Kritik zu Fatman: Bad Santa, made in USA

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Fatman

Bei manchen Filmvorstellungen möchte man sich als Filmkritiker einfach nur naserümpfend abwenden. Wozu die Mühe, denkt man sich, man weiß ja sowieso, wo es langgeht. Das schien zunächst auch für Fatman zu gelten. Die Zutaten für den Trailer sehen ja auch nach ziemlichem Trash aus: Ein grummeliger Weihnachtsmann, blutige Schießereien, jede Menge kernige Sprüche und dazu noch ein massiv problembehafteter Hauptdarsteller. Und trotzdem: Auf eine merkwürdige Weise funktioniert der Film - zumindest, wenn man keine großen Ansprüche an das Drehbuch stellt und nicht zu genau über die Handlung nachdenkt.

Jagd auf Santa Cringle

Die Handlung ist so abgedreht wie die Idee vom Weihnachtsmann an sich auch: Der verwöhnte Millionärssohn Billy hat sich offenbar mehrfach so sehr danebenbenommen, dass er zum Weihnachtsfest nur einen traurigen Klumpen Kohle auf dem Gabentisch vorfindet. Doch statt in sich zu gehen, tut er, was verwöhnte, verzogene Millionärssöhne eben so tun: Sie heuern einen Auftragskiller an, um den vermeintlich Schuldigen zur Strecke zu bringen. In diesem Fall wäre das der Weihnachtsmann, alias Chris Cringle, der in Alaska mit Frau und werktätiger Elfenmannschaft auf einem Grundstück mit hauseigener Manufaktur lebt.

Allerdings muss sich Cringle mit Problemen ganz anderer Art herumschlagen: Er ist von der zynischen, materiellen Welt desillusioniert. Die Weihnachtsmannkarriere läuft immer schlechter und Cringle ist dringend auf Einnahmen aus alternativen Quellen angewiesen. Als schließlich das amerikanische Militär anklopft, um ihm eine Kooperation anzubieten, sieht Cringle einen Ausweg aus der drohenden Pleite. Und auch nicht ganz unpraktisch: Mit einem Haus voller Militärs hat ein Auftragskiller immerhin kein zu leichtes Spiel.

Fatman_Skinny Man

Elefant im Weihnachtskostüm

Sprechen wir am Besten direkt den Elefanten im Raum an: Ja, Mel Gibson für eine Rolle wie den Weihnachtsmann zu wählen, ist durchaus gewagt. Und ja, man kann kaum eine Szene mit ihm anschauen, ohne an die zahlreichen problematischen, oft auch offen rassistischen Äußerungen des Schauspielers zu denken. Wirklich weihnachtlich-wohlig verlieren kann man sich deshalb in Fatman kaum. Allerdings will der Film das auch nicht. Tatsächlich gelingt es dem Regieduo Ian und Eshom Nelms, die bisher vor allem Kurzfilme produziert haben, jederzeit die schlecht gelaunte Knarzigkeit des Weihnachtsmann-Darstellers hervorzuheben. Und das funktionier sogar recht gut - so gut sogar, dass in manchen Szenen fast so etwas wie leise Sympathie für den vom kapitalistischen System gebeutelten Weihnachts-Unternehmers aufkommt.

Einen großen Anteil daran hat allerdings auch Marianne Jean-Baptiste (Homecoming, Jack Ryan, Broadchurch), die als Santa-Ehefrau kein Blatt vor den Mund nimmt. Auch die Elfenwerkstatt ist divers besetzt, was durchaus positiv auffällt. Fast wünscht man sich eine Version mit den zahlreichen anderen Figuren auf der Ranch, aber das Zugpferd Mel Gibson dürfte das ausschlaggebendere Argument für die Entstehung von Fatman gewesen sein. Erfreulicherweise entwickeln Gibson und Jean-Baptiste eine recht stimmige Chemie, die selbst über den vergleichsweise dünnen Handlungsbogen hinweg funktioniert.

Dazu kommt: Jemanden wie Mel Gibson auf sein Filmset einzuladen, dürfte recht kostspielig sein. Offenbar so sehr, dass der Film an sonstigen Spezialeffekten ziemlich offensichtlich sparen musste. Was jedoch nicht zwangsläufig schlecht ist: Statt auf übertriebenes CGI und süßliche Weihnachtsoptik (wer erinnert sich noch an die Santa-Vertretung von Tim Allen aus dem Jahr 1994?) konzentriert man sich auf rustikale Kulissen und klassische, handfeste Action. Und tatsächlich darf man Fatman in Sachen Tempo und Action als recht gelungenen betrachten. Selbst dann, wenn die Actionszenen manchmal kurz davor sind, ins unfreiwillig komische zu kippen, weil ein alternder Mel Gibson dann eben doch nur genau das ist: Ein Actionstar aus alten Zeiten, der es nochmal wissen will.

