Durango Gesamtausgabe Band 1

Durango Gesamtausgabe Band 1, Titelbild, Rezension
Yves Swolfe

Mit „Jennie“ (Durango 17) hat der Splitter Verlag die Herausgabe von Yves Swolfs inzwischen seit fast dreißig Jahren laufender Western Serie übernommen. Um alle Alben in einem vergleichbaren Gewand zu präsentieren, hat der Splitter Verlag wie bei einigen anderen Reihen parallel mit den ersten drei Alben - in einem repräsentativen Hardcover zusammengefasst - eine Gesamtausgabe gestartet.

Es ist schade, dass das Hardcover kein einführendes Vorwort umfasst. Alleine die Publikationsgeschichte dieser Serie in Deutschland mit mehreren Verlagen ist einen Artikel wert. Hinzu kommt, dass im Gegensatz zu vielen anderen klassischen Western Comic Serien wie „Leutnant Blueberry“ oder „Comanche“ oder „Ringo“  Yves Swolfs von Beginn an auf den Italo Western gesetzt hat. Die anderen Serie haben im Laufe ihrer langen Publikationsgeschichten auch immer wieder Elemente des europäischen Western in ihre Handlungsverläufe eingebaut, die Wurzeln sind aber immer amerikanisch gewesen.

Dabei muss sich Yes Swolfs immer wieder bei einzelnen Geschichte weiterhin allerdings auch den Vorwurf gefallen lassen, mehr als ein Element aus den bekannten Klassikern entlehnt und zu wenig modernisiert zu haben. Wer die ersten drei Geschichten „Hunde heulen im Winter“, „Gewalt aus Angst geboren“ und schließlich „Eine Falle für einen Killer“ nur auf solche Hinweise untersucht, wird neben den Ähnlichkeiten zu Klaus Kinski, Lee van Cleef oder James Coburn auch handlungstechnische Übereinstimmungen zu manchem bekannten oder vielleicht heute inzwischen wieder unbekannten Kinowestern findet. So präsentiert sich die erste Geschichte hintergrundtechnisch als eine Hommage an Corbuccis im tiefsten Winter spielenden „Leichen pflastern seinen Weg“. „Eine Falle für einen Killer“ könnte auch eine Variation der Haupthandlung von „Spiel mir das Lied vom Tod“ sein. Die Verletzung Durangos in „Hunde heulen im Winter“ ist eine Mischung aus den Wunden, die in „Leichen pflastern seinen Weg“ dem großen Schweiger zugefügt werden und natürlich „Django“, wobei es sich bei Yves Swolfs um eine Schussverletzung und keine Folter durch die Schurken handelt.

Auch die zugrunde liegenden originären Spannungsbögen könnten kritisch gesprochen in den ersten Geschichten zu wenig variabel erscheinen, wobei ohne Frage das Genre selbst den Autoren und Zeichner auch einschränkt.

Das verbindende Glied der drei Geschichten ist, dass Durango in der ersten Story um Hilfte gebeten wird, in der dritten Geschichte einen Auftrag erhält. Er ist ein Revolvermann mit Ehre, was ihn von den italienischen Kollegen des Kinos deutlicher unterscheidet. Sein Spitzname ist „Friedensstifter“. Er tötet nur Menschen, die es verdient haben. Er schießt nicht aus dem Hinterhalt und vor allem ist er nicht käuflich. Wenn er einen Auftrag übernommen hat, führt er ihn in den ersten Geschichten konsequent zu Ende. Höheren Geboten der anderen Seite gegenüber ist er immun. Er später im Verlaufe der Serie wird Yves Swolfs diesen Ansatz ein wenig verändern. Durango wird auch von Schurken angeheuert, was die ursprüngliche Vereinbarung nichtig macht.

In „Hunde heulen im Winter“ wird Durango von einem Freund gebeten, ihm zu Hilfe zu kommen. Er lebt in einem kleinen Tal, in dem ein Großgrundbesitzer mit einer Bande die freien Viehrancher tyrannisiert und mit brutalen Methoden vertreibt. Als Durango in dem Tal eintrifft, ist sein Freund mit seiner Familie schon seit einigen Monaten tot. Yves Swolfs impliziert an einer Stelle, dass es sich sogar um einen Familienangehörigen handeln könnte. Mit stoischer Miene beginnt Durango gegen die Initiator der Verbrechen und seine Bande vorzugehen.

