Willkommen im Metaverse! – Kritik zu Matrix Resurrections

Das Phänomen Matrix lässt sich schwer beschreiben: Im Jahr 1999 überraschte und eroberte ein Action-Science-Fiction-Film die Welt, der wie kein anderer Blockbuster zuvor durch das Cyberpunk-Genre und japanische Mangas beziehungsweise Animes wie Ghost in the Shell und Philosophie-Grundkurse geprägt war. Hinzu kamen spektakuläre Kung-Fu- beziehungsweise Wire-Fu Szenen, die man bis dato vielleicht aus chinesischen Wuxia-Filmen kannte. Das und der mittlerweile ikonische und vielfach zitierte Bullet-Time veränderten das US-Actionkino … zumindest für eine gewisse Zeit. Und das alles, obwohl eigentlich zu dieser Zeit das erste Star-Wars-Prequel für Furore und Effekt-Oscars sorgen sollte.

Die Welt befand sich im Matrix-Fieber und mit den Fortsetzungen, die direkt nacheinander abgedreht wurden und beide 2003 in die Kinos kamen, konnten bei dieser Steilvorlage nur enttäuschen. Beide wiesen weiterhin mal mehr und mal weniger fulminante Actionszenen auf und auf erzählerischer Ebene ließen sich noch hohe Ambitionen erkennen. Ob die Wachowskis gezielt mit den Erwartungen des Publikums spielten oder ihnen die Magie des Vorgängers einfach entglitt, lässt sich im Nachhinein nur schwer einschätzen – beides oder eine Mischung vom beiden erscheint möglich. Das Franchise hatte sich jedenfalls sowohl für das Publikum und die Fans als auch für das Geschwister-Paar erst einmal erledigt.

Sowohl auf der persönlichen als auch auf der Karriere-Ebene änderte sich viel im Leben der beiden Schwestern. Sie produzierten die Graphic-Novel-Adaption V wie Vendetta und inszenierten die Filme Speed Racer, Cloud Atlas, Jupiter Ascending und die Netflix-Serie Sense 8 – alles wilde Mischungen aus Science-Fiction, realen Zeichentrickfilmen und Action, die sich thematisch häufig mit der Auflehnung oftmals nach persönlicher individueller Freiheit strebender Individuen gegen ein gleichmachendes System beschäftigten, ihren Matrix-Filmen also nicht unähnlich. Bei jeder dieser Produktionen schienen die jeweiligen Drehbücher und Erzählungen nicht ganz mit den vielen Ideen, den Ambitionen und der emotionalen Ehrlichkeit der dahinterstehenden Autoren mithalten zu können.

Mit dem ersten Matrix-Film vergleichbare kritische und kommerzielle Erfolge blieben aus und es folgte ein freundschaftlicher Bruch zwischen den Schwestern: Während Lily Wachowski einen Schritt zurücktrat und sich mit der Serie Work in Progress einer kleinen persönlichen Comedy-Serie widmete, kehrte Lana Wachowski in die Matrix zurück. Dabei unterstützte sie Bestseller-Autor David Mitchell, der unter anderem die Romanvorlage zu Cloud Atlas schrieb, sowie Aleksandar Hemon, mit dem sie bereits an der Serie Sense8 zusammenarbeitete. Man kann sicherlich die schlimmsten kommerziellen Eigeninteressen hinter Lana Wachowskis Entscheidung vermuten, das Franchise erneut aufzusuchen. Vielleicht hatte sie auch ein wirkliches Interesse, die Geschichte in irgendeiner Form fortzusetzen. In der heutigen Reboot- und Fortsetzungskultur, bei der das Geld anscheinend nur noch für Blockbuster mit prominenten Titeln locker zu sitzen scheint, ist definitiv beides möglich. Das produzierende Studio Warner Bros. war jedenfalls offen für eine Rückkehr der allumfassenden Computersimulation und flirtete bereits zuvor mit einer Reboot-Idee unter einer anderen Schirmherrschaft, die allerdings nie zustande kam.

