The Magazine of Fantasy and Science Fiction November/ December 2017

The Mag of Fantasy and SF, 11/12 2017, Rezension
C.C. Finlay (Hrsg.)

Kate Wilhelm ist neben Larry Niven der zweite bekannte Name dieser letzten 2017er Ausgabe. Beide haben ihre ersten Kurzgeschichten in den sechziger Jahren an dieses Magazin verkauft. Kate Wilhelms „Attachments“ gehört auch das Titelbild. Eine junge Frau macht mit ihrer Freundin nicht nur Urlaub in England, sie versucht sich von ihrer Partnerschaft mit einem Kontrollfreak zu erholen. Beim Besuch alter Ruinen wird sie plötzlich krank. Nach New York zurückgekehrt erfährt sie, dass sie sich keine Grippe, sondern zwei Geister mitgebracht hat, denen sie auf ihren unterschiedlichen Missionen helfen soll.

Beginnend mit einer dreidimensionalen, überzeugenden Zeichnung der Protagonistin als auf der einen Seite entschlossene junge Frau, die auf der anderen Seite immer noch das Trauma ihrer Beziehung wie ein Brandmal mit sich trägt und einem im Grunde auf dem Kopf gestellten Geistergeschichtenszenario entfaltet sich eine kurzweilig zu lesende Geschichte. Immer wieder zieht Kate Wilhelm in letzter Sekunde stellvertretend für den Leser ihrer Protagonistin den Boden unter den Füßen weg. Am Ende ist sie nicht nur an Erfahrungen reicher, sondern die Methode, mit welcher Geister gerettet werden, dürfte für das Genre einzigartig sein.

Mit viel Routine und einem Augenzwinkern geschrieben ist „Attachments“ ein sehr überzeugender Auftakt für die letzte Ausgabe des Jahres 2017.

 Larry Niven präsentiert mit „By the Red Giant´s Light” eine der für ihn typischen Geschichten.  Auf dem Pluto beobachten ein intelligenter Roboter und sein menschlicher Aufpasser – er wird immer bei besonderen Ereignissen aus dem Kälteschlaf aufgeweckt – in einer ferneren Zukunft, wie der Merkur von der Sonne verschluckt wird. Aus der Perspektive vor allem des Roboters beschrieben handelt es sich um eine melancholische Story, in welcher die erhaben erscheinende Unendlichkeit des Kosmos in einem starken Kontrast zur kurzen Existenz der Menschheit steht.

 Larry Niven hat eine der beiden im All spielenden Geschichten zu dieser Ausgabe beigetragen. Ingrid Garcias „Racing the Rings of Saturn“ ist die zweite Story. Sie stammt ursprünglich aus dem Spanischen. Ein gefährliches Rennen durch die Ringe des Saturns ist im Grunde nur rein Ablenkungsmanöver für eine Rebellion außerhalb des Asteroidengürtels. Leider ist der Hintergrund der Geschichte viel zu wenig entwickelt und zu viele Fragen bleiben offen. Auch der Zusammenhang zwischen dem Rennen und der Revolution wirkt sperrig entwickelt, eine Spannungskurve findet mangels  solider Charakterisierung der zahlreichen Figuren nicht statt. Als Roman hätte der Plot ohne Frage besser funktioniert als in der vorliegenden Kurzgeschichtenfassung.  

 Nick Wolves „Carbo“ ist eine der Geschichten, in denen eine gegenwärtige technische Entwicklung extrapoliert wird. Der jugendliche Erzähler hat ein intelligentes Auto, das inzwischen den Marotten seines Herren folgt. Neben tagelangen Exzessen von Pornographie auf den verdunkelten Scheiben des selbst fahrenden Wagens ist er vor allem der Hang des Wagens, Fotos von attraktiven Anhalterin zu schießen, der schließlich die pragmatische Mutter dazu zwingt, den Wagen mit ihrem Sohn umzubauen. Es ist eine solide unterhaltsame Story mit deutlichen Seitenhieben auf den Autokult sowie die verrückten Ideen der Industrie, im Grunde für alles eine intelligente Lösung anzubieten, welche den Reiz der Geschichte ausmacht.

 Um Familie geht es auch in „Marley and Marley“. J.R. Dawson ist es gelungen, eine wirklich interessante Zeitvariation zu verfassen. Marley ist eine Waise, zwölf Jahre alt. Ihre neue Pflegemutter wird Marley, die achtundzwanzig Jahre alte Version. Ein Zeitpolizist ermöglicht  diese im Grunde paradoxe Situation, wobei  er Marley alt eine Reihe von Regeln mit auf die Reise gibt, die unmöglich einzuhalten sind. Eine kurzweilige Geschichte mit pointierten Dialogen und vor allem einigen Seitenhieben auf die Hormon gesteuerten Irrwege des Lebens. Einer der Höhepunkte dieser Ausgabe.    

