Kritik zu Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen – Der Fluch der Zeltstange

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Fantastic Beasts: Grindelwalds Crimes Set Still

Nachdem der Magier Gellert Grindelwald (Johnny Depp) in New York gefangen genommen wurde, gelingt es ihm auszubrechen und nach Paris zu fliehen. Auf Bitten seines alten Lehrers Albus Dumbledore (Jude Law) begibt sich Newt Scamander (Eddie Redmayne) ebenfalls in die französische Hauptstadt, nicht zuletzt, weil dort auch Tina Goldstein (Katherine Waterston) Grindelwald verfolgt. Sowohl Scamander und Goldstein als auch Grindelwald sind beide auf der Suche nach Credence (Ezra Miller), der einen Obscurus in sich trägt und daher zur Gefahr für Magier und Muggel werden kann.

Bei Filmuniversen geht es darum, dem Publikum eine reichhaltige Welt zu präsentieren und über einen langen Zeitraum eine Geschichte zu entwickeln. Da jeder Film idealerweise auch gleich genug Anknüpfungspunkte für den nächsten bieten muss, sind die Filme zwischen dem Anfang und Ende der Handlung immer ein erzählerischer Spagat: Einerseits muss man die Handlung des Films auflösen, darf allerdings keine Konflikte schließen, die in den weiteren Teilen noch behandelt werden können. Das kann man sich wie eine Zeltkonstruktion vorstellen: Dieser Film hält die Zeltstange zwischen zwei weiteren Werken hoch, damit diese die Handlung anfangen oder abschließen können.

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Fantastic Beasts: Grindelwalds Crimes Set Still

Was also passiert in diesen Zeltstangen-Filmen? In erster Linie werden Konflikte aufgemacht, die für Drama sorgen, und idealerweise gibt es Entwicklungen, die dann schließlich im abschließenden Teil aufgelöst werden. Ein gutes Beispiel ist Das Imperium schlägt zurück: Wir erfahren mehr über das Universum von Star Wars, die Charaktere machen eine (milde) Entwicklung durch, es gibt eine große Enthüllung, die Stimmung ist insgesamt etwas düsterer als das optimistische Ende von Eine neue Hoffnung. Und das alles, bevor es den Hype um formelhafte Filmuniversen gab!

Die Stärken des Vorgängers

Grindelwalds Verbrechen versucht ebenfalls, die Handlung voran zu treiben. Während Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind einem die Protagonisten näher brachte, die bisher unbekannte Welt der nordamerikanischen Zauberei zeigte und insgesamt eine nachvollziehbare Geschichte erzählte, kann der Nachfolger da in keinem Aspekt mithalten. Daher schreit einem Teil zwei von fünf geplanten förmlich entgegen, dass die Handlung bitte nebensächlich ist und es nur darum geht, den Sprint zum dritten Teil hinzulegen. Entwicklung gibt es eher wenig und wenn, dann werden kaum Wörter darüber verloren.

So verschlägt es die Zauberer nach Paris, aber die Stadt wird überhaupt nicht als Schauplatz genutzt, anders als New York im ersten Teil. Wo es im Film um eine französische Prägung der Zauberei hätte gehen können, beschränkt sich Grindelwalds Verbrechen auf ein paar Zeilen französisch. Paris ist wie New York, nur mit (noch) mehr Art Déco und Klassizismus. Lediglich die Szenen im magischen Zirkus geben einen kurzen Blick in die Möglichkeiten des Settings. Aber auch hier wird alles nur kurz angerissen. Man erfährt fast nichts über die Kreaturen, den Zirkus oder seine Bewohner.

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Fantastic Beasts: Grindelwalds Crimes Set Still

Außer Eddie Redmaynes wunderbar gespielter Newt Scamander bleiben alle Figuren eher blass. Ein Beispiel: Zwar wird zu Beginn klar, dass Newt und Leta Lestrange (Zoë Kravitz) Gefühle füreinander haben, aber es ist nur ansatzweise nachvollziehbar,  warum. Die wenigen Momente, die die beiden jungen Versionen von Newt und Leta zeigen, lassen auf eine grundlegende Seelenverwandschaft schließen, aber es fehlen gewichtige Momente. Vor allem, da Leta schließlich mit Newts Bruder verlobt ist, wirkt diese Konstellation wenig zu Ende gedacht.

Sie soll zwar zu Spannungen zwischen den Brüdern führen, aber davon ist erstens wenig zu spüren und zweitens wird nicht erzählt, warum Theseus Scamander (Callum Turner) Letas Herz erobert hat und wie Newt sich damit fühlt. Natürlich hat Newt auch immer noch Augen auf Tina Goldstein geworfen, die wiederum gerüchteweise mit einem amerikanischen Auror angebandelt hat – ein Konflikt, der zwar aufgeworfen wird, aber danach nie wieder zur Sprache kommt. Hier sollen ganz klar Grundlagen für den Nachfolgefilm gelegt werden. Das ist zwar schön und gut, aber die Folge ist, dass viele dieser Handlungspunkte in Grindelwalds Verbrechen einfach in der Luft schweben.