Die Matrix-Fortsetzung spielt mit Fan-Gefühlen

Vorab nur so viel: Matrix Resurrection ist sich allen diesen kommerziellen Fallstricken und Mechanismen der Hollywood-Reboot- und -Franchise-Maschinerie bewusst. Die Fortsetzung macht sich in einer sehr direkten Meta-Art-und-Weise sogar über die Tatsache lustig, dass Studios nur noch darauf erpicht zu sein scheinen, Nostalgie für ein allzu empfängliches Publikum zu kommerzialisieren und zu vermarkten, nur damit ein schales Echo eines einstigen Erfolges daraus entsteht. Der Film spielt entsprechend mit Fan- und Zuschauer-Erwartungen, unterstreicht altbekannte Matrix-Elemente und unterwandert sie wieder an anderer Stelle. Wer nicht auf diese Weise mit seinen Fan-Gefühlen spielen lassen möchte, ist hier eventuell nicht richtig (und das ist durchaus nachvollziehbar). Hinzu kommt, dass Matrix Ressurrection nicht davor zurückscheut, etwas albern-überzogen wirkende Science-Fiction-Tropen einzustreuen, welche die Wachsowskis im Laufe der Jahre aufgegriffen haben, sodass die Maschinenwelt etwas abwechslungsreicher und weniger kühl wirkt.

Das soll nur alles schon einmal als erste Einschätzung dienen für Zuschauer, die sich lieber jede Überraschung bewahren möchten. Es ist nämlich schwierig, inhaltlich näher über Matrix Resurrections zu berichten, ohne zumindest ein wenig von der Geschichte zu verraten. Spoiler-Phobiker seien also vorgewarnt und sollten sich vielleicht den Rest der Rezension sparen oder nach dem Filmgenuss noch einmal zurückkehren.

Fluch des eigenen Erfolgs

Thomas Anderson (Keanu Reeves) ist ein weltbekannter Videospieldesigner, der eine äußerst erfolgreiche Spieletrilogie namens The Matrix erschuf, die wohl der Realität der ersten drei Filme sehr nahekommt, wenn nicht sogar vollständig abbildet. Trotz seines Ruhms pflegt er ein sehr einsames Leben und hat anscheinend schon einen sehr öffentlichen Selbstmordversuch erfolglos hinter sich gebracht. Darüber hinaus schmachtet er aus der Ferne eine Dame namens Tiffany (Carrie Anne Moss) an, die regelmäßig das gleiche Restaurant wie er besucht, aber augenscheinlich ein glückliches Familienleben führt.

Eines Tages erklärt ihm sein Geschäftspartner Smith, dass Warner Bros., die Muttergesellschaft von Thomas Videospiel-Produktionsunternehmen, nach einer Fortsetzung seines einst so erfolgreichen Matrix-Spiels verlangt. Ein Auftrag, die Thomas noch tiefer in eine existentielle Krise stürzt, denn eigentlich möchte er nicht mehr in diese Welt zurückkehren. Generell scheint der Konzern, für den oder mit dem er jetzt arbeitet, schon ein Team aus Nerd-Millenials auf die Aufgabe angesetzt zu haben, die lediglich die größten Hits, Easter-Eggs und jede andere Form von Anspielung auf den ersten Film wiederkäuen möchten, um möglichst viele Oberflächenreize bei den Fans auszulösen. Als Folge kehren Thomas alte Halluzinationen von Simulationen und Scheinwelten zurück und es fällt ihm immer schwerer, zwischen Realität und Illusion zu unterscheiden. Und es dauert nicht lange, bis ein alter Bekannter wieder in sein Leben tritt, um ihn vor eine schwerwiegende Entscheidung zu stellen.

Hollywood-Seitenhiebe mit dem Vorschlaghammer

Schon die ersten Matrix-Filme und im Grunde alle anderen Arbeiten der Wachowski-Schwestern zeichneten sich nicht unbedingt durch Subtilität aus, was offensichtlich auch auf Matrix Resurrections zutrifft. Neben den bereits genannten Beispielen heißt die Katze von Thomas Therapeuten (Neil Patrick Harris) Deja Vu, und das Café, in dem er regelmäßig einkehrt, trägt den Namen Simulatte. Die Hollywood-Seitenhiebe wirken in der ersten Stunde noch äußerst amüsant, verpuffen im Laufe des Films, wenn Resurrections versucht, gewagtere Thesen über das Verlangen der Menschen nach den immer gleichen Geschichten aufzustellen.

