The League of Frightened Men

The League of Frightened Men, Titelbild, Rezension
Rex Stout

Der Titel wirkt wie eine Hommage an Sherlock Holmes. "The League of Frightened Men" ist der zweite von Rex Stout verfasste Nero Wolfe Roman, auch wenn Querverweise immer wieder auf frühere Fällen deuten. Das Buch erschien anfänglich in sechs Teilen innerhalb der "Saturday Evening Post" , bevor der Roman unter dem jetzigen Titel 1935 als Buch veröffentlicht worden ist. 

 Nicht nur der Titel wirkt wie eine Verbeugung vor dem britischen Meister. Auch bei Arthur Conan Doyles Geschichten geht es nicht selten um Geheimnisse aus der Vergangenheit und deren Auswirkungen auf eine kleine, meistens inzwischen gu betuchte Gruppe von Menschen. Hinzu kommt, dass Mitglieder dieser Gruppe auf geheimnisvolle Art und Weise ums Leben kommen, es kryptische Drohungen gibt und manchmal der Täter sogar so offensichtlich bekannt ist, das es in der Theorie ein leichtes sein müßte, ihn zu überführen. Sherlock Holmes musste diese Verbrecher meistens mittels einer geschickt gestellten Falle dingfest machen, während bei Nero Wolfe der einzige in Frage kommende Verdächtige munter in dessen Haus und Büro marschiert, um sich vor den versammelten Männern der "League of Frightended Men" mit Nero Wolfe auszutauschen.

 Im Gegensatz zu den Sherlock Holmes Geschichten hat Nero Wolfe aber neben der persönlichen Befriedigung, einen wichtigen Fall gelöst zu haben, auch monetäre Interessen und erweist sich als harter Verhandlungspartner mit einer ausschließlich erfolgsorientierten Vergütung. Anders kann er seinen exzentrischen Lebensstil nicht aufrechterhalten. Und daher muss er manchmal nicht nur schneller als die örtliche Polizei sein, manchmal muss er einen Täter ihnen wegschnappen, um die Überführung persönlich durchzuführen, was Nero Wolfe in den Augen der Polizei weniger zu einem verzweifelt konsultierten Helfer macht als es zwischen Sherlock Holmes und Lestrade der Fall ist.

 Fast provozierend ist die Konzeption des Buches. Bis zur Mitte des Plots stehen Motiv, Täter und potentielle Opfer fest. Nur will der verkrüppelte Täter nicht gänzlich in das Profil passen. Ab der Mitte des Plots ist Nero Wolfe plötzlich bemüht, entgegen seinen wie ein Mantra wiederholten Aussagen nach dem wahren Täter zu suchen und vor allem viele Vorurteile zu relativieren. Daraus resultiert ein großer Teil der Spannung des vorliegenden Buches, nachdem Rex Stout sich vor allem auf den ersten Seiten bemüht hat, alles geordnet zu präsentieren und keine Zweifel an dieser Version aufkommen zu lassen.  

 Andrew Hibbard ist ein angesehener Psychologe.   Er bittet Nero Wolfe um Hilfe. Vor vielen Jahren ist während des Studiums ein Unglück passiert. Fast fünfunddreißig  Menschen sind Zeuge geworden. Aus dieser Gruppe sind inzwischen zwei Männer unter seltsamen Umständen ums Leben gekommen. Alle haben in Gedichtsform Drohungen bekommen.

Als Täter kommt der verkrüppelte Paul Chapin in Frage, der sich inzwischen als Autor einen Namen gemacht hat. Nero Wolfe beginnt seine Ermittlungen, nachdem Hibbard plötzlich spurlos verschwunden ist, wobei er den potentiellen Erpresser nicht aufgrund von Hibbards Informationen, sondern der Ähnlichkeit zwischen Chapins Romanen und den Erpressertexten identifizieren kann.

Nero Wolfe macht der Gruppe ein finanzielles Angebot.  Jeder soll sich nach seinen vorher gut recherchierten finanziellen Möglichkeiten an der Überführung des Täters mit einem Fokus der Ermittlungen auf Paul Chapin beteiligen. Paul Chapin platzt in dieses Treffen und beginnt sich mit Nero Wolfe ein ambitioniertes, vor allem intellektuell verbales Duell  zu liefern.

 Interessant ist, dass Nero Wolfe auch bei der Observierung von Chapin nicht richtig weiterkommt und einige der Hinweise sich in Luft auflösen. Erst als Chapin als dringend Verdächtiger am Tatort bei einem weiteren Mord an einem Mitglied  der Liga der furchtsamen Männer – dieser  Buchtitel wird anfänglich nicht auf die Gruppe übertragen, sondern eher umschrieben -  von der Polizei festgenommen wird, sieht Nero Wolfe seine Prämie in Gefahr und beginnt noch aktiver zu werden.   

