Dan Cooper Gesamtausgabe Band 3

Albert Weinberg

Der dritte Band der „Dan Cooper“ Gesamtausgabe umfasst die Alben sieben bis neun, die zu Beginn der sechziger Jahre veröffentlicht worden sind. Mit dem siebenten Album “Handstreich über der Eiswüste” übernahm Albert Weinberg nach der Kooperation mit dem Ghostwriter Jean- Michel Charier wieder alleine das Kommando. Dieser Übergang ist nicht gleich zu erkennen, da vor allem die ersten Seiten von „Handstreich über der Eiswüste“ wie ein Brückenschlag zu den ersten Alben erscheint und die verschiedenen Veränderungen Chariers ignoriert. Es geht wieder um einen geheimen Prototypen, den Dan Coopers Vater entwickelt hat. Um die Maschine vor Spionen und finsteren Mächten – der stilisierte Raubvogel im Büro der Schurken lässt im Gegensatz zu ihren roten Uniformen auch an die Nationalsozialisten denken – sind die Sicherheitsmaßnahmen mit verschiedenen Expertenteams, codierten und an zwei separaten Orten aufbewahrten Plänen und der verschworenen Gruppe von Testern perfektioniert worden.   „Dan Cooper“  ist stärker in die militärische Struktur der Royal Canadian Airforce eingebunden, wobei Weinberg auf militaristische Exzesse verzichtet und sie vor allem als ausgleichendes Element zwischen den Weltmächten zeichnet.

Der Stoff zerfällt aber wie unter Chariers Kommando in einen Teil, der eher ein jugendliches Publikum mit identifizierbaren Helden anspricht – der Urlaub der Piloten mit Angelwettbewerb, einem jungen verfressenen Bären als Maskottchen und den angesprochenen Streitereien rüpelhaft freundschaftlicher Art im Team – sowie der dramaturgisch sehr gut entwickelten Hauptgeschichte. Die Spione gehen bei ihrer waghalsigen Mission sehr rücksichtslos vor. Ohne in die Details zu gehen hat Weinberg einen im Grunde perfekten Plan entwickelt, der wie es sich für diese Art von Geschichten gehört, an einer zufälligen Begegnung scheitert. Dabei legt Weinberg nicht nur auf die Details sehr viel Wert. Durch Zwischenschnitte erhöht der Autor Weinberg die Spannung, während der technisch orientierte Zeichner Weinberg vor allem sich in die verschiedenen Details verliebt. Basierten selbst seine utopischen frühen Dan Cooper Abenteuer auf einer Extrapolation damaliger Technik, so setzt er dieses Verfahren bei seinen realistischen Flugabenteuern noch besser um. Die Transportmaschine des neuen Düsenjägers – die einzige realistisch gesprochen „utopische“ Idee des Albums – ist so minutiös genau gezeichnet, als handele es sich um eine Risszeichnung.  Diese Technikaffinität ohne die menschliche Geschichte zu ignorieren ist von Beginn an ein Markenzeichen der „Dan Cooper“ Serie gewesen und in diesem Punkt bilden sowohl Chariers Geschichten als auch Weinbergs Epos eine untrennbare Einheit.

Dazu kommt ein perfektes Timing. Auf der einen Handlungsebene entdeckt ein kanadischer Mounti ohne die wahren Zusammenhänge zu erkennen einen wichtigen Hinweis, auf der anderen Seite nimmt der perfide Plan der Spione/ Entführer mehr und mehr perfekte Form an. Nur Dan Coopers eiserner Wille durchkreuzt natürlich eine perfekte Umsetzung. Nach den im Vergleich zur Gesamthandlung zu umfangreichen wie leider aus heutiger Sicht eher nicht gut gealterten albernen Urlaubspassagen steigert Weinberg das Tempo der Geschichte kontinuierlich und präsentiert ein Fliegerabenteuer, das indirekt auch ein bisschen den heute eher in Vergessenheit geratenen Clint Eastwood Thriller „Firefox“ mit umgekehrten Vorzeichen inspiriert hat.

