Immerhin lohnt sich der Abspann: Kritik zu Dark Justice - Du entscheidest!

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Jake De Long (Martin McCann) ist einer der besten Programmierer der Welt. In einem verlassenen Lagerhaus in Luxemburg arbeitet er an einer geheimen Website, die demnächst live gehen soll. Doch die Polizei sitzt ihm im Nacken und steht kurz davor, sein Versteck zu stürmen. Es gelingt ihm zu entkommen und nach Kanada zurückzufliegen, wo seine Kollegin Valérie (Astrid Roos) auf ihn wartet, um ihre eigentliche Lebensmission zu erfüllen: die Entführung von vier global einflussreichen Persönlichkeiten. Das Ziel ist es, sie dazu zu bringen, ihre Umweltsünden zu gestehen, während sie live über Jakes Website im Internet übertragen werden. Die Zuschauer sollen entscheiden – schuldig oder nicht …

Die Inhaltsangabe zu Dark Justice - Du entscheidest! hätte das Potential zu einem eigentlich spannenden Thriller. Hätte. Eigentlich. Leider tappt der Film von Regisseur Pol Cruchten in einige Fallen, die der Geschichte nach und nach die Spannung nehmen.

Dabei legt Dark Justice - Du entscheidest! einen soliden Start hin. Die Wahl der vier global einflussreichen Persönlichkeiten zur Entführung scheint die Hauptfigur Jake De Long mit Bedacht getroffen zu haben. In einem Raum finden sich Konzernchef Alain Jarnac (Philippe Duclos), die kanadische Umweltministerin Priscila Spencer-Kraft (Désirée Nosbusch), Öltycoon Jean Dubois (Yves Jacques) sowie die Asiatin Ning Tang (Mai Duong Kieu), deren Rolle aus Spoilergründen hier nicht näher erläutert wird, wieder. Via Bildschirm schaltet sich eine fiktive Figur hinzu und listet nach und nach die Verfehlungen der Entführten auf - dabei wird alles per Livestream übertragen. Das Publikum des Streams hat nur eine Aufgabe: Darüber zu entscheiden, ob die Entführten schuldig oder unschuldig sind.

Eine Website braucht ein call to action!

Allerdings nutzt die Geschichte hier so gar nicht die Möglichkeiten, die sich hier bieten. Abgesehen davon, dass die Situation mit den Entführten in dem Raum Potential für ein beklemmendes Kammerspiel geboten hätten, suggerieren Titel und Inhaltsangabe, dass das Streaming-Publikum interaktiv handeln kann; dabei scheint die anonyme Masse, die sich an dem Schauspiel weidet, gerade einmal einen Votingbutton drücken zu müssen. Nämlich “schuldig” und “unschuldig”. Bekommen die Entführten dann noch einen Schwarz-Weiß-Anstrich, weiß man sofort, in welche Richtung die Entscheidung gehen wird. Schuldig. Aber so was von.

Damit auch keine Zweifel daran bestehen, dass wenigstens der Konzernchef Jarnac böse ist und zwar so richtig und doll, zieht der Film Parallelen zu einem weltbekannten Konzern mit Sitz in der Schweiz. Und das nicht mal zufällig, denn die Parallelen geben sich keine Mühe zu verbergen, auf wen hier angespielt wird. Denn die Gruppierung um De Long klagt an, dass Jarnacs Unternehmen die Wasserrechte in Gebieten erwirbt, wo sauberes Wasser mit das höchste Gut ist - und das dort gewonnene Wasser weiterverkauft. Der Hauptsitz von Jarnacs Konzern ist in Genf. Klingt alles bekannt? Soll es auch.

