Heliospehere 2265- Band 5 "Im Zentrum der Gewalten"

Andreas Suchanek

Mit "Im Zentrum der Gewalten" ist der fünfte Teil der "Heliosphere 2265" Reihe. Im Gegensatz zu den Verschwörungsthemen der letzten beiden Ausgaben erweitert Andreas Suchanek das Spektrum wieder um die Fraktalhandlung. Beide Spannungsbögen stecken voll weiterreichender Informationen, dem Autoren gelingt es aber zu wenig, das Tempo, die Dynamik und vor allem die paranoiden Wendungen aufrecht zu erhalten. Die Nebenhandlung betrifft die ehemalige Bordärztin der "Hyperion" Doktor Petrova, die von Sjöbergs Männern verhaftet dessen Frau vom Parlidenpanzer befreien soll. Sollte sie scheitern, droht ihr wie allen Verrätern die Hinrichtung. Sollte sie Erfolg haben, könnte sie zumindest abgeschoben auf einem Gefängnisplaneten weiterleben. In einem der voran gegangenen Bände hat Sjöberg gesagt, dass die Heirat mit seiner Frau eine Zweckehe gewesen ist und das er nicht viel wert darauf legt, sie wieder in den Armen zu halten. Daher wirkt seine Initiative zusammen mit dem ihm devot ergebenen Arzt nicht schlüssig genug. Immerhin könnte ein sehr langer Schatten aus der Vergangenheit wieder erweckt werden. Andreas Suchanek beschreibt zumindest die Ängste der Ärztin bin ins kleinste Detail. Da ihr ehemaliger Chef inzwischen ja auch weniger Täter denn Opfer geworden ist, wirkt ihre Verzweifelung überzeugender. Sjöberg versucht auch indirekt weiterhin die Kontrolle zu behalten, in dem er unbewußt in einer weiteren Schlüsselszene des Romans potentielle Zeugen "ausschaltet". Aus dieser Idee macht der Autor zu wenig, da die entsprechende Informationen in einer anderen Szene direkt an den Kommandanten der "Hyperion" aus einer von Sjöberg erstens nicht zu kontrollierenden und zweitens nicht ganz überzeugend ihm vorenthaltenen Quelle fließen. In diesen Szenen agiert der Autor zu stark konstruktiv und steht sich in einigen spannungstechnisch wichtigen Szenen selbst im Wege. Auf der Sjöberg Handlungsebene hält der Autor allerdings noch einen interessanten Cliffhangar bereit, der aber insbesondere in einer fortlaufenden Serie mehr Schein als Sein ist.

 

Sehr viel interessanter ist der Handlungsbogen mit einer weiteren Mission der "Hyperion". Nicht nur, dass die Leser endlich die Bedeutung des Begriffs "Heliosphere" - in einem engen Zusammenhang mit der Erde - erfahren, sondern es wird der Bogen zur allerersten Mission des "Hyperion" geschlagen.  Die "Hyperion" wird in das Titelgebende "Zentrum der Gewalten" geschickt, eine Zone, die für normale Raumschiffe nicht erreichbar ist. In einer ähnlichen Zone haben sie im ersten Roman das Fraktal gefunden. Mit ihrem einzigartigen Antrieb kann die "Hyperion" die Barriere durchdringen und ein Begleitfahrzeug ausschicken.  Was eine normale Rettungsmission sein sollte, wird zu einem Verräterspiel auf deutlich kleinerer Ebene.

