Dan Cooper Gesamtausgabe Band 8

Dan Cooper Gesamtausgabe Band 8, Titelbild, Rezension
Albert Weinberg

Schon in dem ausführlichen Vorwort wird auf die Bedeutung dieses achten Sammelbandes der Gesamtausgabe hingewiesen. Dieser Sammelband stellt den Übergang von der „Tintin“ Zeit – symbolisiert durch den Abdruck der letzten „Dan Cooper“ Kurzgeschichte in „Tintin“ aus dem Jahr 1972 und der Rückkehr über Deutschland durch zwei Comicnovellen im Jahre 1977 dar. Hinzu kommen die nächsten drei Einzelabenteuer in Albumlänge.

 Im Vorwort wird auf diese für Weinberg bedeutsame Zeit hingewiesen. Die letzte „Tintin“ Story „Black Tiger“ – eingeleitet von zwei Werbecomics  - beschreibt einen seltsamen Kunstflieger, der mit seinem schwarzen Doppeldecker immer in der Abenddämmerung seine Kreise zieht und von Dan Cooper bewundert wird. Die Auflösung des Rätsels ist anschließend relativ simpel, wobei wie bei einigen anderen Albert Weinberg Comics eine schöne, modern denkende und vor allem über Flugscheine verfügende Frau im Mittelpunkt der Handlung steht. Auch bei der dritten nachgedruckten Kurzgeschichte „Miss X“ aus dem Jahr 1977 verfügt die in diesem Fall zu rettende Frau – Dan Cooper soll ihren Transport an Bord einer alten „Dakota“ aus einer Diktatur der lateinamerikanischen Welt militärisch begleiten – sogar über einen Flugschein, wobei Weinberg auf gegenseitige Bluffs setzt. Die Letzte der drei kürzeren Arbeiten „Das Rätsel der Mig 23“ handelt von der Flucht eines russischen Piloten und seiner Maschine über die Grenze. Die NATO steht vor einem Rätsel und die Russen versuchen diese angebliche Blamage mit einer waghalsigen Aktion zu überdecken.

 Auch wenn im Vorwort davon gesprochen wird,  das der technologische Hurrapatriotismus und das Streben nach Außen mit der niemals wieder erwähnten Landung auf dem Marsmond inzwischen deutlich politischeren Untertönen gewichen ist, stimmt diese Bemerkung nur zum Teil. Auch in den sechziger Jahren hat Albert Weinberg immer wieder seinen Finger in politische Wunden oder entsprechende Situationen gelegt. Während er da sich manchmal hinter dem Spionagevorhang eines Thrillers aus dem Kalten Krieg versteckt hat, nennt er in den siebziger Jahren deutlich offener und erkennbarer Ross und Reiter. Aber selbst die Ost- West Konfrontation in „Das Rätsel der Mig-23“ löst der Comicautor auf eine ungewöhnliche Art und Weise.

Das Vorwort geht neben seinen anderen Arbeiten während der „Dan Cooper“ Pause auch auf die italienische „Kopie“ ein, die in Deutschland zu weiteren „Dan Cooper“ Abenteuern umgeschrieben worden sind. Ohne das Rätsel hinsichtlich der „falschen“ Abenteuer des plötzlich indischen Piloten restlos zu lösen, hat es wahrscheinlich mit den noch nicht wieder in Weinbergs Besitz befindlichen „Dan Cooper“ Rechten zu tun. Auf jeden Fall versucht das ausführliche und reichhaltig bebilderte Vorwort ein wenig Licht in den entsprechenden Dschungel der Rechte zu bringen.  

