Perry Rhodan Planetenroman 55/56 "Ins Weltall entführt" /"Tunnel in die Unendlichkeit"

William Voltz

Im zweiten Nachwort dieses im Zaubermond wieder veröffentlichten Sammelplanetenromans weist Rainer Nagel darauf hin, dass er sich bei der Zusammenstellung dieses Bandes auf das erste als Perry Rhodan Planetenroman veröffentlichte Abenteuer um Oberstleutnant Nome Tschato und den dritten, die Serie abschließenden Einsatz  konzentriert hat. Der Mittelteil fehlt. Für Leser bleibt die Frage offen, ob der zweite Planetenroman „Die Macht der Träumer“ nicht besser gewesen wäre. „Ins Weltall entführt“ (Planetenroman 25) und „Tunnel in die Unendlichkeit“ (Planetenroman 41) ähneln sich trotz unterschiedlicher Prämissen aufbautechnisch erstaunlich. In beiden Romanen verschwinden Menschen. In „Ins Welltall entführt“ entführen die Fremden im Jahre 2341 Kinder ins All, die dort anscheinend als Sklaven dienen. In „Tunnel in die Unendlichkeit“ verschwindet in einer bizarr erscheinenden, aber von William Voltz gut umgesetzten Szene der Kapitän des Frachters GOVERNOR während des fünften Sprunges plötzlich aus seinem Sessel auf der Brücke des Schiffes. Anscheinend haben auch hier Fremde mittels einer Art Tunnel ihre "Finger" im Spiel und haben ein interdimensionales Gefängnis errichtet. In beiden Fällen muss Oberleutnant Nome Tschato als Kommandant des Schlachtkreuzers LION mit seiner Crew auf eigene Faust ermitteln.

Wie von Rainer Nagel angerissen ist Tschato ein fast klassischer Voltz Charakter. Während die andere typische Voltz Figur Don Redhorse charismatischer und ohne Frage ein wenig zugänglicher was Disziplin und Rang innerhalb der Flotte ist, erscheint der Zwei-Meter- Hüne mit afrikanischen Wurzeln, herabhängenden Schultern wie eine Raubkatze, wobei in einem der beiden Romane auch Tiger eine wichtige Rolle spielen. Im Gegensatz zu einer Raubkatze ist der respektvoll „Tschato, der Löwe“ genannte Oberstleutnant aber wie Redhorse ein opportunistischer Denker, der sich während einer Mission ausschließlich auf die Instinkte verlässt und keine Befehle von vorne herein ungefragt akzeptiert. Mit dieser Eigenwilligkeit kann er nicht unbedingt befördert werden, aber wie es sich für diese Art von Geschichten gehört, gibt ihm der Erfolg Recht. William Voltz macht nicht den Fehler, Tschato alleine in den Mittelpunkt der Geschichten zu stellen. Als Kommandierender eines Schlachtschiffes ist er sich seiner Verantwortung in einigen wichtigen Phasen der Missionen bewusster als zum Beispiel der Sofortumschalter Perry Rhodan der Anfangsphase der Heftromanserie. Beide Männer schätzen so widersprüchlich es auch sein mag, ein kalkulierbares Risiko auf Eigeninitiative. Für einen Ausgleich sorgt sein Untergebener Dan Picot, mit dem Tschato nicht nur auf der LION, sondern auch später der WHIP Dienst tat. Voltz versucht den Kontrast zwischen den beiden Protagonisten nicht zu stark werden zu lassen. Der Hinweis auf die Magenschwüre Picots wegen der unorthodoxen Vorgehensweise Tschatos muss ausreichen. Auf der anderen Seite ist Picot auch ein guter Ratgeber, in dem er Tschato an einigen Stellen nicht nur einbremst, sondern auf die richtige Spur bringt. Die Figuren sind insbesondere im Vergleich zu anderen Nebencharakteren dieser beiden Romane mit viel Liebe zum Detail und Herzblut gezeichnet worden, während die Handlungsbögen teilweise ein wenig zu kompliziert und rückblickend nicht komplex genug erscheinen.  Im Vergleich zu anderen Perry Rhodan Autoren kann William Voltz aber seine Plots exzellent über die ganze Romanlänge aufteilen, so dass nicht das hektische Gefühl eines abrupten Abschlusses aufkommt. Hinzu kommt, dass Voltz insbesondere bei „Ins Weltall entführt“ ein zusätzliches stilistisch nicht unbedingt effektives Element einführt. Wichtige Passagen des Romans werden in Form von Funksprüchen zwischen Perry Rhodan und Allan Donald Mercant erzählt. Diese aus heutiger Sicht an längere SMS oder What Apps Nachrichten erinnernden „Gespräche“ fassen viele Fakten zusammen und sollen aufzeigen, dass Mercant und Rhodan gegensätzliche Ansichten über Tschato haben. Diese Funksprüche distanzieren aber auch den Leser von einer intensiv erzählten Geschichte und machen es Voltz an einigen Stellen zu leicht, sich aus schwierigen Situationen elegant als Autor heraus zu mogeln. Dabei wäre die Vorgehensweise nicht notwendig, denn Voltz entwickelt seine Plots sehr gut aus sich selbst heraus. Keine „Deus ex Machina“ Lösungen, keine zu übertriebenen technischen Lösungen, dafür menschliche Intuition mit einem Schuss Gewaltbereitschaft, der aber nicht in Exzesse ausartet.

