Die Chroniken von Amber Band 1: "Die neun Prinzen von Amber"

Klett Cotta, Die neun Prinzen von Amber, Klett Cotta
Roger Zelazny

Mit den ersten fünf Romanen des “Amber” Zyklus legt der Klett Cotta Verlag in einer auch optisch schönen Ausgabe den Kampf Corwin von Ambers  um den nach dem Verschwinden seines Vaters verwaisten Thron in einer ungekürzten, die alte Übersetzung von Thomas Schlück überarbeiteten Fassung neu auf.  Im zweiten Fünfteiler spielt Corwins Sohn die Hauptrolle.

Die ersten fünf „Amber“ Romane erschienen in den USA zwischen 1970 und 1978. Im Jahr 1969 hat Roger Zelazny seinen Job gekündigt, um als freischaffender Autor sich vor allem auf längere Arbeiten im Gegensatz zu seinen populären und mit Preisen ausgezeichneten Kurzgeschichten zu konzentrieren. In den sechziger Jahren ist Roger  Zelazny zu einem der besten Kurzgeschichtenautoren vor allem des Science Fiction Genres aufgestiegen. Auch wenn in vielen seiner Bücher mystische und historische Anspielungen wichtige Rollen spielen, stellte die „Amber“ Serie seinen ersten Versuch da, im Grunde Heroic Fantasy mit einem latent magisch technischen Hintergrund zu schreiben.

Bei in der deutschen Ausgabe nicht einmal dreihundert Seiten handelt es sich um aus heutiger Sicht einen sehr kompakten Roman, der einige Ideen vor allem von „Straße nach überallhin“ genauso vorweg nimmt wie sich der Autor an Alexandre Dumas mit „Der Graf von Monte Christo“ orientiert und mit der Blendung des Protagonisten sogar einen Verweis auf Jules Vernes „Der Kurier des Zaren“ einbaut. Roger Zelazny hat im Rahmen seiner langen Karriere immer wieder auf diese Art von literarischen  Querverweisen und Anspielungen zurückgegriffen, wobei der Protagonist im vorliegenden Roman bei der den ersten Spannungsbogen beendenden abschließenden Flucht  ein wenig auf „Deus Ex Machina“ Hilfe angewiesen ist und die handlungstechnische Balance mit einer langen, vielleicht auch notwendigen Exposition, einem hektischen Mittelteil und einem Finale im Zeitraffer nicht immer gänzlich zufriedenstellt.

Inhaltlich präsentiert der Autor klassische Fantasy mit mystischen Verzweigungen. Der Kampf um den Thron wie  die Suche nach dem Vater sind Ideen, die nicht nur George R. R. Martin in seiner populären Endlosserie „A Games of Throne“    basierend auf dieser Inspiration meisterhaft verschachtelt weiterentwickelte, sondern auch Shakespeare zu einer Reihe seiner Stücke anstiftete.

Der Auftakt spielt in der Gegenwart. Ein Mann erwacht in einer Klinik ohne Gedächtnis.  Er entlässt sich selbst und sucht seine vermögende Schwester in New York auf, die ihn nach einem schweren Autounfall hat einliefern lassen. Nach und nach kehrt ein Teil seines Gedächtnisses zurück. Er ist kein normaler Mann. Im Laufe der Geschichte wird Zelazny zusätzlich noch eine Idee aus „Insel  der Toten“ /“Fluch der Unsterblichkeit“ einfügen. Die Idee eines an Land gebundenen fliegenden Holländers, der immer wieder unsterblich von einer historischen Schlacht zur Nächsten wankt. Ohne Heimat, ohne Ziel.

Seine Schwester kann ihm auch nicht alle Information geben. Über allem schwebt der Begriff Amber. Anscheinend seine Heimat jenseits der Schatten.  Roger Zelazny baut hier ein weiteres interessantes Element ein. Amber ist die reale Welt. Die Erde gehört zu den Schattenwelten, Parallelwelten,   die mittels des ambivalenten und anscheinend magischen Durchschreitens des Schattens betreten und verlassen werden können. Nur Amber direkt erreicht man bis zum Ende des Buches und der aus dem Nichts auftauchenden Variation nur direkt und nicht durch die Schatten.

