Jules Verne – Die neuen Abenteuer des Phileas Fogg: Kritik zur 1. Hörspielstaffel

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Jules Verne Abenteuer Phileas Fogg Hörspiel

Es beginnt mit dem Ende einer Reise einmal rund um die Welt in 80 Tagen. Phileas Fogg hat seine Wette gewonnen und sitzt entspannt in seinem Club, als er von einer jungen Frau um Hilfe gebeten wird. Es ist die Nichte des berühmten Meeresforschers Pierre Aronnax. Der Professor ist während einer Seereise mitten auf dem Atlantik spurlos aus seiner Schiffskabine verschwunden.

Zusammen mit seiner Frau Aouda und seinem treuen Diener Passepartout macht sich Fogg auf nach New York, um dort mit seiner Suche nach dem Professor zu beginnen. Doch als seine Frau bei einem mysteriösen Angriff auf ihr Schiff über Bord fällt, springen Fogg und sein Diener hinter ihr her in die Fluten. Gerettet werden die drei von Kapitän Nemo und seinem einzigartigen Unterseeboot, der Nautilus.

An Bord treffen sie auch den verschwundenen Professor, der sich im Gegensatz zu den drei Weltreisenden aus freien Stücken dort aufhält. Nachdem Fogg Nemo aus den Tentakeln eines riesigen Kraken gerettet hat, verdient er sich die Freundschaft des Kapitäns. Beide müssen schließlich erkennen, dass der Menschheit eine viel größere Gefahr durch den wahnsinnigen Erfinder Robur und seinen unheimlichen Handlangern droht.

"Für Sie und mich mag es das Zeitalter der Maschinen und Telegrafen sein, aber der gemeine Matrose ist noch genauso abergläubisch wie im finstersten Mittelalter."

Der französische Autor Jules Verne wurde vor allem durch seine fantastischen Abenteuerromane Reise um die Erde in 80 Tagen, 20.000 Meilen unter dem Meer, Der Kurier des Zaren oder Die Reise zum Mittelpunkt der Erde bekannt. Es gab zwischen den einzelnen Romanen so gut wie keine Querverbindungen. Nemo taucht zwar noch einmal kurz in den Roman Die geheimnisvolle Insel auf und James T. Maston vom Kanonenclub Baltimore hat sowohl in Vernes beiden Mondromanen als auch in Der Schuß am Kilimandscharo seinen Auftritt. Vernes Gesamtwerk ist aber weit davon entfernt, ein zusammenhängendes Universum zu bilden.

Die Hörspielserie Jules Verne – Die neuen Abenteuer des Phileas Fogg geht nun ganz anders an das Werk des französischen Schriftstellers heran. Die beiden Autoren der Reihe schaffen Verbindungen zwischen einzelnen Werken, die es vorher so nicht gab. Die erste Folge "Entführung auf hoher See" lehnt sich stark an 20.000 Meilen unter dem Meer an. Nur nimmt Phileas Fogg die Rolle von Ned Land und Professor Aronnax ein. Erst das Ende des zweiten Teils "Der Schatz von Atlantis" löst sich zum Ende hin vom Vorbild und führt sogar eine bekannte Figur aus dem Werk von Robert Louis Stevenson ein.

"Krieg in den Wolken" basiert mehr oder weniger lose auf der Erzählung Robur der Sieger, der sich hier als Oberbösewicht der ersten Staffel offenbart, aber noch ein paar unerwartete Helfer an seiner Seite hat. Das Staffelende in "Der Elephant aus Stahl" hat mit der Romanvorlage eigentlich nur noch die Figuren des Ingenieurs Banks und Oberst Munro sowie den titelgebenden Stahlelefanten gemeinsam.

"Geschafft, die Dampfmaschine steht still."

Die folgenden Abenteuer von Phileas Fogg in den nächsten Staffeln wurden unter anderen nach Motiven der Romane Der Kurier des Zaren, Die Kinder des Kapitän Grant, Das Karpatenschloss, Die Propellerinsel oder Der Goldvulkan verfasst. Wie selbstverständlichen fügen die Hörspielautoren auch fremde literarische Figuren, wie Dr. Henry Jekyll, Victor Frankenstein, Mycroft Holmes und Graf Dracula, in die Handlung mit ein.

Die Hörspielserie ist in Zusammenarbeit vom Maritim-Verlag mit WinterZeit Audiobooks entstanden. Die Idee zu der Jules-Verne-Reihe hatte Sebastian Pobot, der auch Phileas Fogg zum Helden der Reihe auserwählte. Die ersten vier Hörspiele wurden von Markus Topf geschrieben. Ab der zweiten Staffel, beginnend mit Folgen 5 "Das Geheimnis der Eissphinx", kommt Marc Freund als zweiter Autor hinzu.

"Nicht schießen, ich bin Engländer."

Als Erzähler der Reihe konnten die Macher Christian Brückner (Synchronstimme von Robert De Niro) gewinnen, der gerade zu Beginn und zum Ende jeder Folge mit seiner Stimme eine gemütliche Abenteuerstimmung erzeugt. Sascha Draeger (Tim in den TKKG-Hörspiel) als Phileas Fogg ist eine gute Wahl, weil es ihm unerwartet gut gelingt, als versnobter Engländer zu überzeugen. Nur in den Actionszenen wird immer wieder deutlich, dass Draeger seine Karriere als TKKG-Sprecher begann.

