Schon der simple Titel “Der Terraformer 2“ weist darauf hin, dass Matthias Falke alle Bestandteile seines überraschenden „Wikinger im Weltraum“ Auftaktromans gut durchgeschüttelt , aber nicht gerührt zu einem weiteren sehr unterhaltsamen Band zusammengemischt hat. Um es gleich vorweg zu nehmen, das beste und gleichzeitig auch schwächste Glied der Kette ist der Inhalt des Romans. Das wirkt auf den ersten Blick konträr, ist aber passend. Wie im ersten Buch erzählt Matthias Falke die zugrundeliegende Geschichte ausgesprochen stringent. Sie lässt sich in wenigen Worten zusammenfassen. Nach dem Tod des Vaters kommt es zum Brudermord und der Machtergreifung. Ragnas Ehemann und der Vater ihrer drei Kinder ist auf einem Gefängnisplaneten interniert. Sie bittet zum zweiten Mal den Terraformer McCoy um Hilfe, der erst Ehemann und dann schließlich die als Geisel gehaltene Tochter befreien soll, während es am Ende zur finalen Konfrontation zwischen Ragnas Ehemann und dem Oberschurken kommt. Diese Zusammenfassung hört sich profan an, aber Matthias Falke hat so viel Spaß damit, diesen Roman niederzuschreiben, dass sich das Vergnügen auch auf die Leser überträgt.
Das Universum mit den Erzwelten, auf denen direkte Nachkommen der Wikinger leben, kämpfen und schließlich auch sterben, ist im ersten Buch ausreichend beleuchtet worden. Matthias Falke nimmt den Staffelstab auf und hetzt seine Figuren durch die Handlung. Der Auftakt zeigt gleich den Kontrast der Welten. McCoy arbeitet weiterhin auf seinem Planeten. Die Rentiere entwickeln sich und selbst die Dinosaurier stören nicht unbedingt. Abgeschieden kann er sein Leben in Ruhe, Einsamkeit, aber nicht gänzlicher Stille genießen. Natürlich währt diese Idylle nicht lange. Ragna landet mit ihren zwei Söhnen und bietet McCoy zum zweiten Mal um Hilfe. McCoy hat eine eher platonische Schwäche für die attraktive, lebenslustige, aber auch sture und redselige Frau. Während ihre Söhne immer wieder abgelenkt werden, gelingt es ihr nicht zur Überraschung der Leser, McCoy zu einer weiteren Mission zu überreden. Dazu muss er erst einmal von seiner Heimatbasis das ultimative Raumschiff abholen. Der Besuch zu Hause verläuft wenig harmonisch. Mit diesem „Meisterwerk“ fällt es McCoy und Ragna zumindest leichter, die unmögliche Mission anzugehen. Das Raumschiff, hinter dem sich McCoy stellenweise auch zu arrogant versteckt, ist vielleicht die größte Schwäche des Romans. Immer wieder betont Matthias Falkes literarisches Alter Ego, wie überlegen und mächtig das Raumschiff mit perfekter Tarntechnik und einigen das Wetter beeinflussenden Möglichkeit ist. Daher werden sie schwer geordnet und können selbst an ungewöhnlichen Orten auftauchen. Die Grundidee ist überzeugend. Mit den „Defensivwaffen“, die eigentlich in erster Linie Planeten terraformen sollen, steht ihnen eine exzentrische Angriffsmöglichkeit zur Verfügung. Diese setzt McCoy auch ausgesprochen effektiv ein. Die anderen auf den ersten Blick überlegenen Tricks und Gags hätte der Autor weg lassen können, um so zwischen den einzelnen Actionszenen die Spannung hoch zu halten.
Auf der anderen Seite kann Ragnas Ehemann auf der unwirtlichen Welt in einem absichtlich Menschen opfernden Krieg vor allem durch seine Intelligenz punkten. Ihm gelingt es, eine im Grunde verlorene Schlacht zu gewinnen und den Feind hinter die Eisgrenze zurückzudrängen, so dass deren Schiffe dort nicht mehr landen können. Im Grunde ist es ein Pyrrhussieg, denn der neue Herrscher der Erzwelten möchte nicht, dass auch nur einer der politischen Gefangenen diese Welt überlebt. Alleine die Hilfe des örtlichen Kommandanten hält ihn am Leben. Wer aber jetzt auf den Gedanken kommt, Matthias Falke steuert den Roman in Richtung heimlich organisierte Umsturz und anschließende Erfolg versprechende Revolution wird eines Besseren belehrt. Die Befreiung wirkt allerdings angesichts der langen sehr pointiert vor allem auch aus Dialogen bestehenden Vorbereitung wie ein Antihöhepunkt und geht viel zu schnell über die Bühne. Es bleibt nur noch, den zweiten Schritt – die Befreiung der Tochter – zu initiieren, so dass hier ein zweiter Handlungsbogen beginnt. Auch dieses Ende leidet ein wenig unter einem „Deus Ex Machina“ Effekt, den Matthias Falke aber im Vergleich zum ersten Höhepunkt des Romans handlungstechnisch unterhaltsamer gestaltet. Das Duell der Hacker im Hintergrund als Gegenentwurf zu den sich die Schädel einschlagenden altbackenen, aber nicht antiquierten Kriegern ist gut beschrieben worden. Wie eingangs erwähnt hält ohne dem Universum neue oder originelle Ideen hinzu zu fügen der Autor das Tempo erfreulich hoch und kann vor allem durch die gut geschriebenen Actionszenen punkten.