Wie gerne Weinberg sich mit der Idee internationaler Spionage inklusiv eines komplizierten Diebstahls von Prototypen unter rücksichtsloser Ausschaltung Unschuldiger auseinandergesetzt hat, zeigt das ebenfalls hier nachgedruckte neunte, also übernächste Album „Dan Coopers Geheimnis“.  Wieder geht es um einen besonderen Prototyp, den Dan Coopers Vater in absoluter Geheimhaltung auf einem abgeschieden gelegenen Atoll entwickelt hat. Es ist ein Aufklärer, der aufgrund eines Luftkissenantriebs sehr tief über Land oder Wasser fliegen kann. Bei der Überführung explodiert die Maschine Dan Coopers Vater und alle Ingenieure inklusiv seines Verwandten kommen ums Leben. Dan Cooper ist von Trauer überwältigt. Nur der Pudel seines Vaters ist ihm geblieben. Und ein unfertiger Prototyp, den Dan Cooper fertigstellt. Als er der Spur seines Vaters folgt, erkennt er, dass der ursprüngliche Prototyp noch auf dem Atoll steht und von einem  nicht markierten Hubschrauber gerade geborgen wird.  Anscheinend lebt auch sein Vater. Eine Spionageorganisation namens „Grüner Skorpion“ hat seinen Vater entführt und will Dan Cooper zwingen, den fertiggestellten zweiten Prototyp ihnen im Austausch zu überlassen.

Inhaltlich entsprechen sich „Handstreich über der Eiswüste“ und „Dan Coopers Geheimnis“ sehr. In beiden Fällen wird der Öffentlichkeit einmal der Tod des Entwicklungsteam vorgegaukelt, im ersten Album handelt es sich um eine komplizierte wie perfekte Entführung, die aber auch Züge von Ian Flemings James Bond Roman „ Thunderball“ in sich trägt. Die beiden Texte sind aber zeitgleich entstanden.  Die fast perfekten, aber auch sehr komplizierten Pläne der anscheinend über grenzenlose Mittel verfügenden Spionageringe scheitern an kleinen Zufällen. Im ersten Abenteuer findet ein Mountie das Wrack des Flugzeuges, im zweiten Band ist ein Hubschrauber defekt, so dass der Abtransport verschoben werden muss. Hinzu kommt, dass in beiden Alben Dan Cooper einmal in Eis/ Schnee, dann im Dschungel einer kleinen Insel mit einer alten japanischen Basis alleine gegen die Entführer vorgehen und sie überlisten muss. Dazwischen liegen nicht nur Szenen, in denen Dan Cooper um seinen Vater bangen muss, sondern in denen sich der Starpilot der kanadischen Luftwaffe zwischen Loyalität und Vaterliebe zu entscheiden hat. Von moderner Technik getrieben entwickelt Weinberg ohne Frage spannende und vielschichtige Plots, in denen die rücksichtslosen Schurken eindimensional erscheinen. Beiden Alben gemeinsam ist, dass gegen Spione nur internationale Bündnisse helfen. So retten in „Handstreich über der Eiswüste“ die Russen die im Eis gefangenen Piloten, in dem sie Lebensmittel, Decken und ein Funkgerät abwerfen. In „Dan Coopers Geheimnis“ kommt die Kavallerie aus Australien. Während im ersten Album der lange Auftakt mit dem Urlaub für jugendliche Leser angerichtet worden ist, nimmt der mutige, sogar mit einem Hau kämpfende Pudel der Coopers in der zweiten Geschichte einen sehr breiten Raum ein. Dabei sind die eigentlichen Aktionen der Spione brutal und rücksichtslos. In beiden Fällen werden viele Unschuldige durch den heimtückischen Abschuss der Transportmaschine in „Handstreich über der Eiswüste“ genauso getötet wie durch die Bombenexplosion zu Beginn von „Dan Coopers Geheimnis“.  Der Nachteil der Gesamtausgabe ist wie in diesem Fall, dass sich zwei inhaltliche sehr ähnliche Abenteuer in einem Sammelband treffen und Weinbergs umfangreiches Schaffen dadurch unfreiwillig stereotyper erscheint als es in Wirklichkeit ist.

Zwischen „Handstreich über der Eiswüste“ und „Dan Coopers Geheimnis“ ist mit „Die Jaguarstaffel“ ein sehr ungewöhnliches, politisch die Friedenkorps der UNO vorwegnehmendes Abenteuer erschienen. Gemeinsam haben alle drei Bände, dass die Schurken privatrechtlich organisiert sind und egal auf welcher Seite die Nationen sie mehr oder minder gemeinsam bekämpfen.   Es kommt immer wieder zu Konflikten zwischen Honduras und Nicaragua. Eine internationale fliegende Schutztruppe – eine Maschine und ein Pilot aus jeder Nation – soll die Grenze bewachen. Dan Cooper wird zum Leiter der Truppe ernannt. Sie besteht aus einem Belgier, einem Franzosen, einem Deutschen, einem Briten, dem erwähnten Kanadier und schließlich einem Amerikaner. Interessant ist, dass Weinberg zwar immer wieder auf den Zweiten Weltkrieg anspielt, aber deutlich zwischen den tapferen Soldaten/ Kriegern der Lüfte und politischen Zwischentönen unterscheidet.  Der Zeichner/ Autor spielt auch mit den üblichen Klischees.  So haben unter anderem die Belgier und die Franzosen ihre Familien mitgebracht. Der Brite ist diszipliniert und der Amerikaner mit dicker Zigarre ein Pulverfuß. Da die Truppe in erster Linie überwachen soll, haben sie ein Schießverbot. Relativ schnell stellt sich heraus, dass eine dritte Macht die Situation an der Grenze eskalieren lassen möchte, um von einem ausbrechenden Krieg zu profitieren. Und besonders der Amerikaner fällt immer wieder darauf rein.