Dabei gerät er aus Naivität in eine geschickt gestellte Falle. Die Verbrecher durchschießen absichtlich seine Schusshand und lassen ihn mit leichter Bewaffnung zurück. In der finalen Auseinandersetzung hilft es ihnen natürlich nicht.

Die zweite Geschichte „Gewalt aus Angst geboren“ schließt inhaltlich direkt an das erste Album an. Durango versteckt sich wegen seiner Verletzungen bei einem Freund. Sie bewohnen eine friedliche Siedlung, deren soziale Struktur Yves Swolfs nach dem Vorbild der Mormonen strukturiert hat.

Auf der Parallelhandlungsebene erfährt der Leser von einem brutalen Überfall einiger Banditen, der durchaus Sam Peckinpahs Auftaktsequenz in „The Wild Bunch“ nach empfunden sein könnte. Die Banditen teilen sie auf. Während eine Gruppe sich in der kleinen Siedlung versteckt, versuchen drei Männer, von Durangos Freund ein Pferd kostenlos zu erwerben. Sie erschießen ihn und werden umgehend vom immer noch verletzten, eine Schrottflinte nutzenden Durango erschossen. Es ist kein Zufall, dass es schließlich in der kleinen Siedlung zu einer finalen Auseinandersetzung kommt, nachdem ein 16 jähriges Mädchen einen der Banditen aus Notwehr mit einer Schere schwer verletzt hat, als er es vergewaltigen wollte.

Yves Swolf scheint sich bis zu einem bestimmten Grad in dieser Geschichte zusätzlich zu den Italo Western auch „High Noon“ zum Vorbild genommen zu haben. Die Siedler sind so sehr von ihrem Pazifismus überzeugt, dass sie selbst gleich zu Beginn der Geschichte den verletzten Durango zur Weiterreise drängen wollen. Später ist er ihre einzige Hoffnung, gegen die Banditen zu bestehen. Im Gegensatz allerdings zu „High Noon“ ist es nicht Durango alleine, der den Widerstand organisiert. Einige wenige Männer mit Waffen helfen ihm unter seiner Anleitung. Dadurch relativiert der Autor und Zeichner einige Aspekte ihrer Religion und zeigt auf, dass das Bestehen auf den eigenen Prinzipien alleine nur in den Tod führt.

In dieser zweiten "Durango" Geschichte geht Yves Swolfs sogar einen Schritt weiter. Er erweitert das Spektrum um eine Schar von Freischärlern, die in den Bergen leben und denen es nach Durangos Tip gelingt, das Haus des Erzschurken zu überfallen und ihn zu blenden. Die finale Auseinandersetzung findet im Grunde gänzlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit hat. Die Farmer haben mehr Angst vor den übergebliebenen Handlangers des Erzschurken als die religiöse Gemeinde. Es ist aber kein Wunder, dass Durango nicht unbedingt ein klassischer Antiheld von dieser Art der Bürgerlichkeit angewidert ist und die Gemeinde genauso schnell verlässt wie in „Gewalt aus Angst geboren“.

Von der grundlegenden Struktur her verfügt die letzte Geschichte dieses Sammelbandes „Eine Falle für den Killer“ über den besten Plot. Durango wird in ein Tal gerufen, in dem zwei reiche Männer alle Mienenkonzessionen unter sich aufgeteilt haben. Bevor er überhaupt seinen Auftraggeber persönlich trifft, wird er betäubt und findet sich in seiner Kammer wieder. Die Leiche seines Auftraggebers liegt auf dem Boden. Er wird als Mörder verhaftet. Nach seiner Flucht kann er der Witwe gegen eine Handvoll Banditen helfen, die sie auf dem Grab ihres Mannes vergewaltigen und anschließend töten wollen. Es entspinnt sich nicht nur ein Konflikt zwischen dem überlebenden zweiten Mienenbesitzer und potentiellen Bürgermeister, sondern auch zwischen dem korrupten Gesetz und Durango. In der finalen Auseinandersetzung führt Yves Swolfs sogar ein drittes Element, einen weitere Auftragsmörder ein, dem bislang der Konflikt zwischen den beiden Männern in die Hände gespielt hat.