Zwei Ereignisse bringen Corwin von Amber in Zugzwang. Ein  dritter Bruder sucht Schutz in der Villa ihrer gemeinsamen Schwester und Corwin findet ein verstecktes Tarotspiel, das Abbilder seiner insgesamt neun Brüder und zusätzlich die Schwester/ Freundin zeigt. Einige Karten fehlen. So gibt er keinen Hinweis auf ihren Vater Oberon.

Nach einem Angriff seltsamer Wesen entschließt sich Corwin, zusammen mit seinem opportunistischen Bruder  mit einem PKW auf immer primitiver werdenden Straßen nach Amber zu reisen, um in dem Königreich  nach dem Rechten zu sehen und notfalls die Machtergreifung durch ihren Bruder Eric zu verhindern.

Roger Zelazny legt vor allem zu Beginn des Buches ein sehr hohes Tempo vor. Wie  in seinen Science Fiction Romanen verzichtet der Autor auf einen übergeordneten Erzähler und fügt eine Information nach der anderen immer nur auf Augenhöhe des handelnden Charakters hinzu.   Diese subjektive Vorgehensweise ist vor allem wichtig, weil der Leser nur einen Zugang zu den Charakteren über Corwins Aktionen und Reaktionen erhält.  Nicht selten erscheinen die einzelnen Brüder nur als Schemen in diesem komplexen Kampf um den Thron.   Auch über Corwin von Ambers Hintergrund erfährt der Leser extrem wenig. Es gibt eine traumhafte oder traumatische Begegnung mit dem verschwundenen, wahrscheinlich toten Vater, der in Corwin den einzigen wahren Erben Ambers sieht.  Mit dieser Vorgehensweise manipuliert der Autor auch, denn Crowin von Amber ist sich nicht zu schade, für die Eroberung des Palasts immerhin wenn auch mit schlechtem Gewissen achtundneunzig Prozent seiner schnell angeheuerten Truppen in tapferen Kämpfen zu opfern.  Nicht alle sind Menschen, einige Wesen ohne Bezug zu den Machtkämpfen der Ambers oder deren Kultur sind mit falschen Versprechungen aus den Sümpfen angelockt worden. In diesen wenigen Szenen gibt es keine richtigen Unterschiede zwischen Corwin und Eric. Vielleicht nur, dass Corwin auch unter dem Sadismus des Bruders leiden muss und deswegen sympathischer erscheint.

Wie in einigen anderen Fantasy Epen muss der Leser diese vielschichtig aufgebauten, das Tempo aber auch hemmenden Prämissen vor allem im ersten Buch hinnehmen. Erst im Laufe der weiteren, teilweise deutlich umfangreicheren Bücher wird Roger Zelazny den Hintergrund der Story ambivalenter und sein Königreich noch farbenprächtiger entwickeln. Mit der zweiten Serie um Merlin Corwin relativiert der Amerikaner dann teilweise unverständlich diese Ansichten und Hintergründe wieder.

„Corwin von Amber“ legt Wert auf eine ausgesprochen stringente Handlung.  Die einzelnen Auseinandersetzungen zu Wasser  und zu Lande erinnern an die gigantischen Schlachten, die Moorcock für seine Ewigen  Helden entwickelt hat. Immer am Rande der Heroic Fantasy, die auch Robert E. Howard so gerne verfasste, ist Corwin von Amber  kein Barbar, sondern ein Krieger mit einem zumindest in der bisherigen Theorie adligen Ehrenkodex, kein reiner Kämpfer, der sich auf verschiedene Waffen versteht und seinen Stil zum Unwillen des Bruders weiter entwickelt hat.  Roger Zelazny  verzichtet bei den Beschreibungen der Kämpfe auf zu grausame Details. Es wird immer schnell gestorben, den Schlachten fehlt der aufgesetzte pathetische Heldenwehklang oder die zu detaillierte Beschreibung von im Grunde sinnloser Tapferkeit.

