
Der Titel dieses im Heinz Mohlberg Verlag veröffentlichten Nachdrucks fasst die beiden im Zauberkreis veröffentlichten Romane “Versicherung mit Schwierigkeiten” und „Die Greise von Osiris“ aus der Feder des unter dem Pseudonym H.W. Springer schreibenden Hans Wolf Sommer zusammen. Die beiden Heftromane sind in erster Linie durch die Hauptfigur des Versicherungsvertreters und Weltenretters wider Willen Tantor verbunden. H.W. Springer selbst wird heute durch den Kölner Mohlberg Verlag mit einigen weiteren Nachdrucken vor dem gänzlichen Vergessen gerettet. Im Laufe seiner langen Karriere hat der 1939 in Berlin geborene und 1996 verstorbene Sommer über einhundert Romane und viele Kriminalkurzgeschichten unter diversen Pseudonymen verfasst. In der Science Fiction ist er vor allem ein spöttischer Satiriker mit kurzen Texten aufgefallen, wobei er sowohl auch für die Heftromanreihe „Die Terranauten“ geschrieben als auch die im Bastei Verlag veröffentlichten - basierend auf den Drehbüchern - „Space 1999“ alias "Mondbasis Alpha 1" adaptiert hat. In beiden Reihen stammen zwischen vier bei „Space 1999“ und sechs bei „Terranauten“ Romane von ihm.
Der kurzweilige Auftakt des ersten Heftromans „Versicherung mit Schwierigkeiten“ zeigt die Richtung, in welche im Grunde der ganze Roman zielen sollte. Ein Angehöriger der Argh Rasse erscheint im Büro des aus Sicht seiner Chefs bislang eher blass gebliebenen Versicherungsagenten der General Insurcance Tantor und macht ihm ein Angebot, das kein freischaffender Vertreter ablehnen kann. Die Police seines Lebens. Der Argh will seinen Planeten mit 100 Milliarden Interstellare Einheiten versichern lassen. Die Planetenregierung der Argh fühlt sich von einer Terror Organisation bedroht, die unter Umständen auch mittelbar mit der irdischen Regierung in einem Zusammenhang stehen könnte. Obwohl die Wahrscheinlichkeit des Versicherungsfalls überschaubar ist, möchte eine weit denkende Versicherung progressiv nach vorne schauen und will die Prämie für den Vertreter erst auszahlen, wenn dieses Ereignis nicht eingetreten ist. Zusätzlich schickt man in einer vielleicht zu stark konstruierten Wendung des Romans Tantor selbst aus, um das Terroristennest auszuräuchern. Dabei muss er auf sich alleine gestellt agieren und gerät relativ schnell in die ersten Schwierigkeiten. Wie eingangs erwähnt ist die Grundidee verblüffend simpel wie für einen Science Fiction Roman effektiv. In der Perry Rhodan Serie spielte auch selten die Finanzierung der Expansion eine wichtige Rolle wie hier eben auch die Absicherung von Risiken. Springer parodiert vor allem in der ersten Hälfte die Gewinnsucht der Versicherung in Kombination mit einem Abwälzen von Risiken und dem Ausnutzen der Mitarbeiter. Die wieder aufblühende Romanze zwischen dem eher unnahbaren und zu wenig ambivalent gezeichneten Tantor sowie seiner ehemaligen Flamme wirkt aufgesetzt. Während die Dialoge insbesondere zu Beginn ausgesprochen pointiert und doppeldeutig sind, versucht der Autor den Hintergrund seiner Zukunft zu ausführlich und nicht selten gegen den Handlungsstrom zu erläutern, was nach den ersten Seiten zu einem spürbaren Ermüdungseffekt beim Leser führt und das Geschehen weniger flott ablaufen lässt als das es eigentlich verdient hat.
Auf den letzten Seiten überschlagen sich die Ereignisse. Da es nicht der ersten Spezialeinsatz eines Agenten gegen potentielle Risiken ist und es anscheinend auch in dieser Zukunft ausreichend auf Action basierende Fernsehserien gibt, fühlt sich Tantor irgendwie zum Film versetzt, auch wenn er mit seinen Aktionen und manchmal auch nur Reaktionen lange Zeit gar nicht die eigentliche Zielgruppe infiltriert, sondern eher im buchstäblichen Nebel herumstochert. Nicht jede Sequenz ist für den Leser eingänglich erläutert und stellenweise konzentriert sich Springer sehr stark auf die angesprochenen oberflächlichen Erklärungen, als den zugrundeliegenden Plot voranzutreiben. Das gipfelt in einem hektischen Finale, wobei der Brückenschlag zum Anfang des Romans zumindest gelingt und einige der satirischen Pfeile vom Auftakt ihre Ziele finden. Aber insbesondere im Mittelabschnitt wird die Idee dieser besonderen Versicherung sehr stark in den Hintergrund gedrückt und das Geschehen rückt viel zu nahe an die Fernsehserien heran, die Tantor als minderwertig bezeichnet. Es böten sich aber ausreichend Ansätze für doppeldeutige Dialoge und vor allem ironische Selbstreflektionen, aber diese verpuffen im ersten Teil des Doppelbandes.
Der zweite Roman um den Versicherungsagenten „Die Greise von Osiris“ ist in vielen Punkten die reifere Arbeit. Die langwierigen den Plot stoppenden Erklärungen fehlen. Die Handlung ist deutlich straffer und der Humor – Tantor muss sich überzeugend als Idiot zeigen – ist subtiler, aber auch griffiger. Vor allem wirkt der Versicherungsplot von Beginn an als ein elementarer Bestandteil der Handlung und statt Verschwörungen geht es um kriminelle Machenschaften.
