Das Haus Zamis 49 "Der Alchemist"

Das Haus Zamis 49, Der Alchemist, Titelbild, Rezension
Michael M. Thurner & Simon Borner

Vor dem Jubiläumsband 50 räumen Uwe Voehl, Michael Marcus Thurner und Simon Borner noch einmal ordentlich auf. Der rote die beiden Teilromane verbindende Faden ist das Schicksal von Lydia Zamis, die die in eine Goldstatue verwandelt worden ist. Die Zamis bewahren sie im Keller der Villa auf. Dabei ist das Familienoberhaupt nicht einmal so traurig, dass die aggressive Schwester in Gold gegossen erst einmal aus dem Verkehr gezogen worden ist.  Wie Coco sie schließlich wieder ins Leben zurückbringt, ist von Simon Borner in der zweiten Hälfte des Buches erzählt worden. Warum Coco Zamis quasi als ausgleichende Gefälligkeit diese Mission in Richtung Coburg übernehmen muss, erzählt Michael Marcus Thurner in dem ersten Abschnitt des Buches.

Die Rückkehr von Michael Marcus Thurner ist ein belebendes Element für die inzwischen seit fast fünfzehn Jahren laufende Serie. Immer wieder hat Thurner vor allem das alte Wien in seinen Geschichten zum Leben erweckt und mit einer Reihe von bizarren, aber auch interessanten Charakteren unterhalten. Nicht selten ist es bei den Doppelbänden aber auch so, dass der Perry Rhodan Autor auch die jeweils dankbarere Hälfte des Plots geschrieben hat, während sein Co Autor nicht selten wie auch im vorliegenden Fall auf einige Klischees zurückgreifen musste, um den Handlungsbogen überhaupt abschließen zu können. In „Der Alchemist“ dominiert Thurner mit seinem Plot um eine weitere der sieben Todsünden, die von Vindobene im Keller von Coco Zamis  Wiener Kaffeehaus der besonderen Art leichtsinnig erweckt worden ist. Dabei handelt es sich um den Zorn.

Am Anfang sind die Auswirkungen eher klein. Es kommt zu Konflikten im Kaffeehaus, wobei auch die magische Schutzbarriere anscheinend nicht mehr hilft. Als Coco Zamis erkennt, wer von dem naiven dümmlichen, aber leider auch körperlich plötzlich stark anwachsenden Vindobene erweckt worden ist, sucht sie Hilfe bei Ihrer Familie, die inzwischen selbst einen Angriff zu überstehen hat. Alleine die Idee, sich mittels von Heulsusen gegen die erdrückende Überzahl der Angreifer zu wehren, die hinter der Goldstatue Lydias her sind, ist ein so surrealistisch erscheinender Einfall, das der Leser nur schmunzeln kann.

An einer anderen Stelle verwüstet der inzwischen auch von der Todsünde des Zorns befallene Michael Zamis das Büro eines bekannten Anwalts und Stellvertreters Asmodis. Michael Marcus Thurner macht sich einen Spaß daraus, Skarabäus Toth in dieser Hinsicht verzweifelt erscheinen zu lassen. Zur finalen Auseinandersetzung muss selbst Asmodi gerufen werden, wobei hinsichtlich des Endkampfes es nicht zum ersten oder wahrscheinlich letzten Mal in dieser fortlaufenden Serie Coco Zamis ist, welche den Tag rettet. Dabei muss sie sich selbst die Frage stellen, ob sie nicht die Gunst der Stunde ausnutzt. Bis zu dieser finalen Auseinandersetzung ist Michael Marcus Thurners Hälfte von einem hohen Tempo, einer Reihe bizarrer Szenen und vor allem dank der gut geschriebenen Dialoge auch von viel Situationskomik geprägt. Hinzu kommt, dass er die dekadente, morbide Atmosphäre der Wiener Altstadt mit seinen Beschreibungen sehr gut einfängt.  Grundsätzlich ist auch die finale Auseinandersetzung solide geschrieben worden. Aber trotzdem überzeugt sie nicht gänzlich. Rückblickend ist klar, dass der Ruf Asmodis nicht beschädigt werden darf und er quasi der Legende nach im Alleingang den Feind besiegt hat. Der Leser sieht, dass die Realität anders ist. Aber wenn die Verantwortung vor allem in den großen Szenen immer wieder auf die Schultern von Coco Zamis gelegt wird, dann überspannen die Autoren teilweise den Bogen hinsichtlich der Glaubwürdigkeit und nehmen sich in wichtigen Szenen die Effektivität.

