The Sanctuary - Kritik zu Star Trek: Discovery 3.08

SPOILER

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Für Star Trek: Discovery 3.08 “Das Schutzgebiet” (OT: “The Sanctuary”) hat abermals Jonathan Frakes nach einem Drehbuch von Kenneth Lin (House of Cards) und Brandon Schultz (Star Trek: Discovery, Short Treks) die Regie übernommen. Entsprechend wenig überrascht eine gewisse humoristische Note und zumindest der Versuch, mehr von der Crew einzubinden.

Die Böse Hexe des Westens

Ihr Ruf eilt ihr voraus, nun bekommen wir sie endlich auch mal zu Gesicht: Die überall gefürchtete Osyraa (Janet Kidder), Anführerin der Smaragdkette. Haben wir bislang nur ihre Handlanger kennengelernt, so präsentiert Osyraa selbst sich zumindest vor der Kamera recht alleine.

Um ihre Skrupellosigkeit zu unterstreichen, bekommt ihr Neffe vom Ruhrpottplaneten (3.06 “Aasgeier”) noch schnell einen Namen (Tolor) nebst Zweizeiler-Hintergrundgeschichte (Osyraa tötete Vater und adoptierte Tolor), ehe er wegen seiner Verfehlungen einem Trancewurm zum Fraß vorgeworfen wird. Eine Szene, die vollkommen unnötig ist, aber so konnte man bereits vorhandenes CGI-Material noch einmal nutzen und sehr dick doppelt unterstreichen, dass Osyraa wirklich skrupellos böse-böse ist.

Die Verbindung zur Discovery erfolgt über Book. Dieser bekommt Nachricht von seinem Bruder Kyheem, dass ihr Heimatplanet Kweijan in Gefahr sei. Schon seit Jahrzehnten herrscht eine Art biblische Plage, Fangschreckenkrebse zerstören die Ernte, und es droht ständig eine Hungersnot. Osyraa brachte vor rund 15 Jahren eine Lösung, jedoch wollte sie das Schädlingsbekämpfungsmittel nur gegen die Trancewürmer des Planeten tauschen, die auf dem Markt einen guten Preis erzielen. Nun scheint eine Auseinandersetzung mit Osyraa zu drohen, und Book will sofort zur Hilfe eilen.

Die Überheblichkeit der Föderation

Wobei eilen heißt, dass es wahlweise zwei Wochen dauert oder aber er die Reise durch einen Transwarptunnel mit einer Chance von 1:2 nicht überlebt. Wie praktisch an Bord der Discovery zu sein, die mal eben hin hüpfen könnte.

Es braucht auch nur maximal zwei Sätze, um Admiral Vance davon zu überzeugen, dieses für die Föderation enorm wichtige Schiff mit dem einzigartigen Antrieb als Taxi direkt vor das Waffensystem des aktuell größten Gegners zu schicken - und das auch noch für einen recht bedeutungslosen Planeten. Sehr gute Taktik, diese Entscheidung leuchtet sofort ein. Wie könnte man besser die diplomatische Größe und Schiedsrichterehre der Föderation repräsentieren. Alles bisher zeigte Admiral Vance auch, dass man den Worten der Discovery-Crew völlig trauen kann, natürlich werden sie in keiner Weise kämpferisch eingreifen, sondern nur den Beobachterposten einnehmen.

Ryn und Osyraa machen noch einmal deutlich, was in der Staffel bisher mitschwang: Zwar gibt es die “wahren Gläubigen”, doch eben auch viele, die von der Föderation nicht sonderlich begeistert sind. Wie Ryn erzählt, gilt die Föderation gar als großer Schrecken, mit dem man Kindern Angst macht. Und Osyraa spricht die Überheblichkeit der Sternenflotte an, als Saru sie mit irgendwelchen Regularien darüber belehren will, dass sie Unrecht tut.

In welcher Welt? Warum sollte die Sternenflotte/Föderation hier irgendetwas zu sagen haben? Regularien funktionieren nur, wenn sich alle darauf geeinigt haben und/oder das Übertreten klare Konsequenzen hat. Admiral Vance und auch Saru selbst sollte doch eigentlich klar gewesen sein, dass es auf eine kämpferische Auseinandersetzung hinaus läuft. Was haben sie denn sonst in der Hand, um Osyraa zu stoppen?

Waldspaziergang

Abstand halten ist auf Kweijan kein Problem. Wohnt da überhaupt irgendwer? Also außer Books Bruder in seinem Tatort-Architekten-Haus mitten im Wald mit einer handvoll stummen Handlangern. Dafür, dass erneut eine Hungersnot droht, fließt viel Energie in den Erhalt eines ziemlich mächtigen Schutzschildes, durch den man schwer kommunizieren oder beamen kann.

Nun bin ich ja eigentlich froh, dass wir in dieser Staffel wieder in jeder Folge eine kleine rahmengebende “Handlung der Woche” haben. Die Geschichte rund um Kweijan nimmt allerdings recht viel Raum ein, dafür dass inhaltlich nicht viel passiert. Auf sinnlose Kämpfe im Herbstlaub und Books Familiengeschichte hätte ich auch weiterhin verzichten können.

