Retro-Kiste zur Comicserie Spawn: Nun ist meine Seele voller Finsternis

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Spawn

In den frühen 90er-Jahren kam es in der Comiclandschaft der USA zu einem Umbruch. Im Bereich der Superhelden standen die beiden Verlage DC und Marvel quasi über Jahrzehnte ohne weitere Konkurrenz da. Nun brachten Verlage wie Valliant, Dark Horse und vor allen Image Comics Hefte mit neuen unverbrauchten Helden auf den Markt. Die meisten der neuen Autoren und Zeichner hatten zuvor für einen der beiden großen Verlage gearbeitet. So wollte auch Todd McFarlane, der für Marvel Spider-Man zeichnete, mehr kreative Freiheiten. Zusammen mit anderen jungen Comic-Schaffenden gründete er den Verlag Image Comics. Der erste große Erfolg von Image kam 1992 mit der düsteren Superheldenserie Spawn, für die McFarlane höchstpersönlich verantwortlich war.

Am Anfang kann sich der Held der Serie an fast gar nichts erinnern. Al Simmons ist nach seinem Tod auf die Erde zurückgekehrt, um seine geliebte Frau wieder zu sehen. Möglich wurde dies durch einen Pakt mit dem Teufel Malebolgia. Doch hat die Abmachung mit dem Fürsten der neunten Sphäre der Hölle einen Haken. Seit seinem Tod sind mehrere Jahre vergangen und seine Frau Wanda ist nun mit seinem besten Freund Terry Fitzgerald verheiratet. Al Simmons ist zwar als Hellspawn, einem speziellen Krieger der Hölle, mit besonderen Kräften ausgestattet, aber sein Gesicht ist so entstellt, dass seine einstige Frau ihn nicht wieder erkennt.

Malebolgia ist nicht der Einzige, von dem Spawn hereingelegt wurde. Nach und nach kehren Al Simmons Erinnerungen an seinen eigenen Tod zurück. Der ehemalige Söldner im Dienst der USA wurde von seinem eigenen Leuten im Auftrag des Geheimdienstchefs Jason Wynn getötet. Spawn versucht nun alle Hintergründe seines Todes herauszubekommen, um Rache an seinen Mördern zu nehmen.

Zudem ist er gezwungen, sich mit seinem neu gewonnen Kräften und seiner ihm zugedachten Position in der Hierarchie der Hölle auseinanderzusetzen. Doch das ist schwerer als vermutet. Immer wieder muss Spawn gegen Mafiakiller, korrupte Polizisten, verrückte Monster, Engel und den auf die Erde verbannten Dämonen Violater kämpfen. Da Spawn sich bisher seine menschlichen Gefühle bewahrt hat, tritt er auch immer wieder für Menschen in Not ein. Doch seine Hilfsaktionen für Obdachlose, Kinder oder seine Ex-Frau Wanda schaffen häufig mehr Probleme, als sie lösen.

"Die Finsternis ist nun mein Zuhause."

Spawns Hauptgegner zu Beginn der Reihe ist der Violater. Er ist einer der fünf dämonischer Phlebiac Brüder. Von Malebolgia wurde er damit beauftragt, den neuen Hellspawn zu testen. Deswegen beginnt der Violater zunächst damit, Mitglieder der New Yorker Mafia umzubringen. Nachdem er sich direkt mit Spawn angelegt hat, wird er von dem Herrscher der neunten Sphäre der Hölle in seiner menschlichen Gestalt auf die Erde verbannt. Von nun an treibt der Violater als kleiner alter Clown sein Unwesen, bis es ihm durch Tricks gelingt, seine dämonische Macht zurückzuerlangen.

Aber die Morde des Violaters bleiben nicht ohne Reaktion. Der Mafiaboss Antonio Twistelli macht Spawn für die Angriffe auf die Mafia verantwortlich und schickt den Cyborg Overkill in die Gassen, in die sich Spawn zurückgezogen hat. Um sich gegen den Cyborg aufzurüsten, nutzt Spawn sein altes Wissen als Söldner und stiehlt Waffen aus einem geheimen Militärlager. Dies ruft wiederum den Geheimdienstchef Jason Wynn auf den Plan, der wiederum von den Engeln zeitweise als Antispawn gegen Spawn ins Feld geschickt wird.

Die Reaktion und Gegenreaktionen der Feinde Spawns sind alle eng verflochten. Bei manchen seiner Gegner ist gar nicht klar, ob sie nicht doch auf der gleichen Seite wie er stehen. So liefern sich Spawn und die Engelkriegerin Angela bei ihrer ersten Begegnung einen kurzen heftigen Kampf – nur um bei ihrer zweiten Begegnung (Angela-Miniserie) gemeinsam gegen eine Verschwörung im Himmel zu kämpfen.