Ein kurzer Blick in die nostalgische Vergangenheit der Zukunft

Einzelne Höhepunkte sind die Auftritte von Jude Law als überaus charismatischer Albus Dumbledore. Doch diese Momente sind leider recht spärlich gesetzt, eine große Rolle spielt Dumbledore (noch) nicht. Für Harry-Potter-Fans gibt es ein ebenfalls kurzes Wiedersehen mit Hogwarts und einer jüngeren Version von Miss McGonagall (die übrigens laut Timeline gar nicht auftauchen dürfte, da sie zum Zeitpunkt der Handlung noch nicht geboren ist), mehr als kleine Zuckerstücke sind das aber nicht.

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Fantastic Beasts: Grindelwalds Crimes Set Still

Johnny Depp gefällt sich sichtlich in der Rolle des gefährlich weißhaarigen Grindelwald, aber auch sein Charakter bleibt oberflächlich böse, ohne dem Publikum eine glaubhafte Motivation zu geben. Die Beziehung zwischen ihm und Dumbledore ist Harry-Potter-Veteranen bekannt, aber auch hier fehlt das wie und warum. Der Film deutet lediglich an, warum ein herzensguter Mensch wie Dumbledore sich mit einem Bösewicht wie Grindelwald, so jung die beiden damals auch gewesen sein mögen, einlassen konnte. Eine handfeste Erklärung wird - natürlich - auf später verschoben.

Wir wollen mehr - Tierwesen!

Selbst die zahlreichen magischen Tierwesen, deren Eigenheiten den ersten Teil noch so sympathisch machten, spielen kaum eine Rolle, lediglich die auf glänzende Gegenstände fixierten Nifter haben einen Auftritt als Plot-Gegenstand. Auf dieser Front kann Grindelwalds Verbrechen also ebenfalls nicht den Zauber des Vorgängers einfangen.

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Fantastic Beasts: Grindelwalds Crimes Set Still

Durch seine teils chaotisch wirkende Handlung mit zu vielen Nebenfiguren hetzt Grindwalds Verbrechen förmlich durch und scheut sich nicht, Charaktere wie Newts Kumpel Jacob mehr oder weniger gezwungen in die Handlung hineinzuprügeln. Durch seine Atemlosigkeit wird es immerhin nicht langweilig in den etwas mehr als zwei Stunden Laufzeit, und er arbeitet auf einen Twist kurz vor dem Abspann hin. Leider hinterlässt auch dieses Manöver den Eindruck, dass Grindelwalds Verbrechen nur dazu diente, die Grundlagen für den dritten Teil zu legen. So leidet dieser Film unter seinem selbst auferlegten Fluch der Zeltstange.

Fazit:

Der zwar im Prinzip unterhaltsame Nachfolger von Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind kann in keiner Weise die Klasse seines Vorgängers erreichen. Fans der Zaubererwelt von Harry Potter freuen sich über viel zu kurze Wiedersehen mit jungen Versionen ihrer Lieblingscharaktere, der Rest fragt sich, was in diesem Film eigentlich passiert.

(Hinweis: in einer früheren Version des Artikels wurde der Begriff "Tentpole-Film" benutzt. Der wird aber in einem ökonomischen Zusammenhang benutzt, nicht einem erzählerischen. Der Artikel wurde entsprechend leicht angepasst. Weitere Infos hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Tentpole)

zusätzlicher Bildnachweis:
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Fantastic Beasts: The Crimes of Grindelwald - Final Trailer

PHANTASTISCHE TIERWESEN: GRINDELWALDS VERBRECHEN - Final Trailer Deutsch HD German (2018)

Phantastische Tierwesen - Grindelwalds Verbrechen
Originaltitel:
Fantastic Beasts: The Crimes of Grindelwald
Kinostart:
15.11.18
Regie:
David Yates
Drehbuch:
J.K. Rowling
Darsteller:
Eddie Redmayne, Johnny Depp, Katherine Waterston, Alison Sudol, Dan Fogler, Ezra Miller, Zoë Kravitz, Jude Law, Callum Turner, Claudia Kim, William Nadylam, Ingvar Sigurdsson, Ólafur Darri Ólafsson, Kevin Guthrie, David Sakurai
In der Fortsetzung müssen sich die Helden des ersten Teils erneut dem dunklen Magier Grindelwald stellen.

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