Ihm zur Seite stehen Annina Braunmiller (Synchronstimme von Kristen Stewart) als Aouda Fog, Marius Clarén (Synchronstimme von Tobey Maguire) als Passepartou, K. Dieter Klebsch (Synchronstimme von Alec Baldwin) als Kapitän Nemo, Hartmut Neugebauer (Synchronstimme von Robbie Coltrane) als Robur, Holger Löwenberg (Synchronstimme von Danny Trejo) als Dr. Henry Jekyll, Dietmar Wunder (aktueller Hörspielsprecher von John Sinclair) als Victor Frankenstein und Jürgen Thormann (Synchronstimme von Michael Caine) als Oberst Munro.

"Doch für die nächsten 15 Minuten erfordert dieses kubanische Zigarre meine ungeteilte Aufmerksamkeit."

Einzige Enttäuschung ist Michael Pan (Synchronstimme von Brent Spiner). Sein Professor Aronnax hört sich an, als wolle er einen klischeehaften verwirrten Wissenschaftler in einen Bugs-Bunny-Cartoon synchronisieren. Leider fällt Manfred Lehmann (Synchronstimme von Bruce Willis) Rolle als Ned Land viel zu kurz aus – gerade da der Sprecher sonst nur selten in Hörspielen mitwirkt. Beides ist damit zu erklären, dass Phileas Fogg die Rollen der beiden Figuren übernimmt. Besser wäre es aber gewesen, auch den Sprechanteil des Professors zu kürzen, anstatt ihn zur Witzfigur herabzustufen.

Auffallend ist, dass selbst kleine Nebenrollen mit erfahrenen Synchronsprechern besetzt worden. So finden sich Marie Bierstedt (Synchronstimme von Kirsten Dunst), Helmut Krauss (Synchronstimme von John Goodman, Lutz Mackensy (Erzähler der Fünf-Freunde-Hörspiele), Sascha Rotermund (Synchronstimme von Benedict Cumberbatch), Norbert Langer (Synchronstimme von Tom Selleck) und Till Hagen (Synchronstimme von Clark Gregg) auf der Besetzungsliste der ersten vier Folgen wieder.

Die Titelmelodie führt unterhaltsam und fröhlich in die jeweilige Folge hinein. Ansonsten fügt sich die Musik gut in die jeweiligen Szenen ein. Schon die schön gestalteten Cover wecken die Abenteuerlust der Hörer – wenn man sich denn auf den wilden Jules-Verne-Mix einlassen will.

"Ich kann auf die Begegnung mit einem Tiefseeungeheuer getrost verzichten."

Eines sollte der Hörer nämlich wissen – er bekommt in der Reihe keine Adaption klassischer Jules-Verne-Geschichten. Lediglich die erste Folge rund um die Nautilus bleibt eng am Original – nur eben mit einem neuen Helden. Der Stahlelefant ist sehr frei erzählt und kommt mit Ideen daher, die nicht jeden Hörer gefallen werden. Darunter leidet die abenteuerliche Grundstimmung, welche die Romane von Jules Verne sonst auszeichnet.

Im Gegenzug klebt "Entführung auf hoher See" zu sehr an der Vorlage und ist somit sehr vorhersehbar und stellenweise ein wenig langweilig. Es ist eine schmale Linie zwischen einem zu wilden viktorianischen Mash-Up und dem bloßen Nacherzählen der bekannten Geschichten. Gut gelingt dies den Machern in der zweiten und dritten Folge.

"Der Elephant aus Stahl" ist eine reine Geschmacksfrage – auf wie viel Neuerungen will man sich einlassen. Da auch Frankenstein und Dracula später ihre Auftritte in der Serie haben, sollten Puristen um die Reihe lieber einen Bogen machen. Die bunte Mischung macht aber durchaus Spaß. Es bleibt zu hoffen, dass die Autoren in den folgenden Hörspielen die Balance finden und neue Figuren so geschickt einbauen, wie Dr. Jekyll.

Bisher sind 18 Folgen der Hörspielserie Jules Verne – Die neuen Abenteuer des Phileas Fogg und die Spin-Off-Reihe Oscar Wilde & Mycrolf Holmes erschienen. Die einzelnen Episoden haben jeweils eine Länge von ungefähr einer Stunde.

Fazit

Die Abenteuerhörspiele können, bis auf eine Ausnahme, gerade durch ihre professionellen Sprecher begeistern. Nur sollte man als Hörer wissen, worauf man sich einlässt: Die Serie bietet keine klassische Jules-Verne-Adaption, sondern mischt seine Geschichten wild mit den Figuren anderer viktorianischer Autoren. Wer das als Grundkonzept akzeptiert, kann mit viel Spaß Phileas Fogg bei einer weiteren Weltreise begleiten.

Die ersten vier Folgen der Reihe sind kostenfrei auf YouTube verfügbar.

Jules Verne: Die neuen Abenteuer... - Folge 1: Entführung auf hoher See (Komplett)

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