Auch die beiden Polizisten Sam und Twitch ermitteln zunächst gegen Spawn, nachdem dieser den Kindermörder Bill Kincaid getötet hat. Im Laufe der Geschichte versorgt er die Polizisten aber mit Informationen über Korruption innerhalb der New Yorker Polizei, sodass es zu einer Art inoffiziellen Zusammenarbeit der drei kommt.

Als vorübergehendes Team tritt Spawn unter anderem mit dem mutierten Mafiakiller Tremor (Spawn # 25) gegen seine Gegner an. Am liebsten arbeitet der ehemalige Söldner aber alleine. Als längerfristige Verbündete kann man den mysteriösen Cagliostro bezeichnen, der Spawn mit Informationen über seine Kräfte und die Absichten der Hölle versorgt. Zunächst bleibt die Motivation, warum Cagliostro dem neuen Hellspawn hilft, schleierhaft.

Die einzigen Freunde Spawns sind vielleicht die Obdachlose, mit denen sich der Held aus der Hölle eine abgelegene Gasse in New York als Wohnort teilt – und auch diese verraten ihn vereinzelt an seine Feinde. Sein ehemals bester Freund Terry hat seine geliebte Wanda geheiratet und diese hält Spawn für ein Monster, als sie ihn in seiner neuen Gestalt sieht. Einzig mit Wandas blinder Oma kann Al Simmons sich noch unterhalten. Sie hält ihn für eine Art Engel, der über Wanda wacht. Ihre Gespräche sind oft der einzige emotionale Halt für den zurückgekehrten Söldner in einer immer wahnsinnigeren Welt.

Offensichtlich wird das in dem ersten Höhepunkt der Serie. In den Heften #21 bis #24 mit dem Titel "The Hunt, part 1 – 4" führt McFarlane gekonnt alle bis dahin begonnen Handlungsstränge zusammen. Die Mafia, der Geheimdienst, der Söldner Overkill sowie die Polizisten Sam und Twitch machen Jagd auf den unbekannten maskierten Rächer, der in den heruntergekommenen Gassen New Yorks haust. Mitten drinnen geraten Terry, Wanda und die Obdachlosen ins Fadenkreuz der vielen Verfolger. Nur der dämonische Violater tobt sich gleichzeitig in seiner eigenen Miniserie aus.

"Was immer dieser Pakt war, ich wurde gelinkt."

Todd McFarlane begann seine Karriere als Zeichner der Marvel-Serien The Incredible Hulk, Daredevil, Wolverine und G.I. Joe. Außerdem arbeitet bei DC Comics an Batman mit. Große Bekanntheit erlangte McFarlane, als er Anfang der 90er-Jahre für die Zeichnungen der Comicserie The Amazing Spider-Man verantwortlich war. Er entwickelte einen ganz eigenen dynamischen Zeichenstil. Mit steigendem Erfolg fühlte er sich bei den großen Comic-Verlagen zunehmend in seiner Kreativität eingeschränkt.

Mit diesem Gefühl war McFarlane nicht alleine. 1992 gründete er mit sechs bekannten Comic-Zeichnern den unabhängigen Image-Verlag. Zu den weiteren Gründern gehörten Erik Larsen, Jim Lee, Rob Liefeld, Marc Silvestri, Jim Valentino und Whilce Portacio. Im Unterschied zu Marvel und DC behielten alle Autoren und Zeichnern die Rechte an ihren Werken. Jim Lee verließ in den späten Neunzigern mit seinem Wildstorm-Studio den Verlag wieder, dafür stieß 2010 Robert Kirkman (The Walking Dead) hinzu.

Die ersten Titel, welche Image auf dem Markt brachte, waren Savage Dragon von Larsen, Youngblood von Liefeld, WildC.A.T.s von Lee, CyberForce von Silvestri und Shadowhawk von Valentino. Das Zugpferd des Verlags war aber Spawn, dessen Zeichenstil prägend für viele weitere Comics der 90er-Jahre wie Witchblade oder Danger Girls wurde.