Mit einer für einen Comic guten, aber nicht immer originellen Charakterisierung etabliert Weinberg nicht nur schnell die einzelnen, sehr gut voneinander zu unterscheidenden Piloten, zum ersten Mal ist Dan Cooper alleine führungsverantwortlich. Während die Zusammenarbeit mit seiner Staffel- die Auswahl seines Wingman nimmt einen zu breiten, zu sehr von Klamauk bestimmten Raum ein – eher auf einer kameradschaftlichen Ebene erfolgte, muss Dan Cooper hier echte Probleme aus dem Weg schaffen. Dazu kommt ein Verräter im Camp selbst. Die Flugszenen sind eindrucksvoll, auch wenn gegen Ende die politische Komponente gegen eine heroisch zu bekämpfende Naturkatastrophe ausgetauscht wird.  Es ist vor allem die internationale Bewegung, die vor allem für die frühen sechziger Jahre mit ihrem Kalten Krieg ausgesprochen modern erscheint.  In den Spionagegeschichten bis auf das erste Album mit den schnüffelnden, aber Ende doch belohnten Japanern sind es vor allem private Organisationen, welche den fragilen Frieden aktiv stören. Die Flieger sind immer eine Gruppe unter sich gewesen, die meistens sich trotz politischer Gegensätze Respekt zollen. Die Aggressoren, die hinterhältigen Angreifer sind immer mit Verbrechern gleichgesetzt, die keine Moral und keinen Anstand haben.

Über allem stehen die Faszination des Fliegens im Allgemeinen und das Austesten der Grenzen vor allem durch Dan Cooper im Besonderen.  Dabei testet Weinberg auch in diesen grundlegend realistisch technokratisch angelegten Abenteuern die Grenze der Glaubwürdigkeit. Alle drei hier gesammelten Alben zeigen aber vor allen den Lesern zu Hause, die Wildheit der Welt. Dabei reicht das Spektrum von den Eiswüsten um den Nordpol herum über den Dschungel Mittelamerikas bis schließlich zu den Wüsten Australiens mit der Heimatbasis im Herzen Kanadas.          

 Jeder Band der „Dan Cooper“ Gesamtausgabe ist neben dem schönen Druckbild, der sehr guten Papierqualität und dem die Qualität der Zeichnungen betonenden Überformat mit einigen weiteren Extras ausgestattet worden.  In der Einleitung und nicht dem Vorwort  wird nicht nur ein Blick auf die Veränderungen innerhalb der Dan Cooper Serie geworfen. Mit dem vier Seiten umfassenden Kurzcomic „Die Unbekannten“ beweisen die Herausgeber, dass Weinberg mit dem Arzt Alain Landier noch über einen Charakter verfügte, der durchaus mal von Außerirdischen „entliehen“ werden konnte, um ein Mitglied an Bord der fliegenden Unterasse in den Tiefen des Alls zu heilen. Dazu kommen großformatige Wiedergaben der TinTin“ Titelbilder, zeichnerische Spielereien wie die Negativdarstellung und im Anhang eine weitere Folge „Dan Cooper in Deutschland“.  Hier werden minutiös die sinnentstellenden Veränderungen der frühen deutschen  „Dan Cooper“ Ausgaben an Hand der in dem jeweiligen Band gesammelten Alben dargestellt und ggfs. um die extra von Weinberg für die deutsche Ausgabe angefertigten Zeichnungen/ Comicseiten ergänzt.  

 

 

  • Gebundene Ausgabe: 220 Seiten Überformat
  • Verlag: Splitter-Verlag; Auflage: 1 (1. September 2016)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3958393446
  • ISBN-13: 978-3958393448
  • Originaltitel: Dan Cooper
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