Was ist wahr? Kritik zur ersten neuen Folge Akte X

SPOILER

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Scully und Mulder in Akte X 10.01 "My Struggle"

Hier die spoilerfreie Kurzkritik: Zu viel Exposition, zu wenig Innovation, aber die Chemie zwischen Mulder und Scully und die Hoffnung auf Besserung in den nächsten Folgen bewahrt Teil 1 "My Struggle" vor einer Roswell-artigen Bauchlandung.

Ab jetzt wird gespoilert. Ihr lest auf eigene Gefahr weiter.

Viel Zeit ist vergangen, seit wir einen Blick auf die X-Akten werfen durften oder mussten, je nachdem, wie man zu den letzten Staffeln der Serie und den beiden Kinofilmen steht. Vor allem im zweiten Film wurde klar, dass sich Akte X und der Zeitgeist komplett voneinander entfernt hatten. Die Neunziger waren der Nährboden von Akte X und sie endeten am 11. September 2001 mit einem Knall, der bis heute durch die Welt hallt. Verschwörungstheorien über heimliche Überwachung und unheimliche Besucher sind von unverhohlener Massenüberwachung und übermächtigen Konzernen abgelöst worden. Verschwörungen sind keine Verschwörungen, wenn alle davon wissen.

Kein Wunder also, dass Fox Mulder, als wir ihn im Jahr 2016 wiedertreffen, unter Depressionen leidet. Die X-Akten gibt es nicht mehr, er und Scully haben ihre Beziehung vor einiger Zeit beendet. Sie arbeitet als Ärztin in einem Krankenhaus, er hängt im Netz herum und sieht zu, wie die Verschwörungen, deren Aufdeckung er sein Leben gewidmet hat, auf Talkshow-Witze reduziert werden. Doch dann taucht ein Internet-Verschwörungsprediger namens Ted O'Malley auf, der Mulder und Scully um Hilfe bittet. Die sind anfangs skeptisch, nicht nur, weil O'Malley mit seinen Rechtsaußenkommentaren den "Nachrichtensender" Fox News wie das kommunistische Manifest aussehen lässt, sondern auch, weil er eher auf der Suche nach der Kohle als nach der Wahrheit zu sein scheint. Aber O'Malley erweist sich als echter UFO-Kenner und das, was er Mulder und Scully zu zeigen hat, wird sie - und in kommenden Folgen vielleicht auch die Welt - erschüttern.

Akte-X-Schöpfer Chris Carter steht bei dieser Miniserie vor keiner leichten Aufgabe. Ähnlich wie J. J. Abrams bei Star Trek und Star Wars muss er alte Fans zufriedenstellen und neue gewinnen - und er muss beweisen, dass die Themen der Serie auch heute noch relevant sind. In der Realität würde man den Weg, für den er sich dabei entschieden hat, als revisionistische Geschichtsschreibung bezeichnen. Was damals passiert ist, passt uns nicht mehr? Schreiben wir es einfach um. Problem gelöst.

So rücken die Aliens in den Hintergrund und die menschlichen Verschwörer ins Rampenlicht. Nicht die Außerirdischen stecken hinter all den Entführungen und UFO-Sichtungen, erfahren wir, sondern Menschen, die sich außerirdische Technologie zunutze machen. Ihr Ziel: die Versklavung der Menschheit durch Massenüberwachung, absichtlich herbeigeführten Klimawandel, Konsumzwang, Faschismus und Fettleibigkeit. Damit trifft Carter den gegenwärtigen Zeitgeist des "doom porn", des Durchspielens unzähliger Selbstvernichtungsszenarien. Gleichzeitig sorgt er aber dafür, dass Mulders bisherige Suche völlig irrelevant wird. An einem Punkt sagt Mulder dann auch: "I've been cleverly manipulated". Das "cleverly" hilft da auch nicht mehr - nach einer solchen Aussage steht er da wie ein Vollidiot.

Hinzu kommt, dass dieser Schachzug Carter zwingt, seinen Zuschauern noch mal zu erklären, worum es in Akte X eigentlich ging. Nur so kann die Pointe, die sich kurz als "lol, doch nicht" zusammenfassen lässt, funktionieren. Fast ein Viertel der Folge verschwendet er an diese Art der Exposition. Die Handlung hält an, damit irgendwer (meistens Mulder, das arme Schwein) einen von Carters berüchtigten Monologen ablassen kann. Dass er "My Struggle" damit nicht kaputt schreibt, ist nur den Schauspielern zu verdanken, die mit bemerkenswerter Gelassenheit durch diese Wortsümpfe waten.

Und das bringt uns zu Gillian Anderson und David Duchovny. Vor knapp acht Jahren haben sie Scully und Mulder das letzte Mal gespielt, aber die Chemie zwischen ihnen ist ungebrochen. Sie tragen die Zuschauer vor allem durch die langatmige erste Hälfte und rechtfertigen Carters Entscheidung,  den Originalvorspann unverändert wiederzuverwenden. Sie sind immer noch Mulder und Scully, nur ein bisschen älter, ein bisschen trauriger und ein bisschen ernster - wie die Welt, in der sie nun gelandet sind.

Sie sind der menschliche Faktor, der die erste Folge davor bewahrt, unter der Last ihrer eigenen Exposition zusammenzubrechen. In den letzten Minuten zieht das Tempo zum Glück deutlich an, sodass man auf eine straffere Handlung und mehr Spannung (okay, irgendeine Spannung) in den nächsten Folgen hoffen darf.

We want to believe.

Akte X: Der Film
Originaltitel:
X-Files: The Movie
Kinostart:
19.06.98
Laufzeit:
121 min
Regie:
Rob Bowman
Drehbuch:
Chris Carter, Frank Spotnitz
Darsteller:
David Duchovny, Gillian Anderson, Mitch Pileggi, William B. Davies, Martin Landau
Schwarze Blut, das aus der töten Kreatur austritt, sammelt sich und kriecht am Körper des Wilden hinauf.

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