Book, the artist formally known as Tareckx/T’rex, hat sich mit seiner Familie ob des Deals mit Osyraa überworfen. Osyraa nutzt Kyheem, um über Book an Ryn zu kommen, der ihr dunkles Geheimnis kennt: Sie hat bald kein Dilithium mehr. Warum das nun groß überraschen sollte in einer Welt, in der Dilithium generell Mangelware ist, bleibt offen. Auch zum Erlangen dieser Information hätte es nicht das minutenlange Rumwälzen auf einem Waldboden gebraucht.

Nun geht die Plage auf Kweijan schon viele, viele Jahrzehnte. Die Bevölkerung kann einen sehr effektiven Schutzschild am Laufen halten. Zumindest Kyheem und Book sind Empathen, die mit der Natur kommunizieren können. Es ist vorher sonst noch niemand auf die Idee gekommen, den magisch-wirksamen Empathie-Gesang zu verstärken, da muss nun also die Discovery als große Retterin auftauchen? Zugegeben ist es auch ein sehr hanebüchener Einfall, und dass es funktioniert, ein Ärgernis. Was steckt denn hinter der Empathie? Wie funktioniert das? So wirkt es eben wie spirituelle Magie. Und davon ab: Was passiert denn mit den Fangschreckenkrebsen? Die hatten doch auch einen Grund, warum sie an Land gekommen sind. Verhungern die jetzt auf See? Kommen sie eh nicht  wieder?

Und was genau hindert Osyraa daran, im nächsten Moment zurückzukommen und die gesamte Bevölkerung von Kweijan (also die fünf Leute) umzubringen? Die Föderation hat jedenfalls nicht die Mittel, als Schutz weiter um den Planeten zu kreisen.

Ein großes Ärgernis

Wenig überraschend bleibt es natürlich nicht bei der reinen Beobachterrolle der Discovery. Es gibt jedoch leider keine clevere Lösung der Diskrepanz, dass der Admiral den klaren Befehl gab, auf keinen Fall kämpferisch tätig zu werden und dem Wunsch der Discovery, sofort einzugreifen.

Stattdessen wird eine Entscheidung getroffen, für die eigentlich mindestens Saru, Tilly und Detmer sofort aus der Sternenflotte geworfen und verhaftet gehören. Was ist das bitte für eine komplett bekloppte Idee, die Tilly da kommt und von allen abgenickt wird? Detmer soll mit Books Schiff und Ryns Kenntnissen von der Smaragdketten-Flotte im Alleingang Osyraa angreifen. Weil Books Schiff ja nun nicht zur Sternenflotte gehört und damit nicht die Föderation den Kampf anfängt. Weil das sowohl Osyraa als auch Vance nicht total egal sein wird.

Books Schiff scheint auch Teil so einer Art Car-Sharing zu sein, jeder kann es einfach nutzen. Nichts gegen Detmers Flugfähigkeiten, aber spontan ein fremdes Schiff mit noch einigermaßen unbekannter Technik zu fliegen, ist auch ohne gleich von einem viel größeren Kampfkoloss beschossen zu werden schwierig genug.

Ich weiß noch nicht mal, was mich mehr ärgert: Tillys dämlicher Einfall, bei dem sie sowohl direkte Befehle als auch das Wohl der Crew ignoriert, oder Detmers spontane Heilung. Ich an Admiral Vance Stelle würde auf jeden Fall Saru, Tilly und Detmer suspendieren und anklagen, zumindest aber die Discovery übernehmen und die Crew auf andere Schiffe verteilen. Und Burnham mit Book wegschicken, auch wenn Book nun doch lieber Uniform tragen mag.

Ist das Humor?

Derweil ist die sonstige Crew der Discovery mit eigenen Problemen beschäftigt. Burnham scheint Georgious Zustand gemeldet zu haben, so dass Doctor Culber und Doctor Pollard sie gründlich durchchecken. Zwar bleibt offen, was konkret das Ergebnis ist, aber es scheint ernst, möglicherweise gar tödlich zu sein. Ich tippe nach wie vor darauf, dass Kovich und/oder das Spiegeluniversum damit etwas zu tun haben.

Nun mag ich eigentlich sowohl Wilson Cruz als auch Michelle Yeoh, doch beide funktionieren besser mit jeweils einer etwas natürlicher schauspielenden Kollegin als Gegenüber. Ihre Charaktere sind teils sehr einseitig und aufgesetzt geschrieben, was im Zusammenspiel schnell nervt. Insbesondere bei Georgiou wünscht man sich schon viel früher ein ordentliches Betäubungsmittel. Ihre einseitig sarkastisch-aggressiv-beleidigende Art, was zwischenzeitlich als Humor versucht wird, trägt einfach nicht.

Auch die Sache mit Sarus und Tillys Suche nach einem individuellen, typischen Captain-Spruch für Saru wirkt eher bemüht und in dieser Folge deplatziert. Zumal Saru ja nun nicht neu auf dem Platz des obersten Befehlshabers an Bord ist, wieso also nun die Eile mit einem eigenen Ausspruch und auch die Unfähigkeit, sich selbst einen zu suchen?