Der Erfolg des düsteren Superhelden machte schnell andere Kreative aus der Comicbranche auf die Serie aufmerksam. So konnte Spawn schon von Beginn an mit einer Reihe berühmter Gastautoren aufwarten. Zu Ihnen gehören Alan Moore (Spawn #8 "In Heaven", Violater-Miniserie, Spawn Bloodfeud, Spawn 37 "The Freak"), Neil Gaiman (Spawn #9 "Angela", Angela-Miniserie), Frank Miller (Spawn #11 "Home") und Grant Morrison (Spawn #16 "Reflections"). Für den verbindenden Handlungsbogen sowie den Text der meisten Hefte war McFarlane weiterhin alleine zuständig.

"Tot. Wäre ich doch nur wieder tot."

Bald hatte er Mühe, die Arbeit an den regelmäßig erscheinen Heften und einer zunehmenden Anzahl von Miniserien alleine zu bewältigen. So kamen ab Heft #16 "Reflections" Greg Capullo (Batman, the Creech) und ab der Bloodfeud-Miniserie Tony Daniels (the Tenth) als regelmäßig wiederkehrende Zeichner als Unterstützung hinzu. Spawn # 25 "Tremor" wurde zudem von Alan Silvestri (Witchblade, The Darkness) gezeichnet. Der Zeichenstil der drei fügt sich sehr gut in die gesamte Serie ein. Er war unterschiedlich genug, um gerade bei Capullo, eine eigene Ausprägung zu entwickeln, ohne dabei störend zu wirken.

Durch die Unterstützung weiterer Autoren und Zeichner gewann McFarlane die Freiheit sein Spawn-Universum weiter ausbauen. So erschienen zunächst in sich abgeschlossene Miniserien um Spawns dämonischen Widersacher Violater, um die Himmelskriegerin Angela und die Vampirgeschichte Bloodfeud. Die Ereignisse wurden immer wieder in die Handlung der Hauptserie integriert.

Dann erschien mit Curse of the Spawn die erste fortlaufende Nebenserie. In ihr erzählte Alan McElroy Geschichten über Nebenfiguren und Gegner Spawns. Die Comics waren deutlich düsterer und brutaler als die reguläre Spawn-Serie. Folgerichtig wurden Sam und Twitch, Angela oder Tony Twistelli vom Zeichner Dwayne Turner in dunkleren Farbtönen in Szene gesetzt. Es folgten weitere eigenständige Comicreihen über die Abenteuer von Sam und Twitch oder den Mutantengorilla Cy-Gor.

"Als ich tot war, hatte alles mehr Sinn."

Spawn teilt sich sein Comic-Universum mit vielen der anderen frühen Superhelden des Image-Verlags. So gibt es bereits in den ersten beiden Heften Anspielungen auf die Youngbloods und Savage Dragon. Die Youngbloods haben dann in Spawn #13 "Flashback, part 2" sowie in der Violater-Miniserie ihre Auftritte. Auf Savage Dragon persönlich trifft Spawn erst bei seinem ersten Abstieg in die Hölle in Spawn #52 "Messiah".

Mit dem ersten Erfolg der Spawn-Reihe kam es auch schnell zu einem ersten Crossover mit einem der bekanntesten DC-Helden. Bereits 1994 erschien die Miniserie Spawn vs. Batman, in welcher der dunkle Ritter die Spur illegaler Kampfroboter nach New York verfolgt. Dort trifft er in einer dunklen Gasse auf Al Simmons. Wie bei solchen Begegnungen fremder Helden typisch, messen die beiden ihre Kräfte erst mal in einen Zweikampf. Auch die Geschichte der Miniserie Spawn vs. Batman wird in die Hauptreihe integriert, wie man auch deutlich im Gesicht von Al Simmon zu Beginn von Spawn #21 erkennen kann.

Spawn tritt in seinen Abenteuern nicht nur gegen Gegner aus Himmel und Hölle an, sondern auch gegen gewalttätige Eltern (Spawn #29 "Father") und gegen Rassisten (Spawn #30 "The Clan"). Trotz all der düsteren, realistischen sowie fantastischen Gegner wirkt Spawn insgesamt wie eine knallbunte Version von James O'Barrs The Crow.

Die Geschichten werden bei all der Düsternis der Handlung stets in bunten Farben dargestellt. Zudem besitzen McFarlanes Figuren immer etwas leicht comichaftes und werden von ihm nie zu realistisch auf Papier gebannt. Auch Capullo und Daniels weichen von dieser Linie nicht ab. Die farbenfreudigen Bilder sollten aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in den Heften zum Teil sehr brutale Kämpfe dargestellt werden, bei denen viel Blut fließt und schon einmal Körperteile durch die Gegend fliegen.