Tantor erfährt bei einer wichtigen Sitzung, wie sein Kollege entlassen wird. Er hat einem anscheinend jugendlichen Mann in einem irdischen Altersheim eine Lebensversicherung verkauft. Nur handelt es sich um keinen jungen Mann, sondern um einen Bewohner des Planeten Osiris, der dreimal länger um die Sonne kreist. Der Vertreter hat im Grunde einen Greis versichert. Tantor hat nur ein Problem. Auch er hat einen Tag vorher einen jungen Mann in diesem Altersheim versichert. Zusätzlich aber noch eine Umweltschutzklausel eingebaut. Solange der Mann in seinem Bett stirbt, wird nur die Lebensversicherungssumme ausgezahlt. Sollte er aber durch einen Unfall sterben oder gar selbst eine Katastrophe verursachen, zahlt die Versicherung auch alle Schäden, die mittelbar und unmittelbar mit seinem Tod zusammenhängen. Tantor versucht die Versicherung rückgängig zu machen, der Mann ist aber nicht greifbar. Nur seine Enkelin ist im Altersheim. Sie kann sich nicht vorstellen, dass ihr Opa erstens eine derartige Versicherung abgeschlossen hat, deren Erlös zweitens einer obskuren Organisation zufällt, zumal er drittens auf Osiris als lebendige Geisel lange Jahre gehalten worden ist. Und diesen Geiseln hat man kleine Atombomben eingepflanzt, die mit deren Tod zünden. Ein eingepflanzter Herzschrittmacher soll die Aktivierung der inoperablen Bomben verhindern, aber anscheinend haben alle zwanzig Geiseln in diesem Altersheim gelebt und haben eine gewisse Affinität für Versicherungen entwickelt. Um seinen Job zu behalten, muss Tantor nicht nur den verschwundenen Greis finden und die Versicherung auflösen, im Grunde muss er hinter das Geheimnis dieser seltsamen Policen kommen.
Während der erste Roman inhaltlich vor allem in der zweiten Hälfte deutlich kosmopolitischer ist und deswegen auch ein wenig fahrig erscheint, ist „Die Greise von Osiris“ stringenter konzipiert und überzeugt auch mehr in der zugrundeliegenden Handlungsführung. Tantor muss beginnend bei dem seltsamen Arzt mit seinen Transplantionen ermitteln und folgt dem roten Faden bis einem sehr komplizierten, aber aufgrund der komplexen versicherungstechnischen Prämissen aus der Gegenwart einfach extra gut extrapolierten Betrug, der positiv auch rückwirkend sehr viel Sinn macht. Natürlich ist Tantor wieder im Mittelpunkt des Geschehens, aber seine Motive – Joberhalt – sind überzeugender und vor allem glaubt ihm die Polizei bei seiner ersten Festnahme den aus deren Sicht irrsinnigen Plan nicht. Für den Leser sind seine Schritte mit einer deutlichen Portion Humor und durch die Ich- Erzählerebene noch stärker betonte Selbstironie jederzeit nachvollziehbar, ohne das sie wie Tantor das Gesamtbild sehen können.
Spannungstechnisch intensiver und interessanter bilden die beiden Romane aber auch ein komplexes Gesamtbild. Es sind die Hintergrundinformationen dieser auf der einen Seite weiterhin zu gegenwärtigen Welt – Versicherungen, Geld und schließlich Schurken -, auf der anderen Seite aber auch durch die politischen Machenschaften so komplexen Welt, welche die ursprünglichen, inzwischen sanft überarbeiteten Hefte auch heute noch zu einem lesenswerten Vergnügen machen.
Der Schlüssel ist eine komplizierte, sich im zweiten Roman nicht wiederholende Abfolge von Informationen und Manipulationen in der Tradition von „Clockwork Orange“ , in welcher Tantor zusammen mit dem Leser hinter eine Reihe von Kulissen schauen kann. Zu einem können die Leute mittels einer Art konzentrierter Gedankenübertragung miteinander kommunizieren, wobei der Autor diesen Aspekt absolut ambivalent einsetzt. Im ersten Roman „Versicherung mit Schwierigkeiten“ will Tantor immer wieder seine Gedanken vor allem vor seinen Vorgesetzten verstecken, während er dessen letzten Gedankenflash immer wieder empfängt und seine „wahren“ Motive erkennen kann. Im Verlaufe der beiden Heftromane wird diese Idee in den Hintergrund geschoben, während Beeinflussung/ Manipulation durch Hypnose und stetige Suggestion in den Vordergrund tritt. So sollen brutale fiktive Filme die Grausamkeit der Argh gegenüber den Menschen beweisen, damit Tantor ihnen nicht helfen kann. In „Die Greise von Osiris“ dagegen wird der vordergründige "Idiot" Tantor beeinflusst, damit er eine Nacht in der Anlage des korrupten Arztes verbringt und wichtige Informationen sichern kann. Es wirkt zwar unglaubwürdig, das sich Tantor ohne Schauspielunterricht so sehr verstellen kann, aber insgesamt handelt es sich sowohl bei „Versicherung mit Schwierigkeiten“ als den diesem Inhalt eher gerecht werdenden „Die Greise von Osiris“ um zwei locker miteinander verbundene Abenteuer eines futuristischen und doch aus der Gegenwart so vertrauten Versicherungsagenten, der einmal an die eigene Tasche, dann an den eigenen Job denken muss und dabei zweimal seinem Arbeitgeber den monetären Hals retttet. Spritzig, wenn auch ein wenig langatmig geschrieben spielt Springer mit den Klischees des Pulp Science Fiction Genres, auch wenn ein wenig mehr Selbstironie und vor allem Humor den beiden Abenteuern noch besser getan hätten.
Heinz Mohlberg Verlag
A5-Format, Paperback, 188 S.