von Anfang bis Ende durchdacht, alles ergibt Sinn und wird vor allem auf spannende Art und Weise erzählt. Zudem ist die Staffel in sich abgeschlossen, was die Serie perfekt für ein Binge-Wochenende macht.

Ebenfalls positiv überrascht hat mich in diesem Jahr The Boys. Auch wenn ich mit der Comicvorlage vertraut war, konnte die Serie vom ersten Moment an fesseln. Der Humor und die Figuren funktionieren einfach perfekt. Bei der Action zeigt sich dann zwar, dass es sich trotz Amazon im Rücken immer noch um ein Serienbudget handelt, trotzdem ist The Boys eine runde Sache und man kann nur hoffen, dass die Serienmacher die Qualität in Staffel 2 halten können.

Mein drittes Serien-Highlight ist technisch gesehen keine Serie, sondern ein Dungeon-&-Dragons-Stream. Da mir jedoch keine andere wöchentliche Unterhaltung in den vergangenen zweieinhalb Jahren so viel Spaß gemacht hat wie Critical Role, ist es einfach an der Zeit, die Sendung entsprechend zu würdigen. Der sympathische Cast aus amerikanischen Synchronsprechern erzählt eine spaßige, spannende und auch berührende Geschichte, die zudem nun auch bald den Sprung zur Animationsserie macht. Wer Spaß an Pen-&-Paper-Streams hat und zudem der englischen Sprache mächtig ist, der sollte Critical Role unbedingt eine Chance geben.

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