 1977 kehrte „Dan Cooper“ zuerst in Deutschland und zwei Jahre später in Frankreich mit einem neuen in sich abgeschlossenen Album „Azimuth Zero“ auf die Comicbühne zurück. In der Gesamtausgabe findet sich das ursprüngliche Ende als Deutschlandpremiere. Es ist deutlich dunkler als die ursprünglich von der „Zack“ Redaktion angeforderte Bereinigung. Wie in einigen anderen seiner Geschichten entpuppt sich Albert Weinberg nicht nur als Verfechter der Gleichberechtigung, sondern wendet sich selbst gegen latenten Rassismus. Eine wichtige Rolle spielt eine junge wie attraktive Frau. Sie ist farbig und erinnert wahrscheinlich nicht zufällig an eine Mischung aus Uhura aus „Star Trek“ und Pam Grier, der Königin des Blaxploitationkinos. Im Mittelpunkt der gegenwärtige Technik bis hin zu ganzseitigen Datenblätter nutzenden Geschichte steht ein umfangreiches Manöver amerikanischer und kanadischer Luftkräfte, das von einem geheimnisvollen Spionageflugzeug mittels elektronischer Signale gestört wird. Der Krieg der Elektrowellen und die Fortschritte der Spionage über die Flugzeugentwicklung hinaus steht nicht nur in diesem Album im Mittelpunkt der Handlung, sondern schon spielte schon bei den in den sechziger Jahren publizierten Storys eine wichtige Rolle.

Hinzu kommen Aspekte des Rassismus, denn der amerikanische Beobachter des Manövers auf Seite der NATO ist ein klassischer Rassist, der die Farbige nicht aufgrund ihrer Qualifikation, sondern aufgrund ihrer Hautfarbe ablehnt. Diese lässt sich aber nicht unterdrücken und schlägt vor allem mittels pointierter Spitzen immer wieder zurück. Aber die Botschaft ist eindeutig und extrapoliert den wehrhaften, aber immer global ausgerichteten Geist der ganzen Serie. Das fatalistische Ende ist in mehrfacher Hinsicht herausragend. Albert Weinberg zeigt, wohin blinde Vorurteile führen können, wenn für die Taten Einzelner eine ganze Rasse in Sippenhaft genommen wird. Und das die Menschen immer noch lernfähig genug sind, um zumindest einen kleinen gemeinsamen Nenner Humanität zu finden und aktiv zu leben.  

 Auf der einen Seite ist dieser vielleicht manchmal ein wenig zu optimistische Humanismus vielleicht ein Widerspruch zu dem militärischen Gehabe und dem Technikfetischismus, aber Weinberg hat von Beginn an vor allem in der Position von Dan Coopers Vater klar gemacht, dass die entwickelten Superwaffen nicht in die falschen Hände fallen dürfen und alleine der Verteidigung gegen die unbelehrbaren Kräfte aus finsteren Zeitaltern dienen sollten.

Die Handlung ist geradlinig. Interessant ist, dass vor allem drei deutsche an den Manöver beteiligte Tornados im Rahmen der Beobachtungstätigkeit wichtige Informationen liefern, während nach einer rasanten Verfolgungsjagd Albert Weinberg auf den letzten Seiten der Geschichte in den unwirtlichen eisigen Weiten Kanadas die wahren, für einige Leser überraschenden rücksichtslosen Hintermänner dieser Manöver nennt. In diesem Punkt folgt Albert Weinberg der nicht zuletzt aufgrund des Vietnamkrieges und der Idee einer arroganten Weltpolizei folgenden Kritik an den USA und verzichtet auf eine Ost West Konfrontation. Aber anstatt dieser Idee zu folgen, baut der Autor abschließend wieder eine klassische Spionagegeschichte auf und schlägt den Bogen zurück.

Kritisch gesprochen verlagert der Autor aber auch Ideen aus seinen ersten Alben – auch hier haben finstere Kräfte Manöver vor allem der Kanadier gestört, um eigenen Nutzen von der Werksspionage bis zum aktiven Diebstahl von Prototypen – in die siebziger Jahren, ohne neue zeitaktuelle Variationen nachhaltig genug einzubauen.

 Albert Weinberg hat inzwischen mit seiner „Dan Cooper“ Serie eine positive Routine entwickelt, dass er bei der Rückkehr des kanadischen Piloten keine Risiken eingegangen ist. Der Plot ist stringent, die Charaktere gut unterscheidbar gezeichnet und die einzelnen Flugszenen sind ausgesprochen minutiös, Detail verliebt und wie die ersten Kurzgeschichten mit einer fotorealistischen Präzision gezeichnet worden. Der Handlungsbogen ist solide entwickelt, wobei die sozialkritische Komponente zu Beginn vor allem im jetzt wieder für die deutsche Ausgabe restaurierten originalen Ende wieder zur Geltung kommt.      

