The Unquiet Heart

Gordon Ferris

Mit "The Unquiet Heart" legt Gordon Ferris den zweiten Roman seiner Serie um den privaten Schnüffler und Überlebenden des Konzentrationslagers Dachau als Mitglied britischer Spezialeinheiten Danny McRae vor. Im ersten Roman wurde der ehemalige Agent mit seiner eigenen Einheitsvergangenheit konfrontiert, während er auf der Suche nach einem Mädchenkiller war. Im vorliegenden zweiten Roman fügt Gordon Ferris neben der historisch bekannten Vergangenheit eines Nachkriegsbritannien und in diesem Roman auch der geteilten Stadt Berlin - an beiden Orten findet man keine echten Sieger, sondern nur Verlierer - eine Reihe von geschichtlichen Eckpunkten hinzu. Es geht um die Gründung des Staates Israel und die nicht immer ruhmreiche Rolle der Briten, die sich eher auf die Seite der Araber und ihrer Ölvorräte geschlagen haben. Diese Eckpunkte spielen aber in einer zynischen Liebesgeschichte nur eine untergeordnete Rolle. Viel interessanter ist in doppelter Hinsicht, dass Danny McRae verliebt und blind in eine Spionage- und gleichzeitig eine Rachegeschichte verwickelt wird. Außerdem überschreitet er endgültig die Grenze des Gesetzes, wenn er einen verhassten Charakter aus dem ersten Buch seinem Schicksal überlässt, nachdem er ihn ebenfalls aus Rache und Opportunität gefoltert hat. Schon im Auftaktbuch hat sich Danny McRae auf einem schmalen Grad zwischen hartem Überleben in einer zerstörten Stadt als Ein-Mann-Detektei und monetären Opportunitäten bewegt. Dabei hat Gordon Ferris aber an keiner Stelle der Handlung eine moralische Grenze überschritten, obwohl McRae aufgrund des offensichtlichen Verrats seiner Mission im Zweiten Weltkrieg und der Inhaftierung/ Folterung in Dachau mehr als ausreichend Gründe gehabt hätte. Warum der Autor gegen Ende von "the Unquiet Heart" diese Grenze mehrfach überschreitet, bleibt unerklärt und lässt die bislang bemitleidenswerte, aber stoisch starke Figur dunkler, brutaler und vor allem eindimensionaler erscheinen als sie es vielleicht sein soll. Es ist aber nicht der einzige handlungstechnische Kompromiss, den der Autor zu Gunsten eines geradlinigen, aber nicht immer packend erzählten Plots eingeht.

Es beginnt mit einer typischen Femme Fatale, die eines Tages McRays herunter gekommenes Büro betritt. Eve Copeland arbeitet seit vielen Jahren für eine britische Tageszeitung. Während des Krieges lieferte sie auch mangels männlichen Reportern die Schlagzeilen für die erste Seite, jetzt darf sie nur noch eine wöchentliche Kolumne schreiben. Sie will wieder zurück ins Rampenlicht und dabei soll ihr McRae helfen. Und da gehen die inhaltlichen Probleme los. Während die Begegnung mit einer Puffmutter und ihren vielen Geschichten aus Soho noch nachvollziehbar ist, erscheint die Beteiligung an einem Diebstahl von Seide überzogen. Es wäre nachvollziehbar, wenn McRae den Diebstahl untersuchen und dabei die Klingen mit einem der berüchtigsten Gangster der Stadt kreuzen sollte. Das er selbst eine derartig waghalsige Aktion ausführt, erscheint angesichts der Prämissen und dessen Angst vor Gefängnis unmotiviert. Gordon Ferris braucht aber diese Prämisse, um Eve Copeland beschatten zu lassen. McRae und Copeland sind inzwischen ein Liebespaar geworden. McRaes Beschützerinstinkt erwacht. Er versucht die Verfolger abzuschütteln. Das misslingt und kurze Zeit später verschwindet die attraktive Dame spurlos. McRae sucht die üblichen Verdächtigen auf und verhält sich wie ein Elefant im Porzellanladen, obwohl ein aufgefundenes Notizbuch der Dame mehr als einen Hinweis auf ihre zweideutige Vergangenheit während des Krieges beinhaltet. 

Als letztes darf McRae dann nach Berlin reisen, um dort nach Eve Copeland zu suchen. Hier konstruiert Gordon Ferris zumindest sehr brüchig ein Argument, den freiberuflichen Detektiv nach Berlin zu schicken. Als Spezialagent hat er während des Krieges oft alleine hinter den feindlichen Linien operiert und kennt sich in Deutschland einigermaßen aus.

