Prinz des Chaos

Prinz Chaos, Titelbild, Rezension
Roger Zelazny

1991 veröffentlichte Roger Zelazny dann mit “Prince of Chaos“ den letzten Roman um die Ambers.  Wie sein Vater Corwin und eher impliziert auch sein Großvater Oberon muss Merlin Amber im Grunde aus freiem Willen -  eine Idee, die immer wieder angedeutet, aber niemals überzeugend vollzogen wird – die Burgen des Chaos betreten, um schließlich als würdiger Thronfolger allerdings von Gnaden seiner Mutter Dara und seines Onkels Mandor seine Reifeprüfung abzulegen. Dara und Mandor haben mittels einer Reihe von glücklichen Zufällen und unglücklichen Unfällen seinen Weg geebnet.

Einundzwanzig Jahre liegen zwischen der Veröffentlichung des ersten Buches und diesem Abschlussroman, der wenige Jahre vor Roger Zelazny frühem Tod mit 58 Jahren entstanden ist. Im ersten „Amber“ Zyklus hat der Amerikaner im  finalen Band zwar nicht jeden Stein umgedreht, aber Coriwn von Amber deutlich gemacht, dass er nur ein Mosaikstück in einem viel größeren Bild ist.  In „Prinz des Chaos“ kontaktiert  Merlin von Amber  im Grunde aus dem Nichts heraus seinen Vater Corwin mittels einer besonderen Trumpf Karte.  Corwin und Merlin haben sich nicht mehr gesehen, seitdem Merlin als Junger auf der echten Erde in eine Art Sicherheit gebracht worden ist.  Interessant ist, dass Merlin im Verlaufe der Romane immer wieder gefragt hat, wo sein Vater ist. Daher wirkt er zu wenig überrascht, dass erstens diese Art der Kontaktaufnahme gelungen ist und zweitens sein Vater noch am Leben ist.

In den ersten fünf Corwin von Amber  Romanen ist ja dessen Vater Oberon aus dem Nichts heraus verschwunden. Er galt  als entführt oder ermordet.  Daher brach der Kampf um Ambers Thron aus. Immer wieder hat Corwin auf zwei Ebenen versucht, das entstehende Chaos zu relativieren. Einmal  wollte er den Thron als Statthalter seines Vaters von seinem Bruder übernehmen und zweitens suchte er nach seinem Vater.  Im abschließenden fünften Band hat Roger Zelazny eine eher zynische Auflösung angeboten. 

In dem letzten Buch des „Merlin“ Zyklus dreht Roger Zelazny die  Handlung ein wenig zu sehr ins Gegenteil.  Aus dem Stehgreif entschließt sich Merlin wie angesprochen mit einer opportunistischen Trumpf Karte Kontakt  mit seinem Vater aufzunehmen und muss sogar von seinem Sohn gerettet werden. Corwin hat versucht, Oberon in den ersten Büchern zu retten, was aber niemals effektiv vollzogen worden ist. Anstatt wollte Roger Zelazny eine Variation dieser ersten, schon in den achtziger Jahren nicht mehr originellen Idee in seinen Zyklus einbauen und hat dabei die Tatsache ignoriert, dass sehr viele  lose Fäden noch in diesem letzten Roman abgeschlossen werden müssen.   

Im Notfall ist es sinnvoll, gewisse Sachen zu doppeln. So muss auch Cora gerettet werden. Sie ist nur eine Art Geisel in diesem schwer zu durchschauenden und rückblickend vor allem in den Büchern acht bis zehn zu unnötig kompliziert, aber nicht mehr komplex entwickelten Ränkespiel. 

Auch die eingangs erwähnte Erkenntnis, dass  mehr als  dreißig geeignetere Kandidaten auf den Thron durch Unfälle oder Unglück gestorben sind oder umgebracht wurden,  kommt für den Leser  im Gegensatz zu Merlin als keine echte Überraschung. Hier stellt sich aber eine gänzlich andere Frage.  Oberon hat immer gesagt, dass Corwin von Amber der ideale Nachfolger gewesen wäre.  Corwin von  Amber hat abschließend eine Art Pyrrhus Lösung für die Thronnachfolge gefunden.  Damit  wäre normalerweise Merlin im engsten Kandidatenkreis. Auch wenn die Ambers aus sehr vielen Verwandten,  Angeheirateten und schließlich sogar qualifizierten Bekannten bestehen, erscheint es unwahrscheinlich, dass Merlin so weit hinten in der Rangfolge stehen sollte.