 Bei den nächsten beiden Alben "Verloren im Niemandsland" und "Gefahr aus dem All" greift Albert Weinberg nicht nur auf die im vierten Album erwähnte Kunst- und Kampffliegerstaffel "Red Bison" zurück, deren Anführer gegen die Widerstände innerhalb des Teams Dan Cooper für eine besondere Mission in Niemandsland zwischen den beiden jemenitischen Staaten wird, sondern seine platonische Geliebte aus dem hohen Norden hat einen erneuten Auftritt. Sowohl in "Verloren im Niemandsland" als auch "Gefahr aus dem All" wird immer wieder die einseitig von Randi ohne weitergehende Erklärung abgebrochene Beziehung zu Dan Cooper verklausuliert in den Mittelpunkt der Handlung gestellt. Dan Cooper sucht neben zwei ihr Leben rettenden Aktionen nach einer Erklärung für ihre abweisende Art, obwohl deutlich wird, dass Randi ihn immer noch liebt und niemals einen anderen Mann sich an ihrer Seite wünscht. Es bleibt abzuwarten, in welche Richtung Albert Weinberg diese Beziehung noch entwickeln wird, aber der jugendliche Klamauk auch mit einer entsprechenden Identifikationsfigur für den typischen Comicleser sind aus der Serie verschwunden. 

 "Verloren im Niemandsland" beschreibt eine waghalsige nur in der Theorie funktionierte Spionageaktivität der Amerikaner. Mit an Wetterballons befestigten Spezialsonden wollen sie nach einer neuen Superwaffe auf elektromagnetischer Basis suchen, welche in der Sowjetunion entwickelt wird. Aber die Planung geht schief und ein starker Wind scheint die Sonden in das Kriegsgebiet zwischen den beiden Jemenstaaten zu treiben. Dan Cooper soll mit seinen Leuten die Sonden über dem Meer abschießen, damit sie in neutralem Raum geborgen werden können. Gleich zu Beginn kommt es zu einem Duell mit unbekannten MIG Flugzeugen, einer der Red Bisons wird abgeschossen, der Pilot kommt ums Leben. Dan Cooper verbietet seinen Leuten, Rache zu nehmen und ist plötzlich als Feigling verschrien.  

Der Mittelteil der Geschichte wirkt ein wenig zu stereotyp.  Die Suche nach den Sonden, das Abschießen und natürlich das Problem mit der Letzten hat Albert Weinberg zu oft im Rahmen der Serie verwandt. Nach der Notlandung in der Wüste und der Suche nach einem weiteren, Befehle ignorierenden Red Bison Piloten trifft Dan Cooper auf seine Randi, die in der Wüste als Ärztin arbeitet. Die Gruppe wird von Rebellen schließlich gefangen genom men, wobei sich Weinberg mit einem nicht unbedingt nachvollziehbaren Kniff aus der Enge herausschreibt, in welche er seine Figuren gebracht hat.

Neben den Beziehungsproblemen zwischen Randi und Dan Cooper zeichnet Weinberg ein dunkles Portrait eines der charakterlich schwachen bis unausstehlichen Red Bison Piloten. Impulsiv, rachsüchtig, undiszipliniert, arrogant reizt er Dan Coopers Geduld bis zum Ende. Es ist interessant, dass Albert Weinberg schon beginnend mit den letzten Geschichten auf die Zeichnung einer heilen Heldenwelt verzichtet und auch auf Seite der Guten immer wieder schwierige Figuren entwickelt.  Bei den Schurken verzichtet der Autor Weinberg auf eine zu schwarzweiße Charakterisierung der Figuren und stellt auch Söldner als Opportunisten da, die sich dem Geld verdingen, aber deswegen nicht grundsätzlich böse sind.

