Das Objekt

Das Objekt, Rezension, Cover
John Sandford und Ctein

Mit “Das Objekt” aus der Feder des Thriller Autors John Sandford und Cteins erscheint innerhalb relativ kurzer Zeit der dritte Roman mit der Thematik eines unbekannten Objektes, eines nicht durch die bekannten Wissenschaft erklärbaren Phänomens, das auf der Erde eine Expedition in die Tiefen des Sonnensystems auslöst.  Dabei konnte der deutsche Beitrag „Paradox“ vor allem aufgrund des originellen Aufbaus und verschiedenen miteinander kombinierten Ideen am ehesten überzeugen, während „Die Frequenz“ hinsichtlich des großen unbekannten Flugkörpers nicht ganz überzeugen konnte, aber aufgrund der interessanten und vielschichtig charakterisierten Heldin einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat. „Das Objekt“ ist leider nicht nur in dieser Hinsicht der schwächste Roman, obwohl er anfänglich das größte Potential beinhaltet hat. Zu sehr cineastisch gestaltet  - Weirs „Der Marsianer“ hat diese Schwäche durch eine ausgesprochen dichte Handlung sehr gut ausgeglichen – mit einem langweiligen Mittelteil, der eher aus alte Herren Phantasien besteht, zu klischeehaften gezeichneten Figuren und vor allem einem „Objekt“, das mit seiner Mischung aus Wächter und künstlicher Intelligenz zu wenig originell entwickelt, sondern aus verschiedenen bekannten Aspekten anderer Romane zusammengestellt erscheint.

Ein aus der Perspektive seiner schwerreichen Eltern begnadeter Nichtsnutz entdeckt bei einem sehr langweiligen Job in einem Observatorium, dass sich ein fremder Flugkörper dem Saturn nähert.  Auf der anderen Seite ist er ein dekorierter amerikanischer Kriegsveteran gewesen, der gut aussehend und sportlich auch für einen eher ambivalent beschriebenen Pornokanal gearbeitet hat. Seine Eltern haben ihm jetzt als letzte Chance gegen seinen Willen diesen Job besorgt. Das wirkt nicht nur klischeehaft, sondern passt in diese kontinuierliche Würdigung des amerikanischen Pioniergeistes und indirekt auch zur ständigen Paranoia, welche die USA zumindest innerlich treibt.  Natürlich wollen die Amerikaner es unter den Teppich kehren. Anscheinend gibt es seit vielen Jahren eine Basis in den Ringen des Saturns. Die amerikanische Regierung will unbedingt diese fremde Technologie gegen alle politischen Ratschläge einer globalen Lösung für sich beanspruchen. Die Chinesen planen einen Flug und gleichzeitig eine Besiedelung des Mars. Sie hätten einen zeitlichen und vor allem einen logistischen Vorsprung. 

Innerhalb von zwei Jahren – in dieser Hinsicht ist der Roman eher ambivalent, da anfänglich gemunkelt wird, dieses gigantische Raumschiff könnte auch auf die Erde stürzen und alles Leben auslöschen -  bauen die Amerikaner nicht nur ein entsprechendes Raumschiff,  sie entwickeln auch einen interessanten Antrieb, mit dem sie sich durch einen Bogenflug um die Sonne beschleunigen. Auch keine wirklich neue Idee. Das Ziel ist es, vor den Chinesen am Saturn zu sein. Diese haben inzwischen aufgrund der angeblichen ebenfalls auf den Mars zielenden Expedition der Amerikaner gemerkt, dass etwas im Argen ist und steuern ihr Schiff auch in Richtung Saturn.

