James Bond 2: Eidolon

James Bond 2, Splitter Verlag, Titelbild
Warren Ellis

Mit "Eidolon" legt der Splitter Verlag den zweiten und bislang letzten Sechsteiler aus der Feder Warren Ellis vor. Während "Vagr" vor allem im letzten Drittel des Plots unnötig kompliziert trotz vor allem exotischer und für die Serie ungewöhnlicher Schauplätze gewesen ist, überzeugt "Eidolon" deutlich mehr. Allerdings muss sich Warren Ellis abschließend auch den Vorwurf gefallen lassen, dass weniger mehr gewesen wäre. Wieder ein Anschlag - mit einem Ziel, das in der Kinoserie auch schon ausgesucht worden ist - mit einer Rettung in letzter Sekunde. Angesichts der Ideen hinter dem umfangreichen wie perfiden Plot, mit dem die ausgeschaltete SPECTRE Organisation mit Schläfer Zellen wieder an die Macht kommen will, wirkt diese Rückkehr zu den Wurzeln der alten Serie - siehe "Goldfinger", "Octopussy" oder "Moonraker" - antiquiert und ein wenig nachgeschoben. Sie ist vor allem  angesichts des Potentials im mittleren Abschnitt dieses über weite Strecken modernen und trotzdem strukturell eher an Ian Flemings Geschichten angelehnten Stoffes unnötig.

 Warren Ellis plündert allerdings auch erkennbar die Ideenkiste der Daniel Craig Ära. Die Idee eines "Helden", der sich gegen sein Vaterland stellt, stammt aus "Skyfall". In beiden Fällen handelt es sich um ehemalige Agenten / Söldner des britischen Imperiums, die verrückt geworden sind. In beiden Geschichten wollen sie sich auch indirekt am MI 6 und dessen Vorgesetzten rächen. Nur geht Ellis einen Schritt weiter, in dem er seinen von Beginn an im Prolog erkennbaren Schurken verstümmelt darstellt.  Auch das ist eine Tradition, die dank des Jokers aus "Batman" oder die zahllosen James Bond Feinde hinreichend bekannt ist. Warren Ellis kann keine weitere Dimension hinzufügen. Zu Beginn scheint James Bond neuer Feind nur ein wichtiger Handlanger im Spiel von SPECTRE zu sein, am Ende ist er irgendwie  weniger Boss dieser Schläferzelle, sondern kann alleine entscheiden und zerstört mit seiner Vorgehensweise im Grunde bei einer erfolgreichen Ausführung alle Pläne von "Eidolon". Der Zusammenhang mit SPECTRE wird zumindest von Warren Ellis gut vor den Lesern versteckt.

 Interessant ist, dass Warren Ellis den Retroversuch mit einer auch in den sechziger Jahren spielenden Handlung aus „Vargr“ fallen gelassen hat.  Im Prolog erfährt der Leser, dass es um geheime Geldströme geht, die anscheinend den Terror finanzieren. Ein Banker macht Fehler und wird umgehend Fehler und wird umgehend bestraft.

James Bonds eigentliche Mission ist, eine Agentin aus Los Angeles und der türkischen Botschaft herauszuholen. Sie arbeitet in der Buchhaltung und ihr sind die ungewöhnlichen Geldströme aufgefallen. Am Flughafen wird  James Bond von seinem Freund Felix Leiter in Empfang genommen. Wie ein roter Faden wird sich durch die Handlung ziehen, wo und welche Waffen die Agenten im Ausland und Inland tragen dürfen oder nicht. Diese Diskussion wirkt durch die ständigen Wiederholungen ermüdend. Natürlich ist auch ein großer Schuss politischer Satire dabei, wenn die Agenten mit der Doppelnull vor allem in Großbritannien nicht mehr bewaffnet vor die Tür gehen dürfen. Auf der anderen Seite ist es kontraproduktiv, da in der Gegenwart ja selbst die berühmten Bobbys inzwischen Waffen tragen und lässt den Text politisch eher in die frühen neunziger Jahre lange vor jeglichen terroristisch islamischen Drohungen zurückfallen.

 Angesichts der von Warren Ellis aufgefahrenen Bedrohungen scheint es sich auch eher um einen dialogtechnischen Sturm im Wasserglas zu handeln.  Kaum hat er die junge Frau gefunden, greifen schon unbekannte Attentäter an.