Der Panelaufbau war für die damalige Zeit recht innovativ. McFarlane passte den Aufbau der Handlung an. Detaillierte Großaufnahmen wechselten mit großformatigen Bildern über zwei Seiten. Gerade die Action- und Kampfszenen besitzen dadurch eine besondere Dynamik. Schaut man sich die Zeichnungen mit Wanda oder Angela an, kommt man allerdings nicht umhin, ein sexistisches Frauenbild in der Serie zu beklagen. Dies lässt sich auch nicht damit entkräften, dass auch die männlichen Helden (bis auf Sam und Twitch) überzogen dargestellt sind. Immerhin ist Angela eine Heldin, die sich durchaus alleine zu Wehr setzen kann und keinen männlichen Beschützer an ihrer Seite braucht.

In den ersten Heften zeigt sich eine deutliche Schwäche der Spawn-Comics, welche auch nicht von den genialen Zeichnungen verdeckt werden kann. McFarlane kann wesentlich besser zeichnen als texten. Spawns Monologe nach seiner Auferstehung sind langatmig und schwülstig. Wegen all der Selbstgespräche von Al Simmons braucht die Geschichte in den ersten beiden Heften sehr viel Zeit, um richtig in Gang zu kommen. Im Laufe der Serie wird dies besser, gerade weil McFarlane sich darauf, versteht komplexe Handlungsbögen zu kreieren, welche die Geschichte über mehrere Hefte tragen.

"Wir alle wissen ja, wie genau die Leute vom Film mit der Wahrheit umgehen."

Eigentlich hätte es allen Beteiligten klar sein müssen, dass man die Geschichte von dem aus der Hölle zurückgekehrten Söldner nur schwer in einem einzigen Kinofilm erzählen kann. 1997 wagte sich Mark A. Z. Dippé (Frankenfish) dennoch an eine Realverfilmung. Der Regisseur war bis dahin lediglich für die Visual Effects bei Filme wie Die Wiege der Sonne und Flintstones: Die Familie Feuerstein zuständig. Dies merkt man der Spawn-Verfilmung an – oder auch gerade nicht: Denn ausgerechnet die Spezialeffekte in dem Film sind nicht sonderlich überzeugend.

Deutlich besser und näher an der Vorlage waren die drei Staffeln der Spawn-Zeichentrickserie von HBO. Zurzeit arbeitet Todd McFarlane und das Filmstudio Blumhouse Productions an einer Neuverfilmung der Comics. Allerdings zieht sich der Entwicklungsprozess mittlerweile über mehrere Jahre hin. Immerhin sollen mit Jamie Foxx und Jeremy Renner zwei bekannte Schauspieler in dem Film mitspielen. McFarlane hat nicht nur das Drehbuch geschrieben, sondern will auch die Regie übernehmen.

Neben den eigentlichen Comics und den unterschiedlichen Film- und Fernsehadaptionen hat die Marke Spawn noch ein drittes Standbein. Schon früh weitete McFarlane die Vermarktung seiner Schöpfung aus und produzierte Spielzeug- und Sammelfiguren aus dem Spawn-Universum. 1994 gründete er die Firma McFarlane Toys, welche neben Comicfiguren auch Spielzeugmodelle bekannter Musiker wie Kiss, Alice Cooper oder Metalica herausbrachte.

"Ein Held ohne Geld. Wo soll das alles noch hinführen?"

Momentan arbeitet McFarlane nur als Autor an den Spawn-Comics mit und überlässt die Zeichnungen der Hauptserie Carlo Barberi (Green Lanterns, Super Sons). Auch die Zeichner Greg Capullo und Tony Daniel sind nicht mehr mit an Bord, sondern widmen sich ihren eigenen Comic-Projekten. Lediglich für die Nebenserie Spawn Universe hat McFarlane aktuell wieder selbst zum Zeichenstift gegriffen.

Spawn gehört zu den meistverkauften Comics der USA und ist mit über 300 Heften eine der am längsten laufen unabhängigen Serien der Welt. Aktuell ist in Amerika Spawn #318 erschienen und die nächsten drei Titel sind bereits angekündigt.

Spawn selbst hat in dieser Zeit viel durchgemacht. Alte Verbündete wurden zu Feinden, dämonische Widersacher starben und der Thron der Hölle lag zum Greifen nah – doch angefangen hat alles 1992 ganz bescheiden mit einem wiederauferstandenen Söldner, der eigentlich nur noch einmal seine geliebte Frau wiedersehen wollte. Wer wissen will, wie alles begann, kann auf der Homepage von Image-Comics kostenlos das erste Heft online lesen.

Spawn - Trailer (1997)

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