 

Gordon Ferris vertraut wie im ersten Roman einer klassischen Noir Struktur mit McRae als Ich- Erzähler. Das fordert ihn als Autoren in doppelter Hinsicht heraus. Die Geschichte wird ausschließlich aus McRaes Perspektive erzählt, was insbesondere nach dem acht Wochen in der Zukunft liegenden dynamischen Auftakt angesichts der vielen, sehr unterschiedlichen Fakten nicht immer einfach ist. Und zweitens gehört zum Noir eine kräftige Spur zynischer Nihilismus, den der auf Freiersfüßen von Ort zu Ort eilende Protagonist nur selten ausstrahlt. Im ersten Band der Serie hat der Leser durch zahlreiche Rückblenden McRaes Schicksal im Konzentrationslager Dachau kennengelernt. Der Autor fügt der Vergangenheit seines Protagonisten nur noch wenige Informationen hinzu. McRae kann inzwischen ein wenig freier, wenn auch sarkastischer mit den erlittenen inneren wie äußeren Wunden umgehen. Die Paranoia des ersten Buches ist ohne Frage verschwunden. Allerdings versucht Gordon Ferris den Leser und damit auch seinen Protagonisten zu verwirren, in dem er Rückgriff auf die therapeutischen Sitzungen nimmt, welche die Begegnung mit Copeland auf ein Wunschdenken reduzieren sollen. In diesem Punkt erwartet der Leser wie bei einigen anderen Sequenzen eine konsequentere Auflösung und bleibt enttäuscht zurück. Die emotionalen Szenen mit der attraktiven, wandlungsfähigen Frau sind solide beschrieben, der Funke will aber nicht überspringen. Ihre Liebesgeschichte wirkt zu aufgesetzt und wenn am Ende des Buches alle Fakten auf dem Tisch liegen, dann fühlt sich der Leser nicht immer positiv genauso manipuliert wie der wichtigste Protagonist.

Die Handlung ist differenzierter und deutlich politischer. Der Antisemitismus insbesondere auch auf der britischen Seite nach Kriegsende dürfte vielleicht deutsche Leser mehr irritieren, ist aber historisch nicht nur in "Exodus" belegt worden. Die Aufgaben der einzelnen Agentenkommandos dagegen wirken teilweise zu stark konstruiert und die finale Konfrontation zu cineastisch inszeniert. Copelands Mission ist zu ambivalent und sie wechselt zu oft die Lager. Dabei schwanken ihre Handlungen zwischen persönlicher Rache an Vorgesetzten im Grunde auf beiden Seiten und dem Kampf für das noch zu gründende Israel. Sie erlebt eine Reihe von Rückschlägen und lernt zum wiederholten Male kennen, das es keinen gerechten Kampf für Frieden, Freiheit und Unabhängigkeit geben kann. Zumal sie die Folgen ihrer Auseinandersetzungen auch mehr als einmal passend ignoriert. Aber auch ihre Feinde sind eher ambivalent gezeichnet. Allen gemeinsam ist, dass Schurken immer leichter Karriere machen als die ehrlichen geraden Bürger, die unter den Nationalsozialisten gelitten haben. Aber für wen arbeiten denn die neuen, nicht mehr braunen Machthaber. Hier wirft Gordon Ferris die Russen und die Amerikaner im Grunde in eine Waagschale, rührt einmal um und zieht nach Bedarf immer den Richtigen aus dem Ärmel. Trotz zahlreicher gut geschriebener Actionszenen verliert der Leser insbesondere bei den in Berlin spielenden Szenen den Überblick. Der Autor versucht gegen Ende des vielschichtigen, überambitioniert gestalteten Plots zu viele rote Fäden zusammenzubinden und McRae zumindest teilweise das Gefühl zu geben, ein brüchiger Held in einem schmutzigen Kampf gewesen zu sein. Diese Vorgehensweise funktioniert aber nur bedingt, da sich der Autor in zahllosen Hommage auf eine Reihe von klassischen, aber auch klischeehaften Filmen verliert und die Ausgangsidee mehrfach unterminiert.

 

"The unquiet Heart" ist kein schlechter Roman. Gordon Ferris beweist wie im ersten Danny McRae Thriller, das die dunkle nihilistische Atmosphäre des Nachkriegseuropas gut für eine Kulisse herhalten kann, vor der gezeichnete Helden verzweifelt ums Überleben in mehrfacher Hinsicht kämpfen. Dabei sind nicht selten die ehemaligen Verbündeten inzwischen die neuen Feinde. Aber aus dieser Prämisse muss der Autor in den nächsten Romanen der Serie mehr machen. Vieles erinnert ein wenig an die ersten Romane John le Carres in Kombination mit der in Berlin spielenden Krimitrilogie Kerrs, während die zugrundeliegende Handlung zu verschachtelt, in einem wenig einheitlichen Tempo mit zu teilweise funktionell gezeichneten Figuren erzählt wird. Dem Autor fehlt aber die erstaunliche ausgesprochen positiv gemeint Naivität des Auftaktbuches, in dem es mehr um die Menschen im Allgemeinen und den verzweifelt wieder auf die Füße kommenden McRae im Besonderen geht. Mit seiner fast kindlich naiven Liebe zur falschen, ihn auch mehrfach absichtlich ausnutzenden Frau wird diese Figur bemitleidenswert menschlich, aber auch zu „normal“ in einer anormalen Zeit. Diese Aspekte hätten in der Fortsetzung intensiver und vielschichtiger herausgearbeitet müssen. Positiv ist, dass sich der Protagonist mit der Rückkehr nach Deutschland seinem verständlichen Trauma direkt stellen muss. 

 

  • Taschenbuch
  • Verlag: ATLANTIC BOOKS (1. Dezember 2011)
  • Sprache: Englisch
  • ISBN-10: 0857895540
  • ISBN-13: 978-0857895547
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