Aus heutiger Sicht könnte „Ins Weltall entführt“ den Klischees der Ufo Fanatiker einsprechen. Die Spur der verschwundenen Kinder führt zum Planeten Tigris. Zusätzlich wird ein Miniraumschiff gefunden.  Picot muss sich unter Hypnose durch den im Miniaturraumschiff eingebauten Hypnosesender ebenfalls „entführen“ lassen und folgt so der Spur der Kinder. Auf einem abgeschiedenen Planeten finden sie nicht nur die Überreste eines vor vielen Jahren abgestürzten Raumschiffes, dessen Überlebende seit vielen Jahren unter einer Kuppel hausen. Dazu kommen zwei Abkömmlinge eines fremden Volkes – die Erklärung ist exotisch wie phantastisch. Der Plan ist es gewesen, die Kinder zu entführen und zu Arbeitssklaven auszubilden, welche die Kuppel aufgrund ihrer geringen Körpergröße besser in Schuss halten können. Auch wenn diese Erklärung ein wenig stark an den Haaren herbeigezogen erscheint, durchbricht Voltz wie auch im zweiten Roman die böse Außerirdische/ gute Menschen Schemata. So ist es auch nur konsequent, dass die Rettung der Kinder durch Konflikt innerhalb der Gruppe der Außerirdischen ermöglicht wird.

Im zweiten Roman sind es dann doch wieder die Menschen, die schließlich die Unverträglichkeit mit den unbekannten Wesen feststellen und sie zum Gehen animieren. Wie bei Hans Kneifels Romanen um die goldenen Menschen zeigen die beiden hier zusammengefassten Voltz Bände, wie exotisch und doch friedlich es im Gegensatz zur Erstauflage in den Planetenromanen zugegangen ist. Missverständnisse werden nicht mit Flotten gelöst.Und das zu einer Zeit, als K.H. Scheer noch Exposeautor gewesen ist. 

Auch in „Tunnel in die Unendlichkeit“ kommt die Bedrohung, aber auch die Rettung durch die Mitglieder der fremden Rasse. Während sechs Mitglieder der unbekannten Rasse der Sanguroll versucht haben, die dritte Existenzform im Hyperraum zu erreichen und für ihre Rückkehr irgendwelche Körper brauchen, baut ein weiteres Mitglied dieser exotischen, aber grundlegend zu wenig extrapolierten Rasse, das auf natürlichem Wege diese eher ambivalent beschriebene Existenzform erreicht hat, den Menschen eine Brücke.

Das Faszinierende an diesem Roman ist unter anderem die Simulation des Sprungs der GOVERNOR, bei dem der Kapitän verschwunden ist. Tschato wirkt obwohl der Roman nur ein Jahr nach „Ins Weltall entführt“ spielt, deutlich reifer.  Das liegt weniger an der Liebesgeschichte zwischen Tschato und der Detektivin Scottie Justine. Rainer Nagel versucht die Zeichnung von Frauen aus der Zeit der Romanentstehung heraus zu erklären. Damit macht er sich das ein wenig zu einfach. Die Detektivin ist ohne Frage attraktiv, auch kokett und schließlich verfällt sie dem Übermann. Aber William Voltz macht aus der Beziehung zu wenig. Während Scottie zu Beginn noch in die laufende Handlung eingebunden wird, verschwindet sie gegen Ende des Plots eher Stichwortgeberin im Grunde in der Bedeutungslosigkeit.

Voltz gibt sich sehr viel Mühe, die jeweils Außerirdischen trotz ihrer fast menschlichen Handlungen – Sklaverei und Körperdiebstahl – exotisch zu zeichnen. Ohne zu viele Klischees zu bemühen handelt es sich um die Höhepunkte dieser im Mittelteil ausgesprochen kompakten, dem Zeitgeist auch ein wenig widersprechenden Romane. Die grundlegenden Plots erscheinen stark konstruiert – warum Kinder von der Erde stehlen und dann so viele Spuren hinterlassen oder warum nur einen Menschen auch körperlich entführen, wenn man mit der Besatzung des ganzen Raumschiffes alle Fliegen mit einer Aktion geschlagen hätte? - , aber William Voltzs angenehm zu lesender Stil und mit dem unorthodoxen, aber auch nachvollziehbar agierenden Tschato verfügen die beiden hier zusammengefassten Romane über einen charismatischen Anführer sowie in Picot einen immer am Rande des Magengeschwürs lebenden, aber ernstzunehmenden Sidekick. Es sind nicht die besten Arbeiten William Voltzs. Da aber sein Schaffen im Rahmen der Planetenroman überschaubar ist und sich sein Name wahrscheinlich sehr gut verkaufen läßt, hat Rainer Nagel aus der "Not" eine kleine Tugend gemacht. 

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Taschenbuch, 360 Seiten

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