Letztendlich möchte jeder Zuschauer, ob Fan oder nicht, neben all den Meta-Anspielungen und ironischen Rückbezügen, zu einer wahren Geschichte vordringen. Diese findet der Film vor allem Dingen in der Beziehung zwischen Thomas Anderson/Neo und Tiffany/Trinity wieder. Beide fühlen sich in ihrem jeweiligen Hamsterrad eingesperrt und suchen nach einem Ausweg. Insbesondere zwischen den beiden Darstellern lässt sich sowas wie eine innige Verbundenheit spüren, die schon während der ersten drei Filme entstand, schließlich haben sie mehrere Jahre an diesen Produktionen gearbeitet, gemeinsam trainiert und wohl jede Menge Zigarettenpausen miteinander verbracht. Das schweißt zusammen und diese Chemie ist auch heute noch erkennbar.

Talentierte Newcomer und fehlende Ikonen

Die Nebenfiguren können zwar nicht mit einer so reichhaltigen Historie aufwarten, die Darstellerinnen und Darsteller füllen sie aber mit Leben, auch wenn das Drehbuch nicht viel Platz dafür bietet. Jessica Henwick konnte schon in der missglückten Iron-Fist-Serie zumindest ihre eigene Schlagfertigkeit und Martial-Arts-Fähigkeiten unter Beweis stellen und überträgt diese Action-Energie mühelos ins Matrix-Universum. Yahya Abdul-Matten besitzt durchaus ein einnehmendes und vielversprechendes Charisma. Und Jonathan Groff bewies spätestens in der David-Fincher-Serie Mindhunter, dass er mit einem besonderen schauspielerischen Facettenreichtum punkten kann und bringt einen augenzwinkernden Charme ins Geschehen. Über allen, und dafür können die hier mitwirkenden talentierten Darsteller nichts, legt sich allerdings der Schatten der absolut magnetischen und ikonischen Darstellungen von Überleistern wie Laurence Fishburne und Hugo Weaving, die hier leider durch Abwesenheit glänzen.

Es gibt einige unterhaltsam inszenierte Actionszenen, die allerdings nie die höchsten Höhen der alten Trilogie erreichen, wie zum Beispiel. der Dojo-Kampf zwischen Morpheus und Neo im ersten Matrix-Film oder die Highway-Verfolgungsjagd in Matrix Reloaded. Die Martial-Arts-Kämpfe sind wesentlich schneller geschnitten, unübersichtlicher und lassen die saubere Klarheit und fast artistisch-tänzerische Choreographie der Vorgänger vermissen. Das mag auch daran liegen, dass Keanu Reeves mittlerweile stolze 57 Jahre und Carrie Anne Moss mittlerweile 54 Jahre alt ist. Beide wirken immer noch überaus fit und zumindest Reeves durchläuft noch regelmäßig das harte John-Wick-Training. Trotzdem dürfte es für beide nicht so einfach wie vor knapp 20 Jahren sein, an Drähten hängend und kämpfend durch die Luft zu schweben oder an Hauswänden entlang zu laufen.

Fazit

Es hilft, Matrix Resurrections mit einer gewissen gezügelten Erwartungshaltung zu erleben. Einige der vielen Ideen und Themen funktionieren recht gut und fügen sich geschmeidig in das Gesamtgeschehen ein, andere Aspekte wirken deplatziert oder nicht vollständig zu Ende gedacht. Letztendlich handelt es sich um ein stellenweises sehr überzeichnetes idiosynkratrisches Genre-Potpourri, das sich manchmal mehr und manchmal weniger erfolgreich gegen das allzu glattgebügeltes Blockbusterkino wendet. Ein Film, der sicherlich für vielseitige Reaktionen bei Publikum und Fans sorgen wird.

Matrix Resurrections Poster
Originaltitel:
Matrix Resurrections
Kinostart:
23.12.21
Regie:
Lana Wachowski
Drehbuch:
Lana Wachowski, David Mitchell, Aleksandar Hemon
Darsteller:
Keanu Reeves, Carrie-Anne Moss, Yahya Abdul-Mateen II, Jada Pinkett Smith, Neil Patrick Harris, Jessica Henwick, Jonathan Groff, Toby Onwumere, Max Riemelt
Fast 20 Jahre nach der Matrix-Trilogie kehren Neo und Trinity zurück.

Regeln für Kommentare:

1. Seid nett zueinander.
2. Bleibt beim Thema.
3. Herabwürdigende, verletzende oder respektlose Kommentare werden gelöscht.

SPOILER immer mit Spoilertag: <spoiler>Vader ist Lukes Vater</spoiler>

Beiträge von Spammern und Stänkerern werden gelöscht.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren.
Ein Konto zu erstellen ist einfach und unkompliziert. Hier geht's zur Anmeldung.