Forever Magazine 37

Forever Magazine 37, Neil Clarke, Cover
Neil Clarke (Hrsg.)

Die Februar Ausgabe des „Forever“ Magazins besteht aus zwei Kurzgeschichten und einem Kurzroman von Michael Bishop, einer Stimme, die schon lange im Genre schmerzlich vermisst worden ist.

Mary Soon Lees „PauseTime“ ist die bessere der beiden Kurzgeschichten, da sie eine originelle wie verführerische Lösung für ein wichtigen „Problem“ anbietet. Babys bzw. Kinder können mittels einer Tastenkombination quasi eingefroren, still gelegt werden. Anfänglich ist die allein erziehende Mutter von dieser Idee angewidert und weigert sich, diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Ein neuer Job, ab und zu später ein Date sowie die verführerische Freizeit, die sich plötzlich mit diesem Abschalten des Babys ergibt, bringen sie wie eine Suchtkranke dazu, die Zeiten der Babypause jeden Tag kontinuierlich zu verlängern. Es ist eine nachdenklich stimmende, subversive Geschichte, die aufzeigt, wie schnell sich Phlegma und Gewohnheit selbst gegen den eigenen Willen einschleichen.

Greg Miller beschreibt in „Beyond´Winter´s Shadow“ eine besondere Art der Beziehung. Anfänglich bemüht sich der Autor, die einzigartige Atmosphäre einer Stadt im Zuge des Verfalls und der Dominanz krimineller Banden zu beschreiben, während die handelnden Personen eher eindimensional und pragmatisch erscheinen. Erst nach und nach wird die Idee hinter der Geschichte klar. Dabei greift der Autor nicht unbedingt auf eine originelle Prämisse zurück, aber er entwickelt aus den vorhandenen Versatzstücken zumindest einen kurzweilig zu lesenden Text, der vor allem stimmig bis zu einem soliden, wenn auch nicht unbedingt kraftvollen Ende fortgeschrieben worden ist.    

Der längste Beitrag mit mehr als zwanzigtausend Worten ist die 1994 veröffentlichte Novelle „Cri de Coeur“,  die aus heutiger Sicht durchaus als Vorreiter des als Erneuerer dieses Subgenres gefeierten Roman Kim Stanley Robinson „Aurora“ angesehen werden kann.  Michael Bishop nimmt die Idee des Lebens an Bord eines von drei ausgesandten Generationen Raumschiffen zum Anlass, um sich als Umkehrschluss wieder auf die interessanten, wahren Werte der Menschheit zu besinnen. Das  Raumschiff befindet sich seit fast einhundert Jahren im All  auf dem Weg zu einem neuen Planeten. Der Planet ist  erdähnlich.  Jedes Besatzmitglied wird für einen Monat pro Jahr geweckt, um seine individuellen Aufgaben zu  erledigen. Einen großen Teil der Geschichte erzählt Bishop aus der Perspektive Abel  Gwiazdas, einem von polnischen Eltern adoptierten Jungen aus Tansania.  Er verliebt sich in Lily Aliosi- Stark, gemeinsam haben sie zwei genehmigte  Kinder, von denen ein Junge am Downsyndrom leidet.

Am Ende der Geschichte stellt er die Crew vor tragische Entscheidungen. In diesem Punkt ähnelt die Novelle „Aurora“. Zwischen den Zeilen hat der Leser in beiden Werken das unbestimmte Gefühl,  als wäre  die Reise wichtiger als das Ankommen. Vielleicht ist das auch der Fall, aber die einhundert Jahre in einem zwar für den Menschen gigantischen, in den Dimensionen des Alls winzig kleinen Raumschiff inklusiv der entsprechenden Gefahren hinterlässt einen bleibenden Eindruck im Leser. Weit ab von jeglicher Wissenschaft oder wie bei Poul Andersons Büchern grauer extrapolierender Theorie.

Kim Stanley  Robinson und Michael Bishop stellen Menschen vor besondere Herausforderungen und versuchen über dieses Bindeglied zum Leser deren wahnsinnige Aufgaben in einfache sprachliche Bilder zu fassen.  Interessant ist, dass die einzige nachhaltig  spektakuläre Szene quasi im off stattfindet und der Leser wie die Crew nur mittelbarer Augenzeugen dieser  Ereignisse wird, die hinsichtlich des Expeditionsziel fast tragische Dimensionen annehmen.  Es ist diese besondere Balance zwischen der Herausforderungen in den Tiefen des Alls und dem dynamischen menschlichen Zielen, das sich unendlich großen Herausforderungen stellt und dank des angeborenen Optimismus der ganzen Rasse immer wieder zu überleben sucht. 

Es ist dieser  Kontrast in Michael Bishops  von vielen kleinen Haikus oder Gedichten getragener Novelle, welche den Text aus der Masse vergleichbarer Geschichten anderer, bekannterer Science Fiction Autoren so positiv heraushebt und fast eine ganze Generation vor Kim Stanley Robinson aufzeigt, dass in diesem Subgenre noch  leben ist.

Die Februar Ausgabe des „Forever“ Magazins lebt vor allem vom überfälligen Nachdruck der Michael Bishop Geschichte. Nach der Erstveröffentlichung 1994 in „Isaac Asimov´s  Science Fiction Magazine“ ist der Text nur noch einmal in der in einem kleineren Verlag veröffentlichten Sammlung kürzerer Texte Bishops „Blue Kansas Sky“ publiziert worden. Damit ist die angesprochene Wiederentdeckung im 21. Jahrhundert überfällig. Bei den kürzeren Texten ragt die Auftaktgeschichte deutlich über Greg Millers nicht schlechte, aber auch nicht besonders originelle Story heraus.