Und genau an dieser Stelle wird der Film nervig. Jarnac gibt sich wie ein bockiges Kind, fast erwartet man, dass er sich trotzig auf den Boden wirft und einen formvollendeten Tobsuchtsanfall bekommt. Na ja. Eigentlich bekommt er ihn auch, schließlich darf die Figur lauthals “FAKE NEWS!!!” brüllen - und man war noch nie so froh, dass eine real existierende Person, die diesen Formulierung in den letzten vier Jahren inflationär gebraucht hat, seit dieser Woche aus ihrem Kinderzimmer ausziehen musste.

Fake News!

Nervig ist auch, dass die Entführer auf jede Finte reinfallen, die die Entführten so nutzen, damit sie ihre Entführer überwältigen können. Jede Aktion, die in Dark Justice - Du entscheidest! zu sehen ist, steht im Handbuch “Wie Sie sich aus einer Entführungssituation befreien” direkt im ersten Kapitel. Dadurch ist die Handlung auch so vorhersehbar, dass es reicht, ihr nur mit einem Auge zu folgen und ihr nicht sonderlich viel Aufmerksamkeit zu schenken.

Außerdem schießt sich das Drehbuch mitunter selbst ins Knie. Über Umweltsünden sollen nicht nur die Entführten, sondern auch die Zuschauer nachdenken. Man kann großzügig darüber wegsehen, dass Aktivist De Jong erst einmal lecker mit dem Flugzeug um den halben Globus jettet, um seinen Plan in die Tat umzusetzen, schließlich ist nicht jeder seefest und manchmal drängt dann doch der Zeitfaktor. Ebenso kann man noch darüber hinwegsehen, dass auch Hacker mit ihrem Equipment die Umwelt belasten. Aber wenn der Film berechtigterweise auf viel zu viel Plastikmüll hinweist, die Entführten ihre Sandwiches dann jedoch erst einmal genüsslich aus Frischhaltefolie auswickeln … “merkste selber, ne?!”.

Vermutlich haben auch die Darsteller gewusst, dass sie mit ihren Rollen nicht viel bewirken können. Es war zu erwarten, dass es mit dem Ensemble keine Höchstleistungen zu sehen geben wird, aber gerade die (Nicht)-Leistung von Philippe Duclos, der die nicht gerade unwichtige Rolle von Konzernchef Jarnac spielt, sorgt für Kopfschütteln. Er kann ebenso wenig überzeugen wie Désirée Nosbusch - was jedoch ebenfalls wenig überraschend ist. Völlig blass bleiben auch die klischeebesetzten Komplizen rund um De Jong: Die Quotenfrau, der Hacker mit vermutlich indischen Wurzeln sowie der große, kräftige Kerl, der fürs Grobe zuständig ist.

Im letzten Viertel verliert sich der Film dann in irgendwelchen Handlungssträngen, die vorab mal kurz erwähnt wurden, aber auch zum Ende hin nicht wirklich aufgelöst werden. In den finalen Szenen folgt die unvermeidliche Montage, die wohl nachdenklich stimmen soll. Zugegeben, es ist nach wie vor bedrückend, kompakt vor Augen geführt zu bekommen, was wir Menschen mit unserer Welt anstellen - jedoch wirkt diese Montage nach der unschlüssig-erzählten Geschichte einfach nur plump. Das Beste an Dark Justice - Du entscheidest! Ist offen gesagt der Abspann. Denn der ist mit “Beds are burning” von Midnight Oil unterlegt. Zwar auch wieder ein wenig überraschendes Klischee. Aber dennoch ist der Song nach 34 Jahren immer noch verdammt gut.

Fazit

Mit der Prämisse hätte Dark Justice - Du entscheidest! ein spannendes Kammerspiel werden können. Leider bieten jedoch sowohl das Drehbuch als auch das Ensemble so einige Aussetzer, sodass weder Spannung noch die bei der Thematik gebotenen Denkanstöße aufkommen wollen. Wer sich dennoch sein eigenes Bild von Pol Cruchtens Film machen möchte, kann das seit 14. Januar machen. Dark Justice - Du entscheidest! ist als DVD, Blu-ray und digital erhältlich.

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