Kritik zu Peninsula – Zombies ohne Abstand und Anstand

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Die Zombies reagieren auf das ferngesteuerte blinkende Spielzeugauto

Vier Jahre sind seit den Geschehnissen vergangen von Train to Busan. Die südkoreanische Halbinsel ist weitgehend verlassen, viele Bewohner suchen nun Zuflucht in anderen Ländern. Darunter auch der ehemalige Soldat Jung-seok (Gang Dong-won), der Teile seiner Familie bei der Evakuierung verloren hat. Von Hong Kong aus soll er mit seinem Schwager Chul-Min (Kim Do-yun) und zwei weiteren Begleitern einen Lastwagen aus der südkoreanischen Hafenstadt Incheon bergen. Natürlich geht dieser Auftrag schief - Zombies überfallen die Gruppe. Aber Jung-seok entdeckt auf seiner Flucht: Die Halbinsel ist nicht so verlassen wie vermutet.

Zombiefilme während einer Pandemie haben ein eigenes Flair. Die Untoten kommen schließlich meist als weltweite Plage her, die kaum zu stoppen ist, sind hoch ansteckend und halten sich zu allem Überfluss auch an keine Abstandsregeln (vom Masken tragen ganz zu schweigen). Natürlich kann man Peninsula sein Timing schlecht vorwerfen: Gedreht wurde er von Juni bis Oktober 2019, lange vor dem Ausbruch von Covid-19.

Realität ist dann doch manchmal besser

Trotzdem erhält der Film eine etwas seltsame Bedeutungsebene, wenn er knapp ein Jahr später erscheint. Schließlich ist der bereits in Train to Busan angedeutete Zombieausbruch wenig mehr als eine Seuche, auch wenn diese Pandemie sich anscheinend weitgehend auf Südkorea beschränkt hat und keine weltweite Verbreitung fand. Im Gegensatz zur realen Welt, in welcher Südkorea die Covid-19-Pandemie weitgehend erfolgreich durchsteht, sind Staat und Gesellschaft im Film zusammengebrochen.

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06_Die Stadt im desolaten Zustand

Interessant ist dabei: Während der Vorgänger noch eine Geschichte erzählte, die weitgehend auf ein südkoreanisches Publikum zugeschnitten war und somit Themen angesprochen hat, die sich hauptsächlich auf die dortige Gesellschaft bezogen, ist der Nachfolger wesentlich internationaler. Schon im Prolog wird Englisch gesprochen, die Anfangsexposition findet im Rahmen einer wenig stilsicher inszenierten amerikanischen Late-Night-Show statt, und die Handlung um Jung-seok setzt in Hong Kong ein, wohin es viele Exil-Koreaner verschlagen hat.

Peninsula scheint sich seiner globalen Aufmerksamkeit also bewusst zu sein, ist im Herzen aber immer noch ein Produkt der südkoreanischen Filmwirtschaft - was vor allem am Ende deutlich wird, aber dazu später mehr. Allerdings hätte es dem Film wahrscheinlich besser getan, sein Netz etwas weniger breit auszuwerfen: Der Vorgänger profitierte vom begrenzten Handlungsort eines Hochgeschwindigkeitszuges, während Peninsula eine an sich konventionelle Zombiegeschichte erzählt. Das Publikum kann also die gängigen Zombieklischees erwarten: heruntergekommene Städte, verwüstete Straßen, Zombiehorden, verwahrloste Überlebende, Hoffnung in der Endzeit und so weiter. Für Zombiefans mag das Genre-Standard sein und auf gewisse Art auch erfreulich, wer aber ein wenig Anspruch an seine Untotengeschichten hat, der ist vielleicht vom wenig innovativen Handlungsrahmen enttäuscht.

Bunte Lichter, die blinken

Auch die Charaktere und ihre Geschichten bieten wenig Neues: Der Ex-Soldat Jung-seok leidet an seinem von der Flucht ausgelösten Trauma und einem Schuldkomplex, die Mutter Min-jung (Lee Jung-hyun) kämpft mit ihren beiden Töchtern und ihrem Vater ums Überleben und sucht mit Jung-seoks Hilfe einen Ausweg. Die verwahrlosten Ex-Militärs in Zombieland haben ihre Menschlichkeit verloren und versuchen ebenfalls, die Halbinsel zu verlassen. Einziger Lichtblick in den erwartbaren Charakterzeichnungen sind die beiden Kinder Jooni (Lee Re) und Yu-jin (Lee Ye-won). Während Yu-jin mit lärmenden, fernsteuerbaren Spielzeugautos die Zombies ablenkt, überzeugt ihre Schwester mit atemberaubenden Drift-Manövern, die alle Gymkhana-Fans begeistern können.

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Jooni (Lee Re) ist skeptisch

Zumindest könnten sie begeistern. Denn auch wenn diese Action-Szenen wunderbar fesselnd inszeniert sind, hinterlassen sie aufgrund des deutlichen Einsatzes von Computergrafik einen etwas faden Nachgeschmack. Überhaupt ist der Einsatz von Bluescreens und CG-Elementen sehr auffallend und trübt den Eindruck der ansonsten soliden Arbeit von Kamera, Schauspiel und Schnitt. Hier bemerkt man das im Vergleich zu Hollywoods Blockbustern doch recht kleine Budget des Films.

Trotzdem können vor allem die Action-Elemente überzeugen, und in der abschließenden Verfolgungsjagd kommen beinahe Erinnerungen an Mad Max Fury Road hoch. Aber nur fast, denn auch hier stolpert man über den Einsatz von Computergrafik, der den Eindruck der Action etwas schmälert.

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Jung-seok (Gang Dong-won) versucht zu überleben

Leider zieht sich das Ende des Films etwas und erinnert in seiner Tränen hervorprügelnden, Geigen geschwängerten Dramatik beinahe an südkoreanische Fernsehdramen. Den knapp zwei Stunden Laufzeit hätte es gut getan, hier etwas zu kürzen. Immerhin schafft es der Film zu einem runden Ende für seine Hauptcharaktere.

Fazit:

Peninsula bietet solide Zombieunterhaltung mit pandemiebedingtem, seltsamen Beigeschmack. Weder Handlung noch Charaktere sind sonderlich innovativ, können aber auf gutem Niveau unterhalten. Wer unbedingt Zombies braucht, der freut sich über die Untoten, wer sich frischen Wind fürs Genre erhofft wird leider enttäuscht.

Peninsula - Trailer Deutsch HD - Ab 08.10.20 im Kino!

TRAIN TO BUSAN PRESENTS: PENINSULA (2020) Official Trailer | Zombie Action Movie

Train to Busan Presents - Peninsula
Originaltitel:
반도
Kinostart:
30.07.20
Regie:
Sang-ho Yeon
Drehbuch:
Sang-ho Yeon, Joo-Suk Park
Darsteller:
Kang Dong-won, Lee Jung-hyun, Lee Re, Kwon Hae-hyo, Kim Min-jae, Koo Kyo-hwan
Die Fortsetzung zu Train to Busan spielt vier Jahre nach dem ersten Film und stellt neue Figuren in den Mittelpunkt.

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