Fatman Mel Gibson

Von Gören und Mördern

Immerhin stört es so etwas weniger, dass die Figuren an sich kaum erzählerische Tiefe mitbringen. Besonders auffällig ist das bei der Darstellung von Billy (Chance Hurstfield, Good Boys), der mit seinen geschätzten 12 Jahren vielleicht ein wenig zu alt ist, um dem Weihnachtsmann derart zu grollen, dass man ihm gleich ein Tötungskommando auf den Hals hetzen will - aber nun gut, das muss eben hingenommen werden im Weihnachtsland. Schließlich schreckt er auch nicht davor zurück, andere Kinder zu quälen. Die heute recht beliebte Vorstellung, Kinder als die eigentlichen Unsympathen darzustellen, ohne vielleicht hinter die Kulissen zu schauen (denn einen kurzen Einblick ins Familienleben gibt der Film durchaus), führt diese Rolle fort. Hurstfield ist dabei aber so überzeugend eklig, dass man schon wieder Spaß daran finden kann.

Viel eher ans Herz wachsen kann dem Zuschauer jedoch überraschenderweise der angeheuerte Killer (Walton Goggins, Antman and the Wasp, Hateful Eight). Er bringt zwar auch nicht sonderlich viel Hintergrundgeschichte mit, überzeugt aber beispielsweise, weil er sich absolut rührend um seinen Goldhamster kümmert. Wenn niemand hinschaut, hat er eben ein weiches Herz. Mit subtilen Brüchen dieser Art, die einfach so unterhalten, ohne zwingend zum Plot zu gehören, gibt es Bonuspunkte für Humor und Niedlichkeit. Auch sonst kann Goggins mit seiner Verbissenheit, mit der auch im Schnitt immer wieder gespielt wird, humortechnisch recht gut überzeugen. So hat er beispielsweise wie ein typischer Geschäftsreisender stets einen Koffer voll identischer schwarzer Anzüge dabei - man muss schließlich mit Stil morden.

Weihnachten, made in America

Es dürfte wohl recht müßig sein, sich in Filmen wie Fatman an der allgemeinen Veramerikanisierung der Weihnachtstraditionen zu reiben. Schließlich gehören Bilder von Milch und Keksen, Rentieren und gestreiften Zuckerstangen - oder, in Mrs. Cringles Fall, liebevoll verzierten Plätzchen, denn die Weihnachtselfen ernähren sich nur von Kohlehydraten und Zucker - zur unabdingbaren Ausstattung. Wie genau die Handlung rund um die US-Milizen in diese Welt hineinpassen soll, wird zwar auch nach längerer Überlegung nicht ganz klar, wahrscheinlich reichte den Machern die Idee, möglichst viele kernige Typen in schweren Boots über das Weihnachtsmann-Anwesen stiefeln zu lassen, um genügend spannungsgeladene Bilder zu erzeugen.

Fatman Showdown

Was hingegen vergleichsweise gut funktioniert ist die kapitalismuskritische Botschaft, die Fatman - zumindest in Ansätzen - mitbringt. Wenn selbst der Weihnachtsmann mittlerweile genug vom ewigen Konsum hat und die Menschen nur noch als Haufen böswilliger Nichtsnutze betrachtet, denen man keine echte Freude mehr schenken kann, wird es vielleicht doch Zeit, die eigene Weltsicht und Verhaltensweisen zu überprüfen.

Dass auch er als selbstständiger Geschäftsmann in der heutigen Zeit Probleme hat, sich über Wasser zu halten, und der Staat ihm nur mit fragwürdigen Mitteln unter die Arme greift, während der Turbokapitalismus munter weiter wuchert, dürfte zumindest in den USA als recht starke Botschaft aufgegriffen werden.

Fazit

Voll von düsterem Humor, blutige Action und nicht besonders jugendfrei - Fatman ist definitiv kein Weihnachtsfilm für die ganze Familie, sondern eine absolute Erwachsenenangelegenheit. Sicherlich wird Fatman keinem altgedienten Weihnachtsklassiker den Rang ablaufen. Für einen unterhaltsamen Abend ohne viel Nachdenken dürfte der Film aber allemal sorgen.

Fatman ist ab dem 4. Dezember bei Amazon und iTunes zum Kauf verfügbar.

zusätzlicher Bildnachweis: 
© Splendid Film
Fatman Poster Mel Gibson
Originaltitel:
Fatman
Kinostart:
04.12.20
Regie:
Eshom Nelms, Ian Nelms
Drehbuch:
Eshom Nelms, Ian Nelms
Darsteller:
Mel Gibson, Walton Goggins, Marianne Jean-Baptiste, Shaun Benson, Paulino Nunes, Chance Hurstfield, Michelle Lang
In der Action-Komödie spielt Mel Gibson einen eher Weihnachtsmann der etwas anderen Sorte.

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