 Auch wenn es erst der zweite „Nero Wolfe“ Romane ist, haben sich die Grundstrukturen gefestigt. Archie Godwin ist nicht nur der Helfer,  sondern auch der Sekretär. Nero Wolfe löst nicht nur die Fälle, sondern greift auch konkret zu gefälschten Beweisen, um den Täter zu überführen und Teile des großen Falls abschließend zu relativieren. Es ist eine überraschende Erkenntnis. Sie kommt auch in Kombination mit Nero Wolfe explizierter Aussage und wahrscheinlich auch nachhaltige Anspielung auf Sherlock Holmes, dass ihn Fälle nur interessieren, wenn er entweder dafür bezahlt wird oder eine andere Art der Belohnung erhält. In „Zu viele Köche“ ist es zum Beispiel ein seltenes Rezept. Diese Aussage gibt er gegenüber einem Mörder  ab. Nur mit verbalen Konstruktionen und vor allem die eher ambivalente Zahlung der „Liga“ hat Nero Wolfe dann doch Interesse, den Mörderbloß zu stellen und der Polizei zu übergeben. Diese Informationen hat der Detektiv aber sehr viel länger als es Archie Godwin und die Leser wissen.  Dieser Vorsprung wird quasi im Off erzählt, was spannungstechnisch dem Buch nicht unbedingt gut tut. Vor allem fehlt dem ansonsten ausgezeichnet geplanten und umgesetzten Roman das spannungstechnisch treibende Element.

Nero Wolfe relativiert immer wieder die Erwartung seines Umfelds und ist sich sehr früh sicher, dass es einen anderen Verdächtigen geben.  Dessen „Entführung“ in einem Taxi, während Archie Godwin angeblich ausgeschaltet worden ist,  wirkt  rückblickend leider wie Füllmaterial. Rex Stout versucht in dieser Szene die Leser abzulenken, da es aber bislang nur einen echten Tatverdächtigen gegeben hat, ist diese Vorgehensweise  kontraproduktiv und eher verwirrend. Gewalt ist selten Nero Wolfe Sache und die meisten  Mörder kommen erstaunlich gesittet daher. Die Taten sind entweder sehr lange und sehr konzentriert geplant oder werden aufgrund persönlicher Motive  aus dem Affekt heraus begangen.  Im Gegensatz zu Sherlock Holmes, der sich direkten Gefahren aussetzen muss  oder Erle Stanley Gardners Lam aus den “Cool & Lam“, der in fast jedem Roman einmal bewusstlos geschlagen wird, befindet sich selbst das Faktotum oder besser der verlängerte Arm Archie Godwin selten in direkter körperlicher Gewalt.

Das Finale Zusammentreffen und die Rekapitulation des einzigen wirklich begangenen Verbrechens entsprechen den Mustern, die Agatha Christie in ihren Krimis schon gelegt hat und bieten über einen erstaunlich langen Zeitraum solide Unterhaltung inklusiv der zu diesem Zeitpunkt bizarren Abstimmung, ob Nero Wolfe seinen Auftrag erfolgreich ausgeführt hat und deswegen das Geld bekommen darf oder nicht. Das obligatorische  Patt muss der Detektiv abschließend selbst auflösen.         

 „The League of Frightened Men“  ist aber deutlich stringenter, fokussierter und dadurch vielleicht auch ein wenig packender als der erste Band der langlaufenden Serie „Fer-de-Lance“, wobei Rex Stout Nero Wolfes Exzentrik noch entwickelt und deswegen an einigen Stellen auch seine Leser provoziert.  Diese charakterliche wie konsequente Weiterentwicklung  seines gewichtigen Detektivs macht den Reiz der Serie aus und empfiehlt eine Lektüre in der chronologischen Publikationsreihenfolge.  Obwohl  Nero Wolfe und Archie Godwin „zeitlos“ erscheinen und nicht altern, entwickelt der Autor diese populären Figuren nicht immer konsequent, aber spürbar weiter.

 Der zugrundeliegende Kriminalfall wirkt  allerdings auch ein wenig aufgebläht, wobei die Drohung, aus Nero Wolfe einen fiktiven Buchcharakter zu machen, der grausam sterben wird, eine ironische Verbeugung vor der Macht des Wortes ist.  Nicht selten fallen Nero Wolfe an mindestens zwei Stellen Informationen durch Zufall in die Hände und gäbe es nicht ein zweites Verbrechen, hätte der Meisterdetektiv Schwierigkeiten gehabt, den ersten „Täter“ abschließend beurteilen zu können. Erst in den nächsten Nero Wolfe Romanen wird Rex Stout elegantere Lösungen für seinen Plotverlauf suchen und auch finden.   

  • Series: Nero Wolfe (Book 2)
  • Paperback: 320 pages
  • Publisher: Bantam (January 2, 1995)
  • Language: English
  • ISBN-10: 0553762982
  • ISBN-13: 978-0553762983
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