Auch an einer anderen Stelle agiert Michael Marcus Thurner unglücklich. Die „Das Haus Zamis“ Romane sind auf allen Handlungsebenen, in denen Coco Zamis agiert, aus der Ich- Perspektive geschrieben worden. Daher wirkt der Bluff in einer Sequenz auch stilistisch unglücklich und der Versuch eines Spannungsaufbaus scheitert schon im ersten Ansatz.   

 „Der den Hass sät…“ ist trotz der beiden nicht zu übersehenden Schwächen einer der besten Teilromane der ganzen Serie und gleichzeitig gehört dieser dichte Plot zu  Michael Marcus Thurners besten Arbeiten in den letzten Jahren.

In mehrfacher Hinsicht hat Simon Borner es deutlich schwerer. Das beginnt mit dem „Rückblick“, der Geschichte einer Hexe beginnend im 17. Jahrhundert. Zu oft hat der Leser diese Passagen nicht nur in der Serie gelesen. Der Zusammenhang mit dem Alchemisten, der Gold verwandeln kann und damit den historischen Legenden entgegen handelt, bietet sehr viel Potential. Hier lässt der Autor eine Industriellenfamilie inklusiv der dunklen, perversen Geheimnisse im Keller entstehen, die schließlich in der Gegenwart „bestraft“ wird. Es sind die vielen kleinen Ideen, aus denen sich der Roman zusammensetzt, die eher überzeugen. So muss Coco Zamis mit ihrem Außenseiterbruder – eine Figur, die effektiv und vor allem selten vom Exposeautor eingesetzt wird  - und der goldenen Statue Lydia ins ländliche Coburg reisen. Hier trifft sie auf Nachkommen der im Rückblick verbrannten und vorher gefolterten Hexe, die sich Asmodi verschrieben hat. Die Versatzstücke passen alle zusammen, das Problem ist allerdings, das Simon Borner das hohe Tempo eines Michael Marcus Thurners in seinem Teil nicht erreichen kann. Die finale, wieder feurige Auseinandersetzung mit einem bittersüßen Ende wird interessanter beschrieben, da es dieses Mal Coco Zamis Ungeduld ist, die in der offiziellen Lesart allerdings wenig hilfreich und vor allem auch kontraproduktiv ist. Sei rettet in einer Art Pyrrhussieg schließlich ihre Schwester und kann sogar den dunklen Schatten von Coburg ziehen, aber sie ist nicht wie im ersten Teil die im Hintergrund strahlende Heldin, welche einen Anteil an ihrem Cafe verliert, dafür aber zumindest ein wenig des Respekt der eigenen Familie wieder gewinnt.    

Auch wenn sie manches gefährdet und das Ende des Plots sogar wie eine kleine Niederlage erscheint, steht Coco Zamis wieder im Mittelpunkt. Der Handlungsbogen Simon Borners wirkt aber durch die langen Rückblenden deutlich getragener. Diese Rückblenden bringen leider zu wenige neue Informationen und insbesondere Christian Schwarz hat mit seinen geschichtsträchtigen „Zamorra“ Texten den Leser in dieser Hinsicht nicht selten verwöhnt. Es ist schade, dass die Figur des umgedrehten Alchemisten vielleicht zu spät in den Handlungsbogen eingebaut und anfänglich zu viel Raum mit solide geschriebenen, aber wenig aus sich heraus originellen Spannungsbögen verbraucht wird. So wirkt die ganze Geschichte deutlich unrunder und steht noch mehr im Schatten des in Wien spielenden ersten Abschnitts.

Abschließend positiv ist, dass die Geschichte um Lydia als goldene Statue erst einmal abgeschlossen worden ist. Sie zieht sich nicht zu lange hin und das Abwälzen der Rettung auf das weiße Schaf der Familie ist gut vorbereitet worden. Die Idee mit den Todsünden, die nach und nach im Keller ihres zweiten Standbeines erwachen, ist über die letzten Abenteuer ausgesprochen unterhaltsam und abwechslungsreich erzählt worden. Dieser Subplot fließt auch in „Der Alchimist“ ein, wobei Borner der inzwischen frustrierten Coco Zamis eine endgültige Lösung verweigert.

Zusammengefasst präsentiert sich das immerhin schon neunundvierzigste Abenteuer einer jungen Hexe mit einem herausragenden und einem eher durchschnittlichen, aber die roten Fäden aus der ersten Hälfte solide abschließenden Teil. Es wäre schön, wenn dieses qualitative, weniger von den Autoren als dem ambivalenten Expose verursachte Gefälle in den kommenden Doppelbänden etwas mehr geglättet werden könnte.

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Taschenbuch, 196 Seiten

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