Darüber könnte man hinwegsehen - den einen mag es gefallen, anderen nicht. Ärgerlicher wird es rund um Linus. Das könnte ja eigentlich ein durchaus spannender Nebencharakter sein, doch mittlerweile dient er nur noch als Scherz. Wie flach und billig, ja eigentlich was für ein Unding ist das denn bitte? Seit wann wird sich über natürliche Zustände eines Crew-Mitglieds derart lustig gemacht und die Bedürfnisse missachtet, ja geradezu dafür gemobbt? Als Krönung zum Schluss dann tatsächlich ein Kind, das mit dem Finger auf ihn zeigt und lacht und Burnhams “hier komm, klar kannst du ihm einfach mal ins Gesicht fassen und Haut abziehen”. Ohne zu fragen schon mal gar nicht, aber bitte frag auch nicht danach, sondern lass es einfach.

Dey

Stamets und Adira schieben Nachtschichten, um die Informationen der SB-19-Daten und den von Burnham besorgten Blackboxen zu kombinieren. Mit Erfolg: Die Quelle des Burns konnte im Zentrum des Verubin Nebels ausgemacht werden. Außerdem klingt ein aufgefangenes Signal wie die Melodie, die wir von den Barzianern des Samenschiffes oder auch von Adiras Cellospiel kennen. Nachdem alle Störsignale eliminiert sind, ertönt ein anderes bekanntes Geräusch: ein Notsignal der Sternenflotte. An der Stelle der Hinweis, dass im Short Trek “Calypso” die verlassene Discovery in einer Art Nebel auf die Rückkehr der Crew wartet. Noch habe ich die Hoffnung auf weitere Verknüpfung von Short Trek und Serie nicht aufgegeben.

Die freundschaftliche Mentoren-Verbindung zwischen Adira und Stamets und damit auch Culber wird weiter ausgebaut. Nicht nur durch gemeinsames Musizieren in Discoverys eigenem, gut ausgestatteten Musikzimmer. Adira bittet Stamets, geschlechtsneutrale Pronomen zu benutzen. Im Englischen ist “they/them” dafür verbreitet, im Deutschen ist das noch weniger klar geregelt. So wird in den Untertiteln “per” genutzt, in der Synchronisation hat man sich für “dey” entschieden, was bei einer englischsprachigen Vorlage naheliegend erscheint. Beides sind keine Wortneuschöpfungen der Übersetzer, sondern bereits als mögliche geschlechtsneutrale Pronomenform vorgeschlagen und teils in Benutzung.

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Auf jeden Fall ist es schön, dass das Thema nun endlich nicht nur in der Vorberichtserstattung, sondern auch innerhalb der Serie selbst angebracht wird, ohne groß Aufhebens zu machen: Adira informiert Stamets, und der setzt es auch gleich um. Zudem wird betont, dass es nichts mit Adiras Symbionten zu tun hat, sondern dey sich schon länger nicht einem binären Geschlecht (männlich/weiblich) zugehörig fühlt. Eigentlich eher verwunderlich, dass es auch im 32. Jahrhundert noch mit einer gewissen Geheimhaltung und nötigen Coming-Out verbunden zu sein scheint.

Es wird nun in den nächsten Folgen spannend, wie schnell es sich - gerade auch in der Synchronisation - völlig natürlich anhören wird. Repräsentation ist wichtig, und die Anpassung der Sprache braucht Übung und Beispiele. Es wäre schön zu sehen, wenn Star Trek da ein Teil der guten Vorbilder würde.

Fazit

Nach der in sich konsistenten Vorgängerepisode ist “Das Schutzgebiet” eher ein Flickenteppich. Zwar gibt die Handlung rund um Kweijan einen gewissen Rahmen, ist aber für sich zu egal, um die Folge vernünftig zusammenzuhalten. Osyraa bleibt in der klischeehaften Bösewichtart zu flach und damit zu uninteressant. Dazu sind zu viele Entscheidungen ein unverständliches Ärgernis, als dass man einfach darüber hinwegsehen kann.

Star Trek: Discovery

Originaltitel: Star Trek: Discovery
Erstaustrahlung 24. September 2017 bei CBS All Access / 25. September 2017 bei Netflix
Darsteller: Sonequa Martin-Green (Michael Burnham), Jason Isaacs (Captain Gabriel Lorca), Michelle Yeoh (Captain Georgiou), Doug Jones (Lt. Saru), Anthony Rapp (Lt. Stamets), Shazad Latif (Lt. Tyler), Maulik Pancholy (Dr. Nambue), Chris Obi (T’Kuvma), Shazad Latif (Kol), Mary Chieffo (L’Rell), Rekha Sharma (Commander Landry), Rainn Wilson (Harry Mudd), James Frain (Sarek)
Produzenten: Gretchen Berg & Aaron Harberts, Alex Kurtzman, Eugene Roddenberry, Trevor Roth, Kirsten Beyer
Entwickelt von: Bryan Fuller & Alex Kurtzman
Staffeln: 4+
Anzahl der Episoden: 42+


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