Aus der "Orion" Reihe kommt dem Leser ohne Frage die Idee des Aufpassers bekannt vor. Im Gegensatz allerdings zu den exzentrischen Charakteren des schnellen Raumkreuzers "Orion", die immer wieder gegen alle Disziplinen verstossen, gehört der neue Aufpasser Christopher Johnston zu den willigen Helfern Sjöbergs, der wie alle Dikatoren die komplette Macht anstrebt. Dabei untersteht er in der Theorie dem Kommando Cross, beginnt aber auf eigene Faust seine subversive Tätigkeit. Johnston kann auch die genetisch gezüchteten Alphas unter seiner Kontrolle bringen. Hier liegt auch eine der konzeptionellen Schwächen der Serie. Die emotionslosen Alphas als Sicherheitschefs sind zu wenig autark, um in Notfallsituationen einen wichtigen Unterschied zu machen. Jonston zeigt, wie er - aus seiner Sicht - ein wichtiges Bindeglied mundtot macht. Seine zweite Aufgabe ist, nicht loyale Offiziere an Bord der "Hyperion" ausfindig zu machen. Diese Idee wirkt auch ein wenig mit heißer Nadel gestrickt, da Sjöberg selbst durch geschickte Platzierung auf Listen "seine" Kandidaten durch gebracht, die ihm alle wegen der Beförderung auf das Prestigeschiff der Flotte dankbar sein müßten. Von Alpha 365s Beobachtung kann er nicht wissen. Am Ende des Romans mit seinem dunklen Cliffhangar wird Johnstons Aufgabe wieder negiert, denn Sjöberg interessiert sich wenig für die Ergebnisse, sondern entscheidet über die Zukunft zahlreicher Menschen nach Gutdünken. Ohne Frage hat Andreas Suchanek versucht, die beiden überdurchschnittlichen Verschwörungsthriller der Serie "Enthüllungen" und "Das Gesicht des Verrats" zu übertreffen. Das ist ihm allerdings nicht gelungen.

Viel interessanter, wenn auch nicht weniger sperrig ist die Ebene um das Fraktal. Cross begegnet wieder einer "Verräterin" seiner Mannschaft und den Fremden, die ihm bei der Schlacht um die "Nova" Station einen Pyrrhussieg bescherrt haben. Der Leser erfährt auf Augenhöhe mit Cross weitere Informationen über die Fremden. Sie haben sowohl mit den Parliden zu tun als auch der Zukunft der Menschheit. Einige der hier präsentierten Ideen inklusiv der verschiedenen Interessenkonflikte der Fremden wirken nicht unbekannt. Bunt wird aus verschiedenen Serien gemischt. Die Fremden stehen unter einem besonderen Druck, bestimmte Systeme anzugreifen und zu besetzen. Eine andere Gruppe will den Menschen helfen. Das inzwischen gigantische Fraktal hat in der ersten Folge schon bewiesen, über welche "Fähigkeiten" dieser künstliche Flugkörper verfügt. Sie erinnern ein wenig an die Unbesiegbarkeit der Borgs. Der "Abgesandte" verhält sich Cross und seinen Leuten gegenüber wieder aufklärerisch arrogant und hält sie mit Informationen einmal auf dem Laufenden, dann wieder auf Distanz. Es bleiben - positiv für die ganze Serie - sehr viele Fragen offen und trotz der bekannten Prämissen bemüht sich der Autor, die Spannung aufrecht zu erhalten. Aber zum ersten Mal in dieser Serie hat der Leser auch das Gefühl, als tanze Andreas Suchanek auf zu vielen Hochzeiten. Das potentielle Zerreiben zwischen zwei extremen Fronten ist ohne Frage interessant und lesenswert, es wirkt aber auch ermüdend. Zumal sich überall inzwischen Verräter als verschiedener Herren Diener tummeln und die Sabotageakte sich plötzlich zu häufen beginnen.    

Für das ganze Universum positiv bemüht sich der Autor, den Nebenfiguren - in diesem Fall neben Doktor Petrova noch Lieutnant Peter Task - mehr Tiefe zu geben. Dabei stellt er nicht immer einen Protagonisten in den Mittelpunkt einer abgeschlossenen Handlung, so variiert geschickt den Informationsfluss. Entweder aktiv durch gut geschriebene Dialoge oder passiv durch die zynische Eingruppierung und Vorverurteilung insbesondere Sjöbergs und seiner Leute. Nach dem hohen Tempo der ersten vier Romane ist "Im Zentrum der Gewalten" ein Zwischenband, in dem die universelle Position der unterschiedlichen Gruppierungen verfestigt und vor allem viele Hintergrundinformationen nachgeholt werden, deren Wahrheitsgehalt der Leser aber nach der Lektüre dieses Romans wie Commander Cross selbst nicht beurteilen kann.    

 

Heliosphere 2265 - Band 5: Im Zentrum der Gewalten
von Andreas Suchanek
(Cover: Arndt Drechsler, Innenillustrationen: Anja Dreher)

E-Book (114 Seiten), 2,49 Euro
Taschenbuch (2 Romane, ca. 250 Seiten), 9,90 Euro