Und wenn ein Autor diese klassische Sherlock  Holmes oder Agatha Christie Idee aus dem Detektiv in den Fantasybereich überträgt, dann sollte man sie auch als Trittbrett für spannende Abenteuer nutzen und nicht wie Roger Zelaznys "Prinz des Chaos" sie fast beiläufig im abschließenden Band extrapolieren. Zu den stärksten Sequenzen des ganzen zweiten Zyklus gehörte die Idee, dass auf Merlin jedesmal am  30.  April ein Anschlag verübt wird und schließlich stattdessen seine Freundin Julia  - eine weitere Wiedergänger Persönlichkeit dieser Reihe – gestorben ist.  Damit schließt sich auch wieder der Kreis, denn die  Idee der kontinuierlichen Mordanschläge zog sich auch durch den Auftaktroman, ist im Verlaufe der vier weiteren Bücher aber eher pragmatisch angesprochen worden.

Aber nicht alle sind bislang ums Leben gekommen. Auch aus dieser Idee hätte  der Autor ein spannendes Garn zimmern können. Denn mit Merlins Tod wären alle anderen Protagonisten sicherer. Daher ist ihre Abneigung gegenüber Merlin verständlich, wobei nicht zu unterscheiden ist,  ob einige der skurrilen Charaktere ihn töten,  sondern vielleicht auch  „nur“ ausnutzen wollen.    

Viele dieser Informationen werden vor allem durch Dialoge übertragen.  In den ersten fünf Amber Romanen hat Zelazny im Grunde auf  der Höhe seiner literarischen Kraft ein Feuerwerk aus Ideen, pointierten doppeldeutigen Dialogen und einer sprunghaften Handlung gezimmert. In der Theorie sind diese Aspekte noch vorhanden, aber die Gespräche sind nicht mehr so spritzig und das ambitionierte Gerüst bröckelt.  Merlin muss erkennen, dass er seit seiner Geburt manipuliert worden ist.  Keine echte Überraschung, da es mindestens seinem Vater ebenso gegangen ist. Trotzdem hat er sich auf der Erde auch mit seinem Vorläufer einer künstlichen Intelligenz ein eigenes Leben und einen guten Ruf erarbeitet. 

Anstatt das Szenario einzuengen und mehr zu fokussieren, baut Roger Zelazny eine Idee nach der nächsten in den Handlungsverlauf ein und vergisst, diese einzelnen Punkte abschließend zu begradigen und in das Finale zu integrieren.  Stattdessen bietet er seinen Lesern eine Art Kompromiss  an. Wichtige Themen werden im Vorübergehen gestreift und eher im Off statt im Handlungsverlauf.  Diese Hektik ist unnötig.  Wahrscheinlich wäre es sinnvoller gewesen, den abschließenden Band entweder in einer Kooperation mit einem anderen Fantasy  Autoren zu verfassen, dessen Stärken auf einer stringenten Handlung und überzeugenden Actionszenen liegen oder eine Art elften Roman anzuschließen. 

„Prinz des Chaos“ verfügt  aber auch über einigen sehr starke Ansätze. Während die Regionen des Chaos  in den Corwin von Amber  Büchern nur gestreift worden sind, geht Roger Zelazny unabhängig vom handlungstechnisch sehr gedrängten Stoff ausführlicher auf das Leben in dieser immer wieder erwähnten, aber niemals  wirklich vorgestellten Region ein.   Die psychedelischen Trips der vorangegangenen Bücher weichen einer seltsamen Welt, in welche der Autor  sehr viel Phantasie für  die  kleinen Details und sehr viel Surrealismus gesteckt hat.  Es ist vor allem ein interessanter Gegenentwurf zum immer wieder als  äußerlich so sauber dargestellten Amber. 

Hinsichtlich der ganzen Saga bleiben einige Flanken offen, als wenn der Amerikaner geplant hätte, irgendwann einen dritten Zyklus zu schreiben, in dem Vater Corwin und Sohn Merlin  zusammen agieren.  Weder Ghostweel noch die neun Ringe der Prinzen von Amber oder der Konflikt zwischen Chaos/  Amber werden zufriedenstellend aufgelöst. 

Aber trotz einer Reihe von Längen vor allem in den letzten drei Romanen der „Amber“  Serie ist eine Reise mit Roger Zelazny immer noch interessanter, farbenprächtiger,  exotischer und provokanter als mit vielen anderen Fantasy Autoren.  Die Reise beginnt mit dem ersten Schritt in „Die neun Prinzen von Amber“, als Corwin ohne Gedächtnis erwacht und endet nicht im vorliegen Band „Prinz des Chaos“,  dazu ist vieles zu offen.  Das verbindet Roger Zelazny mit Robert Heinlein, der auch keine überzeugenden Enden für seine Bücher schreiben konnte.  

  • Taschenbuch: 301 Seiten
  • Verlag: Heyne; Auflage: 1. (1995)
  • ISBN-10: 3453085388
  • ISBN-13: 978-3453085381
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