Der Roman zerfällt in die üblichen Strukturen. Nach dem nicht überraschenden Paukenschlag mit der Entdeckung des Objekts wird die Expedition vorbereitet. Auf der einen Seite arbeiten die Wissenschaftler und zeigen, wie man mit plötzlich unbegrenzten Mitteln natürlich aus einem entsprechenden Geheimetat ein Raumschiff nicht nur ausrüsten, sondern vor allem auch eine Mannschaft zusammenstellen, die nicht nur aus Wissenschaftlern inklusiv einer alternden Katze; einer erfahrenen Raumschiffcrew sowie dem Entdecker des Objektes und einer Karriere geilen Fernsehjournalisten besteht. Die Autoren bemühen sich zwar, die einzelnen Charaktere individuell zu zeichnen, aber es kommt keine Wärme auf. Während die technischen Passagen wie es sich für moderne Thriller gehört mit Fachbegriffen überflutet werden, aber zumindest sich nachvollziehbar den momentan Stand der Technik nur fünfzig Jahre in die Zukunft extrapolierend gut zu lesen sind, wirken alle Protagonisten holzschnittartig. Die Menschheit scheint sich in dieser Hinsicht in den nächsten fünfzig Jahren nicht weiter zu entwickeln. An Bord des Raumschiffs gibt es eine Sexgruppe – zwei Frauen und nur vier Männer -, die sich regelmäßig trifft. Kein Wunder, dass es Ärger gibt, wenn einer der Männer erst eingeladen und dann wieder ausgeladen wird. Auch die Wette, wann der reiche Nerd und die Journalisten das erste Mal miteinander Sex haben, wird so ausführlich  beschrieben, dass der Leser das Gefühl hat, in einem emotionalen Casino gefangen zu sein. Auch hier fehlt der Höhepunkt. Die Astronautencrew besteht aus einem Disziplin suchenden Kommandanten und seinem kleinen Team, das die üblichen Herausforderungen während eines solchen Jungfernfluges durch Zusammenarbeit und vor allem intensive Fokussierung lösen kann. Später begegnet der Leser auch der chinesischen Crew, die als einzige originelle Idee Papier als „Waffe“ nutzen.   Der Tenor ist überdeutlich. Auch wenn die Amerikaner Egomanen und vor allem Egoisten sind, das fremde „Erbe“ für sich beanspruchen, die Chinesen mit ihrer Hinterhältigkeit und vor allem ihrer naiven und unkontrollierten Vorgehensweise sind viel schlimmer. Die Schlusspointe mit dem plötzlich rebellierenden jungen Entdecker, der aber etwas natürlich in der Hinterhand hält, wirkt so aufgesetzt und konstruiert, dass es dem Leser in dem Augenblick um die verschenkte Zeit leid tut.

Während die Technik überzeugt und die Charaktere eher verhalten vorsichtig  gesprochen langweilig erscheinen, ist die Begegnung mit dem Unbekannten enttäuschend. Auch wenn die Tendenz in Richtung eines Wächters vor dem großen Tor besteht, hat „Paradox“ in dieser Hinsicht mehr Anreize nach Nachdenken geliefert. Die Gespräche mit der künstlichen Intelligenz geben sehr wenige Informationen Preis und die Idee eines Selbstbedienungsladen nur beim Nachweis von entsprechender Intelligenz und einer Bestrafung der dickköpfigen Kinder mit mehr als einhundertvierzig Jahren Besuchsverbotes des Archives erscheinen interessant, werden aber an keiner Stelle wirklich nachhaltig und vor allem auch in alle Richtungen durchdacht extrapoliert. Auch die Idee einer weiteren Basis in den Ringen des Saturns erscheint plötzlich in Vergessenheit zu geraten, so dass der ganze Roman unrund erscheint.   

Zusammengefasst wirkt „Das Objekt“ eher wie ein Drehbuch, das nachträglich nicht immer zufriedenstellend zu einem Roman umgearbeitet worden ist. Die futuristische Welt ist auf der einen Seite der Gegenwart entsprechend gestaltet worden, auf der anderen Seite gibt es einige Extrapolationen vor allem in Richtung mediale Außenwirkung, die interessant erscheinen. Es ist schade, dass viele der Figuren so eindimensional gestaltet und vor allem die wenigen wirklich überzeugenden intensiven Szenen nicht in eine homogenen, von einem gleichbleibenden Tempo bestimmten Handlungsbogen eingebaut worden sind. „Das Objekt“  nutzt die Chance nicht, einer alten und bekannten Idee 

  • Taschenbuch: 576 Seiten
  • Verlag: Piper Taschenbuch (3. April 2017)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3492281303
  • ISBN-13: 978-3492281300
  • Originaltitel: Saturn Run