Es ist die zwischenmenschliche Ebene, welche neben dem ungewöhnlichen Hintergrund die beiden Romane so lesenswert macht. Allen voran McCoy, der sich am liebsten nach Ruhe und Einsamkeit sehnt, auf der anderen Seite aber auch ein interessanter Opportunist ist, der nicht nur sein gigantisches Spielzeug effektiv einsetzen kann. Er ist kein rein positiver Held. Er hat eine raue Schale und ohne Frage auch einen weichen, vor allem Ragna zugewandten Kern. Aber er ist auch direkt, beleidigend und egoistisch. Ihm geht das viele Gerede auf die Nerven. Am liebsten handelt er auf sich alleine gestellt. Diese Ecken und Kanten machen die Figur so menschlich, so zugänglich, ohne das zu konstruierte Sympathiewege ihn unrealistisch erscheinen lassen. Im Vergleich zum ersten Buch hat Ragna deutlich weniger zu tun und ist in erster Linie auch zum Leidwesen der Handlung damit beschäftigt, sich um ihre beiden Söhne zu kümmern, die in dieser Fortsetzung aber stellenweise zu sehr als unnötiges Comic Relief erscheinen. Ihnen gelingt zu viel und wenn sie nicht beobachtet werden, machen sie im überzogenen Sinne zu viel Mist. Diese Schwäche wird durch die begleitenden Dialoge, bei denen sich Matthias Falke an den Screwball Komödien der dreißiger und vierziger Jahre eher orientiert als das er sie wie eine Hommage in die Handlung einbaut, teilweise ausgeglichen.
Roderick wirkt eher wie der typische Held. Während im ersten Buch noch der Funke nach einem sehr langen Anlauf zwischen den Verheirateten übersprungen ist, wirken sie im vorliegenden Roman eher wie Fremde. Ragna versucht mit McCoy ein Erfolg versprechendes, aber platonisches Paar zu bilden, während Roderick von seiner Gefangenschaft gezeichnet und von McCoy in einer der subtilen Szenen nicht gänzlich geheilt , einzeln dickköpfig und eher die Mission unterminierend vorgeht. Matthias Falke zeichnet eher das Portrait eines der modernen Überwikinger, die auch Poul Anderson in seinen allerdings historisch angelegten Nacherzählungen der Nordmänner Sagen so gerne genommen hat.
Mit Olaf Orluffson und seiner künstlichen Eisenfaust kehrt eine weitere Figur aus dem ersten Buch zurück. Er unterminiert die alten Werte und möchte die Macht seines Vaters, aber nicht deren Gutmütigkeit „erben“. Der Roman beginnt mit dem klassischen Brudermord und endet quasi mit einer inhaltlichen Verbannungsschleife. Der Antagonist ist zu eindimensional gezeichnet und vor allem macht Matthias Falke aus der einzigen direkten Konfrontation zwischen Roderick und Olaf Orluffson zu wenig. Da erscheint der Hacker Loki sehr viel interessanter gezeichnet, auch wenn Matthias Falke das Potential dieser Figur noch nicht heben kann.
Rückblickend ist es positiv gesprochen erstaunlich, wie schnell die Lektüre abgeschlossen ist und wie viel dank der guten lebensnahen Dialogführung Matthias Falke aus dem Stoff trotz einiger Klischees in der grundlegenden Handlung herausholen kann. Die Fortsetzung wirkt ein wenig bemühter als der erste Band einer hoffentlich fortgesetzten Serie. Das Überraschungsmoment, die Anarchie und der Kontrast zwischen den Mythen der Wikinger und dem unwirtlichen Leben auf den Erzwelten am Rand der besiedelten Galaxis sind aufgrund der Bekanntheit des Hintergrunds nicht mehr gegeben. Hier hätte Matthias Falke vielleicht durch eine mehr vielschichtige und vielleicht ein wenig mehr überdrehte Handlung gegensteuern müssen. Aber auch so liest sich „Der Terraformer 2“ wie der uneingeschränkt zu empfehlende erste Band sehr kurzweilig.