Zu Warren Ellis Stärken in Kombination mit en Zeichnern Jason Masters und Dom Raerdon gehören die Actionszenen, die über mehrere Seiten großformatig ohne Dialoge auskommen.  Die Verfolgungsjagd in Los Angeles ist nur eine von insgesamt drei sehr brutalen Sequenzen. Eine spielt in einem geheimen Lager der britischen Regierung, das extra für die Zeit nach dem Atomkrieg mit der Dampfmaschine als modernste technische Erfindung eingerichtet worden ist. Die abschließende Sequenz in den Straßen Londons. Teilweise erinnert sie an die Anschläge des ISIS mit den wild gewordenen LKWs.  Dazwischen steht ein Schusswechsel, der allerdings auch bemüht erscheint. Die Guten hinterlassen den Eindruck, naiv in eine Falle der Agenten zu laufen, aus der sie sich allerdings nicht dank überzeugender Planung, sondern nur mit viel Glück retten können. Angesichts des hohen Risikos vor allem von sehr wichtigen Regierungsbeamten nur ein solider Mittelabschnitt.

Wichtig ist, dass Warren Ellis wie die Daniel Craig James Bond und weniger die Romane, in denen die Plots absichtlich wieder in die Zeit des Kalten Kriegs zurück verlegt werden, es geschafft hat, James Bond mit dieser zweiten Miniserie an die Gegenwart anzupassen. Geldwäsche, das Dark Net, verschlüsselte Transaktionen und schließlich Schläferzellen in allen wichtigsten Geheimdienstzentralen sind moderne Themen, die immer wieder interessant und vielschichtig, durchaus nuanciert und nicht mit dem Holzhammer präsentiert werden.  Natürlich braucht diese Art des Computerkrieges trotz aller Beteuerungen der verschiedenen, gegeneinander arbeitenden vor allem britischen Geheimdienstinstanzen – MI 5 und MI 6 scheinen sind insbesondere nicht grün zu sein – einen Mann fürs Grobe. Das ist in diesem Fall James Bond, der auch eiskalt wie in Ian Flemings Romanen und weniger den Filmen seine Aufträge ganz zu Ende bringt und keine Gefangenen macht. Dabei ist er sich auch nicht schade, wie die letzte Seite zeigt, zu Lügen zu greifen. 

Auch im Zusammenspiel mit den Frauen erscheint Warren Ellis Bond moderner. So ist die Buchhalterin ein stilles Wasser, das am liebsten mit ihren Utensilien – sie liegen in London – zusammen Sex hat. An einer anderen Stelle ist es eine weibliche „James Bond“ Agentin, welche dem Mann mit der Lizenz zum Töten den Plan erläutert, den sie gemeinsam umsetzen wollen. Die typischen One-Liner gehören allerdings wie schon bei „Vargr“ angedeutet in erster Linie den Frauen, die bei Warren Ellis attraktiv, aber keine klassischen Modelltypen sind.

James Bond ist nicht nur der Charmeur, der allerdings von dem neuen Regelwerk angewidert ist. Er ist auch die eiskalte Tötungsmaschine, die instinktiv reagiert und seine Missionen auch gegen alle Widerstände zu Ende führt. In dieser Hinsicht ist die zweite Miniserie deutlich besser gelungen als „Vargr“, in dessen Verlauf James Bond zu passiv auf Informationen reagierte, die ihm zugespielt worden sind. Natürlich ist James Bond kein klassischer Detektiv, aber die besten James Bond Geschichten funktionieren mit einer klar umrissenen Mission, aus der sich schließlich die “Weltbedrohungslage“ entwickelt.

Neben James Bond verfügen sowohl „M“ zwischen den bürokratischen Mühlen sowie „Miss Moneypenny“ über sehr aktive Rollen. Vor allem Ms Sekretärin zeigt, dass sie keinen ausschließlichen Schreibtischjob übernommen hat.

Während der mit seinem verunstalteten Gesicht ausgestattete Antagonist eher den entsprechenden Schablonen entspricht und somit eine plottechnisch theoretische Gefahr ausstrahlt, sind es die verschiedenen sehr ungewöhnlichen Schauplätze, welche „Eidolon“ zu einem kurzweiligen, tempotechnisch rasanten und zeichnerisch dank Panelvariationen von klein bis groß, von Panorama-  bis Portraitperspektive mit dunklen, eher satten Farben auch überzeugenden Lesevergnügen machen.  Mit der zweiten Miniserie – sie umfasst die Hefte sieben bis zwölf – ist Warren Ellis ein zufriedenstellender Zugriff auf James Bond und seine archaisch primitive, für das Überleben der westlichen Zivilisation aber auch so wichtige Welt gelungen.       

Autor

Warren Ellis, Ian Fleming
ZeichnerJason Masters
ÜbersetzerBernd Kronsbein
EinbandHardcover, Bookformat
Seiten152
Band2 von X
Lieferzeit3-5 Werktage
ISBN978-3-95839-397-4
Kategorie: