Heliosphere 2265- Band 3 "Enthüllungen"

Andreas Suchanek

Der dritte und darauf aufbauend vierte Roman der "Heliosphere 2265" gehören nicht nur zu den bisher besten Arbeiten der Serie, sondern zeigen nachdrücklich, wie sehr Autor Andreas Suchanek seine Leser in vielen Teilen in den ersten beiden Büchern an der Nase herumgeführt. Bis auf den Captain Jayden Cross gibt es keine Figur, über die nicht ein Schatten aus der jüngsten Vergangenheit fehlt oder die nicht so ist, wie sie sein sollte. Das dabei insbesondere im Auftaktroman auch mit Klischees gearbeitet worden ist, die jetzt stark relativiert werden, erhöht die Tiefe, welche mit "Heliosphere 2265" angestrebt wird. Die "Außerirdischen" treten im dritten und vierten Teil mehr in den Hintergrund und die Handlung konzentriert sich auf die paranoiden Grabenkämpfe innerhalb des irdischen Militärs, deren erstes Ziel ein Machtwechsel und deren zweiter Ansatz ein Krieg gegen die Parliden ist. Nachdem im zweiten Roman mittels eines Handstreichs und der Scharmützel  ein weiteres Teilstück des Fraktals geborgen werden konnte, droht von unbekannter Seite ein anscheinend lange vorbereiteter Angriff auf die Raumstation NOVA, zu der die HYPERION unterwegs ist, um ihre Ladung zu überbringen. Mit dem Kampf nicht nur um NOVA, sondern auch über dem bewohnten Planeten gelingt Andreas Suchanek ein Höheppunkt der Serie. Die Auseinandersetzung ist brutal und kriegstechnisch ausgesprochen interessant beschrieben. Vor allem wenn der Leser fragmentarisch weitere Hintergründe im anschließenden Roman erfährt. Die Angreifer werden gesichtslos beschrieben, ihre Raumschiffe sind mit natürlichen Schutzschilden versehen und ihre Angreifsweise rücksichtslos, wobei Fragen hinsichtlich ihre wahren Ziele oder der Möglichkeit, zusätzlich Spuren zu vertuschen übrig bleiben. Vielleicht wirkt die Kamikaza Attacke des deutschstämmigen Offiziers am Ende der Schlacht ein wenig übertrieben, aber angesichts der ersten Niederlage der HYPERION - Taktiker könnten mit Wohlwollen noch von einem Pyrrhussieg sprechen - relativiert der Autor mögliche "Star Trek" Anspielungen und lässt den Leser in einer immer dunkler werdenden Zukunft ankommen. In der anscheinend nicht der Außerirdische der größte Feind des Menschen ist, sondern wie so oft, die Machtgier Einzelner die Interessen Vieler zu korrumpieren suchen.

Die militärische Auseinandersetzung ist vielleicht der spektakulärste Aspekt dieses Romans, der Konflikt zwischen den Falken und Tauben ohne Frage der lesenswerteste. Zu Beginn offenbart Admiral Michalew der Präsidentin die Geheimnisse der Parliden.  Was auf den ersten Blick in doppelter Hinsicht wie ein Schock wirken soll, wird im Verlauf des Plots nicht nur relativiert, sondern zynisch von interessierten Gruppen zu einem Werkzeug, um die eigene Position zu stärken.  Mit dieser Offenbarung beginnt die Verschwörungshandlung sehr viel interessanter zu werden. Der Leser muss sich zwar fragen, ob auf der einen Seiten ein Langzeitplan, der mindestens dreißig Jahre umfasst, wirklich so punktuell perfekt umgesetzt werden kann, damit eine Reaktion auf gegenwärtige, fast spontan erscheinende Bedrohungen möglich ist oder ob der Autor über das Ziel hinausschießt. Auf jeden Fall wird die Besatzung der HYPERION indirekt mit in die Ereignisse hineingezogen und die Suche nach einem oder mehreren Verrätern nimmt Fahrt auf. Wenn Andreas Suchanek am Ende des vorliegenden dritten Romans die Facetten im Grunde um 180 Grad verschiebt und aus Schurken zumindest keine Helden, aber weitere Opfer macht, dann provoziert und überrascht er die Leser. Wenn zusätzlich die Information gestreut wird, das insbesondere auch an Bord der HYPERION der Jäger jederzeit zu einem "Gejagten" und damit Opfer werden kann, dann erhöht das den Paranoiagrad, denn Cross ist inzwischen nur noch ein Opfer der Umstände und kann sich auf niemanden verlassen.

Wie subversiv der Autor im vorliegenden Roman vorgeht, zeigt die Tatsache, dass selbst die Personalakten der einzelnen Offiziere "verändert" worden sind. Nicht nur um sich an unliebsamen Untergebenen zu rächen, sondern um gänzlich andere Ziele anzustreben, die bislang eher im Hintergrund keine Rolle gespielt haben. Natürlich droht sich der Autor bei den zahlreichen Querverweisen, unterschiedlichen Motiven, Verdächtigungen - da jeder der Protagonisten ein Geheimnis mit sich trägt, ist er irgendwie oder irgendwo für irgendetwas auch schuldig - sowie Entlarvungen und Bedrohungen fast zu verlieren, aber insbesondere im ambitionierten dritten Band "Enthüllungen" - der Titel trifft höchstens auf fünfzig Prozent der Handlung zu, die andere Hälfte besteht aus weiteren Verschleierungen - zieht Andreas Suchanek alle Register und vertieft nicht immer positiv, aber interessant und nachvollziehbar die Charakterisierung seiner wichtigsten Figuren, bis der Leser ahnt, dass es bei der Entlarvung des Verräters eine von Beginn an sympathische Figur treffen kann und treffen wird. Wenn sich am Ende selbst Cross oder Ishida hinterfragen müssen, dann zeigt es die Geschwindigkeit, mit welcher sich die Paranoia unter einer neuen und wahrscheinlich unter fragwürdigen Bedingungen zusammengestellten Crew  insbesondere an Bord der HYPERION ausbreitet, die am Ende des dritten Romans vielleicht noch mehr als im folgenden Abenteuer zu einem Spielball nicht kontrollierbarer Mächte geworden ist.        

Am Ende von „Enthüllungen“ ist bis auf Cross als Kommandant der HYPERION nichts mehr so wie im ersten Roman vorausgesagt. Bei einer neuen Serie kann diese komplette Dekonstruktion des Szenarios irritieren, zumal vordergründig die Handlungsebene mit dem Fraktal und seiner zerstörerischen Kraft – das erste Teilstück hat  Giftstoffe ausgesondert, welche die Menschen und wahrscheinlich andere Wesen wahnsinnig werden lassen, bevor sie qualvoll sterben -  nicht vorangetrieben, sondern durch den brutalen Diebstahl fast wieder auf null zurückgesetzt wird. Das zwischenmenschliche Misstrauen an Bord der HYPERION spiegelt sich in der groß angelegten Auseinandersetzung auf der Erde wieder. Diese Dualität ist interessant, da wie schon angesprochen Andreas Suchanek sehr viel Freude daran hat, den Leser aufgrund von immer wieder aus dem Nichts heraus eingestreuten Variationen zu verwirren. Auf der anderen Seite schultert der Autor auch eine schwierige Aufgabe, denn bislang haben die über Jahrzehnte entwickelten Pläne mit überraschenden Marionetten und perfiden Puppenspielern trotz neuer Aspekte und eigentlich nicht vorhersehbaren Komponenten fast zu gut funktioniert als das sie glaubwürdig erscheinen. Wer bei der Lektüre des ersten Bandes noch an eine Mischung aus „Star Trek“ und „Sternenfaust“ gedacht hat, muss den Bogen weiter schlagen und Willy Voltzs „Weltraumteam“ – stimmungstechnisch spätestens mit dem nächsten Roman“ ebenfalls in Betracht ziehen. Qualitativ bislang das beste Abenteuer und von Andreas Suchanek geschickt und variabel erzählt.  

Heliosphere 2265 - Band 3: Enthüllungen
von Andreas Suchanek
(Cover: Arndt Drechsler, Innenillustrationen: Anja Dreher)

E-Book (97Seiten), 2,49 Euro
Taschenbuch (2 Romane, ca. 250 Seiten), 9,90 Euro