Old Shatterhand Neue Abenteuer Band 5 "Heiße Fracht für Juarez"

Old Shatterhand, Band 5, Titelbild, Rezension
H.W. Stein

In “Heisse Fracht für Juarez” setzt sich der Handlungsbogen des letzten Bandes „In den Fängen des Ku-Klux-Klan“ nahtlos fort. Während „Old  Death“ aber aus dem Geschehen entschwindet, greift Thomas Ostwald  mit Tante Droll auf eine weitere Nebenfigur aus Karl Mays umfangreichem Werk zurück. Auch  hier impliziert der Autor, dass Tante Droll auch als Agentin entweder für die Regierung oder eine weitere Detektei im Westen unterwegs gewesen ist.  So viele Ermittler braucht es in der Männergesellschaft gar nicht.

Im Verlaufe der Handlung müssen Old Shatterhand, Winnetou und Tante Droll die im Titel benannte heiße Fracht – sie besteht aus modernen Waffen – vor den einzelnen Interessengruppen schützen.  Im Vorgängerroman haben sich schon der Ku Klux Klan und die Bande um den schwarzen  Josh direkt wie indirekt für die Waffen interessant. Im vorliegenden Band kommen noch Indianer und ein angeblich verrückter Offizier mit einer Schar Freischärler hinzu, welche das gegenwärtige gemäßigte mexikanische Regime nicht anerkennen wollen und die Regierung zu stürzen sucht. In dieser Richtung zielt auch die Pointe, welche die historischen „Fakten“ um die Verschwörungstheorie unter anderem den Schriftstellers Johann G.  Lughofer erweitert.  Interessant ist, dass Karl May in seinem Kolportageroman „Das Waldröschen“ genau die hier jetzt durch Thomas Ostwald hinterfragten Ereignisse inklusiv des Hinweises auf den „sterbenden Kaiser“ ausführlich beschrieben hat.    

Teilweise wirkt die Auseinandersetzung zwischen Old Shatterhand, Winnetou und Tante Droll auf der einen Seite und dem exzentrischen europäischen Offizier auf der anderen Seite auch wie eine Farce.  Wenige Stunden vor der Hinrichtung kann der Autor bei derartig bekannten Figuren nicht unbedingt Spannung aufbauen und die zweite Begegnung mit der Fortführung der geplanten Hinrichtung geht im Laufe des vielschichtigen, aber vor allem in der ersten Hälfte auch ein wenig schematisch aufgebauten Geschehens unter. 

Dass sich die Indianer für die Fracht interessieren zeigt die Komplexität der ganzen Serie. Zu Beginn des zweiten  Bandes haben die Banditen um den schwarzen Josh einen Zug überfallen und alle Reisenden brutal umgebracht. Sie haben versucht, die Schuld Indianern in die Schuhe zu schieben. Ein gängiges Motiv nicht nur bei Karl May.  Die beiden wieder im Handlungsverlauf auftretenden Indianer  sind inhaltlich Bekannte von Old Shatterhand, welche ihn in dem angesprochenen Roman wie ein Greenhorn haben aussehen lassen. 

Der Autor gesteht  seinem Old Shatterhand sehr viel mehr Fehler zu.  Er ist wie das Schießduell um einen neuartigen Colt unterstreicht ein exzellenter Schütze und auch seine Kenntnisse der Flora/ Fauna sind gut. Hinzu  kommt, dass  er in Friedrich  Gerstäcker Manier – zum ersten Mal wird der Name des Autoren ausgesprochen/ ausgeschrieben und nicht mehr durch Implikationen für jeden Leser  erkennbar angedeutet – dem  fiktiven Leser die wichtigsten Informationen  über den Süden der USA nach dem Bürgerkrieg fundiert und kompakt erläutert.  Ein derartig oft „fehlender“  Old Shatterhand ist für Leser der Original wahrscheinlich Gewöhnungsbedürftig, aber durch die verschiedenen „Teams“ (Old Death/ Old Shatterhand oder wie hier Winnetou/ Old Shatterhand und die effektiv genutzte Tante Droll)  wird diese vordergründige Schwäche ausgeglichen und Karl Mays Überhelden in den geradlinigen Geschichten positiv geerdet.    