Wie in „Spiel mir das Lied vom Tod“ ist eine Frau zwischen den Fronten alleine. Wie in dem Sergio Leone Western sind es ihre Konzessionen und Grundbuchurkunden, welche einen unschätzbaren Wert darstellen. Wie in dem bekannten Western, ist sie nicht nur ein Bauernopfer, sondern versucht auch zu ihren Gunsten Einfluss auf beiden Seiten zu nehmen.

Die Geschichte ist nicht nur temporeich erzählt, der Autor isoliert seinen Charakter. Während er in den ersten beiden Alben als Auftragskiller und Revolvermann zwar sozial auf sich alleine gestellt ist, aber doch als Hoffnungsträger wahrgenommen wird, ist er in der letzten Geschichte ein gesuchter Verbrecher, der auch über diesen Handlungsbogen hinaus vom Gesetz gejagt werden kann. Der Plot baut sich weniger stringent auf. Die Zusammenhänge sind bis ins letzte Drittel der Story klar zu erkennen, bevor wie angedeutet eine weitere Handlungsebene kurzzeitig, aber ausgesprochen effektiv eingebaut wird.

Zu Beginn der Geschichte erhält Durango mit der Mauser Automatik eine Waffe, die sein Handycap ausgleicht. Aufgrund der Schussverletzungen aus der Auftaktgeschichte kann er nicht mehr mit seiner rechten Hand einen Colt ziehen und abdrücken. Er muss lernen, mit der linken Hand zu kämpfen. Auch hier nimmt sich Yves Swolfe bildtechnisch ein wenig Zeit, damit Durango dieses Handycap ausgleichen kann.

„ Eine Falle für den Killer“ nutzt weniger als die ersten beiden Alben die Elemente des Italo Western, auch wenn der im Hintergrund agierende zweite Revolvermann Fans des Subgenres durchaus „bekannt“ vorkommt. Nur die Ausgangslage erinnert an „Spiel mir das Lied vom Tod“. Vor diesem Szenario entwickelt der Autor dann eine sehr eigenständige Geschichte, auch wenn die Auseinandersetzung gegen eine kleine Gruppe von Schurken – dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um echte Gangster wie im zweiten Album handelt oder um machthungrige Kapitalisten frühster Ausprägung – überwiegend im Alleingang nicht selten mit der Hilfe von attraktiven, wie entschlossenen Frauen einen roten Faden durch alle Alben bildet.

In Hinblick auf seine Zeichnungen hat Yves Swolfs die Stimmung der brutalen Spätwestern nicht nur in den eindrucksvollen Landschaftsbildern sehr gut getroffen. Auch wenn die erste Geschichte im vom Schnee bedeckten Wyoming spielt, erhält der Betrachter einen Eindruck von der Weite des Landes. Die Gesichter sind sehr gut getroffen und der Zeichner Swolfs verleiht ihnen auch sehr individuelle Züge. Swolf orientiert sich noch an Möbius und Hermanns Westerngeschichten. Es herrschen vor allem in den Häusern braune Grundtöne vor, während Swolf bei den in der Natur spielenden Szenen durchaus auch mal auf Gegenperspektive mit einer vom Himmel brennenden Sonne Wert legt und bei den Duellszenen die zahlreichen Vorlagen aus dem Kino effektiv in großformatige, aber doch intim erscheinende Bilder umsetzt.

Die Gesamtausgabe ermöglicht auch eine weniger kritische, sondern angesichts der Tiefe des ganzen Epos auch relativierende Form der Betrachtung. Die Wurzeln, die Inspirationen sind klar zu erkennen, aber Yves Swolfs bemüht sich von Beginn an, das bekannte Korsett zu verlassen, originale Elemente hinzuzufügen und mit seinem im Grunde doch typischen Helden – und nicht wie in den Italo Western Antihelden – ein eigenständiges Westernepos zu entwickeln.  

Verlag: Splitter
ISBN:978-3-95839-454-4
Einband Hardcover
Seitenzahl 144
Band 1 von X
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