Wie es sich für  klassische Fantasy gehört spielt die Reise eine fast wichtigere Rolle als das Ankommen. Der Weg nach Amber ist zwar verwinkelt und führt über Berge und in die Wüste. Der Wagen bleibt auch mangels Benzin bald liegen. Neben der Konfrontation mit dem einen arroganten Bruder wird nebenei und unterwegs gleich die Schwester Deidre befreit. Corwin von Amber kann durch ein Durchschreiten der MUSTER wenigstens einen Teil seiner Erinnerungen wiederherstellen. Die Idee einer weiteren Spiegelwelt als Kopie des Originals von Amber erinnert aus heutiger Sicht sowohl an „Simulacron 3“ wie auch die späteren „Matrix“ Verfilmungen. Hintergrundinformationen liefert der Amerikaner nicht. 

Aber neben den Tarot Karten – sie haben magische Kräfte und der Einsatz einzelner „Joker“ kann Leben retten oder vernichten – ist die Schattenwelt in der bislang rudimentären Ambivalenz ein bestechendes Markenzeichen dieser im Auftaktroman solide vorlegenden Fantasy Serie. In späteren einzelnen Abenteuern wie „Jack aus den Schatten“ wird Roger Zelazny die Idee noch einmal ganz neu entwickeln und rückübertragend auf die „Amber“ Serie verfeinern.

In der vorliegenden Form eines sehr kompakten, inhaltlich manchmal zu sehr hin und her springenden Romans wird der Leser immer wieder von den zahlreichen Ideen des Autoren überrascht, welche er teilweise aus dem Nichts heraus improvisierend dem großen,  aber einfach strukturierten Haupthandlungsstrang hinzufügt.  Vielleicht agiert Roger Zelazny mit den neun Prinzen und ihrer fast alleinigen Fähigkeit, zwischen den Welten zu wechseln, ein wenig überambitioniert, da sie anscheinend auch Kopien von Amber erschaffen können. Natürlich ist es  ein politisches Machoproblem,  über die Kopien zu herrschen  und das Original zu ignorieren, aber Zelazny schafft es als große  Schwäche der ganzen Serie nicht,  den Thron als derartig einzigartig  in einer alleinigen Welt darzustellen, dass sich dieser Machtkampf wirklich nachhaltig lohnt.  Hinzu kommt, dass der Amerikaner noch kein echtes Gefühl für die finale Schlacht, das Heroische entwickelt hat und stellenweise zu distanziert wichtige emotionale Passagen erzählt.

Zu den Stärken gehört nicht nur in dieser Fantasy Serie, sondern in Roger Zelaznys ganzen immerhin teilweise mehr als fünfzig Jahre alten Werk der Ideenreichtum und der Mut zur Improvisation inklusiv zahlreicher Anspielungen auf dann allerdings diverse Religionen, welche die Bücher ausgesprochen frisch und weiterhin zeitlos erscheinen lassen.   Die Neuauflage wie auch die im Heyne Verlag aufgelegten E Books seiner Science Fiction Romane sind überfällig und rücken Zelazny wieder in den Rang, der ihm auch angesichts der zahlreichen NEBULA und HUGO Auszeichnungen gehört. Einem Meister der Kurzgeschichte, der in seinen Romanen auch manchmal zu Lasten der Grundhandlung  ein echtes Ideenfeuerwerk abschießt.  

  • Taschenbuch: 268 Seiten
  • Verlag: Klett-Cotta; Auflage: 1 (14. Oktober 2017)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3608981276
  • ISBN-13: 978-3608981278
  • Originaltitel: Chronicles of Amber 1
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