 Zu den kürzeren, nicht gänzlich befriedigenden Texten gehört Meg Elisons „Big Girl“. Ein fünfzehnjähriges Mädchen findet sich plötzlich in der Bucht von San Francisco wieder, mehr als dreihundert Fuß groß. Zu Beginn erzählt die Autorin den Plot vor allem aus der Perspektive von Nachrichtenagenturen und Internetmeldungen mit den Querverweisen auf die gesetzlichen Grundlagen, die in einem solch gigantischen Fall fast absurd erscheinen. Die zweite Hälfte konzentriert sich auf das gegenläufige Schicksal der Protagonistin, ohne das bis zum konsequenten Ende irgendwelche Antworten oder weitergehende Spekulationen angeboten werden, die aus dieser Idee eine abgerundete Geschichte machen könnten. Trotzdem leidet der Leser mit dem jungen Mädchen, das urplötzlich aus ihrem bisherigen, eher gewöhnlichen Leben gerissen worden ist.

 R.S. Benedict „Water God´S Dog“ ist eine anfänglich interessante Fantasy. Ein lokaler Priester umschmeichelt einen örtlichen Wassergott und ist sich nicht zu schade, ihm jeden Wunsch zu erfüllen. Es stellt sich heraus, dass diese Beziehung eher einseitig ist und der Priest erkennen muss, das Götter nicht nur launisch, ihre Diener schnell vergessen sind. Kurzweilig zu lesen mit einigen guten Ideen, aber nur zufriedenstellend abgeschlossen. 

 „Whatever Comes after Calcutta“ von David Erik Nelson ist die letzte Geschichte des Jahres 2017. Lyle ist ein Strafverteidiger, der einen Fall viel schneller abschließen kann als es seine Frau erwartet. Lyle erwischt sie  mit einem Polizisten im Bett. Ab diesem klischeehaften Moment dreht sich die Handlung, da seine Frau Lyle ihn anschießt. In einer eher konstruierten Wendung glauben die Ehebrecher, da Lyle tot ist. Dieser erwacht  mit einer Fleischwunde und verfolgt seine Frau nach Calcutta in Ohio, wo angeblich eine Hexe die beiden manipuliert hat. Solide geschrieben wirkt der Plot vor allem im letzten Drittel zu ambitioniert, zu sehr in die Breite getragen, um nachhaltig genug Spaß zu machen.  Es ist der ein wenig selbstironisch geschriebene Auftakt, der eher unterhält.

 In dieser Ausgabe findet sich nur eine Novelle. „Stillborne“ von Marc Lailaw ist Teil einer ganzen Serie von Geschichten um Gorlen und Spar. Es ist dieses Mal nicht notwendig, die anderen Texte zu kennen, da Lailaw quasi einen wichtigen Teil des Fundaments in dieser Novelle legt. Die beiden Protagonisten spielen dabei unterschiedliche Rollen, wobei Gorlens Hintergrund mit seinen Handlungsbeziehungen und seinem Gespür für Geschäfte im Vordergrund steht. Es ist eine originelle Fantasygeschichte mit einigen skurrilen Szenen – Gorlen Finger ist ja verflucht und zu Stein geworden -, sowie einem zufriedenstellenden Ende mit einem Festival, das alle sieben Jahre stattfindet und eher an eine Orgie erinnert.  

 David J. Skal spricht positiv über Tom Cruise „Mumien“ Film und relativiert einen Teil der Kritik der Presse. Charles de Lint und Michelle West besprechen eine große Bandbreite von unterschiedlichen Romanen, wobei de Lint sich an einigen fortlaufenden Serien fest beißt, während Michelle West ein deutlich breiteres Spektrum an Bücher von der Heroic Fantasy einer Elizabeth Bear bis zur Military Science Fiction Linda Nagatas vorstellt. David Langfords Vorstellung eines vergessenen Klassikers wirkt eher bemüht.   

 Die letzte Ausgabe des Jahres 2017 ist eine solide Mischung verschiedener Themen, wobei vor allem die Science Fiction Geschichte mit wildgewordener Technik, Zeitreise und schließlich Larry Nivens sehr kurzer, aber tiefgründiger Story überzeugen. Kate Wilhelm liefert wie erwähnt eine ungewöhnliche Geistergeschichte ab, die ohne weihnachtliche Bezüge doch irgendwie in diese Jahreszeit passt. Die November/ Dezember Ausgabe unterstreicht aber noch einmal die Qualität des ganzen Jahrgangs 2017.  

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252 Seiten

Taschenbuch