Thomas Ostwald übertrifft Old Shatterhands moderne Naivität/ Unvorsichtigkeit allerdings in einer weiteren Szene zu unglaubwürdig. Als der Erzähler Winnetou befreien möchte und sich wie ein Anfänger ausschalten lässt.  Auch wenn es sich bei dieser Serie eher um die Abenteuer eines noch jungen Old Shatterhands handelt, agiert er teilweise auch in Anbetracht seiner bisherigen Erfahrung sehr naiv und impulsiv und scheint vor allem wenig glaubwürdig aus Ereignissen nicht zu lernen, die sich erst vor wenigen Tagen oder höchstens Wochen abgespielt haben und bei denen er von Glück sprechen kann, mit heiler Haut entkommen zu sein. Ein wenig mehr Originalität und Variationsmöglichkeiten hätten der Geschichte in diesen relevanten Szenen gut getan.     

Deutlich kompakter angelegt als bei Karl May müssen sich Winnetou und Old Shatterhand an die Küste begeben, um den möglichen Diebstahl basierend auf einem Verrat der  Waffen zu verhindern. Diese Reise nimmt auch dank der angesprochenen Exkurse  vor die Flinten von Hinrichtungskommandos einen sehr breiten Raum ein. Da sich Karl Mays Protagonisten dank Thomas Ostwalds  ortkundiger Hilfe in eher unbekannten Terrain bewegen und Texas/ Mexiko eher erzähltechnisch den Italowestern überlassen worden ist als das diese Regionen in Karl Mays Büchern eine wichtige Rolle  spielen, kommt nicht unbedingt Spannung auf, die Reise ist aber trotzdem lesenswert.

Neben einigen historischen und örtlichen Extrapolationen konzentriert sich der Autor positiv darauf, den Plot mehr und mehr zu begradigen und die einzelnen Fronten sich aufeinander zu bewegen zu lassen. Dabei spielt sogar die Jugendfreundin Nelly eine wichtige Rolle. Vorsichtig deutet der Autor sogar an, dass  die kokette Nelly Old Shatterhand zum Übernachten animiert hat.  Da sich aus den ersten Büchern aber auch eine weitere attraktive, an den falschen Mann gebundene Frau in Old Shatterhands Richtung bewegt, bleibt abzuwarten, ob es noch zu einem Kampf unter Frauen um den Erzähler  kommt. Noch eine dritte Frau -  die Freundin / Begleiterin des schwarzen Josh -  spielt eine wichtige  Rolle  im Gesamtgeschehen, im vorliegenden Buch wird sie aber nur am Rande erwähnt.

In der zweiten Hälfte zieht das Tempo deutlich an.  Mit einem besonderen Hinweis auf eine „Tante“ -  unglücklich ist dabei, dass auch immer von Tante Droll gesprochen wird-  muss sich Old Shatterhand alleine in der Nacht, von Nelly verlassen durchschlagen und nach dem Rechten sehen.  Wie erwähnt gipfelt die Szene in einer Peinlichkeit, wobei auch  Old Shatterhands  anschließender Fluchtversuch mitten im Golf von Mexiko eher unter Füllmaterial gebucht werden sollte. 

Unabhängig von einigen kleineren Schwächen sind „In  den Fängen des Ku-Klux-Klan“ sowie „Heisse Fracht für  Juarez“ zwei sehr gut zu lesende und hinsichtlich der Originalität  vor allem im direkten Vergleich zu Karl Mays Vorlagen überraschend frische Geschichten, die von Mark Freiers optisch sehr ansprechenden Titelbildern überzeugend eingeleitet worden sind.       

 

www.blitz-verlag.de

Taschenbuch, ca  150 Seiten

Titelbild und Innenillustrationen Mark Freier

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