Wahrscheinlich als Würdigung seines deutschen Verlages, der die neuen "Dan Cooper" Abenteuer exklusiv vor der französischen Publikation veröffentlichte, finden sich in zwei der drei Alben deutliche Hinweise auf die technische Überlegenheit der neuen "Tornados". Teilweise greifen sie allerdings in Form technisch logistischer Unterstützung sogar aktiv ein. Aus heutiger Sicht keine Überraschung, aber für eine in den siebziger Jahren entstandene Story eine inhaltliche Überraschung.

 "Gefahr aus dem All" ist die beste Geschichte nicht nur dieses Sammelbandes, sondern seit einigen Jahren. Ein Passagierflugzeug wird durch ein oder mehrere unbekannte Objekte in Gefahr gebracht, die Piloten getötet. In letzter Sekunde kann Dan Cooper die Maschine landen. An Bord befindet sich ebenfalls seine inzwischen Ex- Freundin Randi. Beide sind unterwegs nach Kanada, wo sie einer neu gebildeten Sondereinheit angehören. Anscheinend ist ein unbekanntes Objekt über einer unwirtlichen Gegend in Kanada abgestürzt und hat die Wälder in Brand gesteckt. Über dem Gebiet ist erhöhte radioaktive Strahlung gemessen worden.  

 Die Spannung bezieht die Geschichte vor allem auch der unbekannten Art der Bedrohung. Es könnte sich um eine Geheimwaffe einer fremden Macht handeln, die außer Kontrolle geraten ist. Oder eines kosmopolitische Bedrohung. Selbst UFOs haben zumindest indirekt im Rahmen der "Dan Cooper" Abenteuer eine Rolle gespielt. Albert Weinberg hält die potentielle Bedrohung lange Zeit im Hintergrund, auch wenn die abschließende wissenschaftliche Erklärung inklusiv entsprechender Graphiken ein wenig bemüht und konstruiert erscheint. Vor allem machen sie keinen Sinn, da sich diese Objekte ja bewegen und anscheinend an mehreren Orten in einem überschaubaren Radius auftauchen. Unbewegt wäre es nachvollziehbarer gewesen. 

 Dazwischen gelingen Weinberg einige Szenen, die wie von einem anderen Planeten erscheinen. Die unsichtbare Gefahr der Radioaktivität zwingt die Männer, in einem Spezialfahrzeug mit Schutzanzügen die durch den Einschlag unwirtlich gewordene Landschaft zu durchqueren und nach Überresten zu suchen. Hinzu kommt in einer Dualität der Ereignisse, dass Dan Coopers Randi sich später auf die Suche nach der verschollenen Freundin eines von Dan Coopers Kameraden in diese "Hölle" begibt und die beiden Flieger um ihre Frauen bangen müssen. Ahnungslose Journalisten werden von einer im Hintergrund agierenden Macht mit einer allerdings leicht auch mit Randi zu verwechselnden Frau als Front engagiert, um ebenfalls in das Gebiet einzudringen und nach Ursachen zu forschen. 

 Diese bedrohliche Landschaft zeichnet Weinberg mit der gleichen Detailverliebtheit, der stimmigen dunklen Atmosphäre und einem Auge für Wechselwirkungen wie seine lebendigen Bilder modernster Technik.  Vor allem die sehr gut strukturierte Handlung und die verschiedenen Fronten heben "Gefahr aus dem All" aus der Masse der "Dan Cooper" Storys heraus, auch wenn das fatalistische Ende bei "Azimuth Zero" hinsichtlich einzelner Sequenzen zu den absoluten Höhepunkten der ganzen Serie gehört.

 Wie die Herausgeber des Splitter Verlages im Vorwort schon geschrieben haben, bildet dieser achte Band der Gesamtausgabe mit dem "Bruch" zwischen der französischen "Tintin" Zeit und dem Übersiedeln nach Deutschland als ersten wichtigen Markt eine Art Brückenschlag, den Weinberg spätestens mit "Gefahr aus dem All" vollendet,  aber hinsichtlich der politischen Großwetterlage schon in "Verschollen im Niemandsland" angerissen hat. 

 

 

  • Gebundene Ausgabe: 216 Seiten
  • Verlag: Splitter-Verlag; Auflage: 1 (1. August 2017)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3958393497
  • ISBN-13: 978-3958393493
  • Originaltitel: Dan Cooper
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