Raumspringer

Raumspringer, Titelbild, Rezension
David Gerrold

Bei “Raumspringer” handelt es sich die Neuveröffentlichung des in den siebziger Jahren im Rahmen der Bastei Science Fiction publizierten Romans als eBook.  Zu dieser Zeit hat David Gerrold sowohl mit „Zeitmaschinen gehen anders“ als auch „Ich bin Harlie“ – beide Bücher liegen ebenfalls in Neuauflagen vor – bewiesen, dass er mit bekannten Science Fiction Themen ausgesprochen originelle Geschichten schreiben konnte.

Auch „Space Skimmer“ – in den USA 1972 publiziert – hätte ein ungewöhnliches Buch werden können. Nur wechselt der Autor in der Mitte des Plots den Spannungsbogen, in dem er die Suche erst nach den Hinterlassenschaften eines untergangenen Imperiums und schließlich den Flug an Bord eines der legendären „Skimmer“ Raumschiffs zu Gunsten der Rettung eines an Bord genommenen verwöhnten Prinzen eintauscht.

Vor allem einige Autoren wie auch John Brunner haben sich in den siebziger Jahren mit den zerfallenen Reichen der Menschheit in einer fernen Zukunft auseinandergesetzt. Damit stellten sich diese Autoren gegen die Weltentwürfe eines Isaac Asimovs, der seine „Foundation“ Serie anschließend gewohnt expansiv fortzusetzen begann und vor allem die meisten seiner Bücher miteinander zu verbinden suchte. Auch David Gerrold nimmt den Faden Asimovs auf und zeigt auf, wie eine gigantische Expansion ohne die begleitende Technik schließlich zu einem Verfall des Empires führt, während auf der kleinsten gemeinsamen Ebene benachbarter bewohnter Systeme Handel und Technologieaustausch weiter bestehen bleiben. Als wenn das gigantische Reich eher eine Idee, eine Schattenvision gewesen ist.   

Viele der notwendigen Informationen erhält der Leser buchstäblich in erster Linie während der Reise des an einen Wikinger der alten Erde erinnernden Mass vom Planeten Streinvelt. David Gerrold nimmt sich viel Zeit, die Besonderheiten dieser Welt zu Beginn zu beschreiben. Einiges erinnert weniger an Poul Andersons Heroic Fantasy Geschichten denn an H. Beam Piepers auch heute  noch lesenswerte Novelle „The Space Vikings“.  Im Schnelldurchlauf beschreibt Gerrold, wie der Planet von genetisch angepassten Menschen besiedelt und gleichzeitig auch umgestellt worden ist.  Mass ist aber trotzdem in seiner Gesellschaft ungewöhnlich. Es zieht den mit einem Überschweren aus der Perry Rhodan Serie vergleichbaren Krieger zu den Sternen, um das legendäre, wahrscheinlich schon vor hunderten von Jahren untergegangene  Imperium zu suchen. 

Wichtig dabei  ist die Entdeckung eines der noch seltenen Skimmer Raumschiffe, die überlichtschnell die Verbindung zwischen den einzelnen Welten hätten werden können. Aber dieser technologische Quantensprung hat die Dekadenz und den Verfall des mehr als elftausend bewohnbare Welten umfassenden Reiches nicht mehr stoppen können.  

Natürlich findet Mass eines dieser Raumschiffe, die ihre Energie aus der Umgebung beziehen konnten und mit künstlichen Intelligenzen ausgerüstet worden waren. Bei den Beschreibungen geht der Amerikaner eher ambivalent vor, denn im Grunde kann das Schiff alles, nur das Reich nicht zusammenhalten. Viele der Raumschiffe sind aus unerklärlichen Gründen in den Tiefen des Alls verschwunden.  Immer wieder streut David Gerrold im Verlaufe der Handlung einzelne Hinweise ein, ohne diese relevanten und vor allem auch atmosphärisch mit dem spürbaren Hauch der galaktischen Melancholie entwickelten Handlungsarme zu zufriedenstellenden Enden zu führen.  Anscheinend die Lust an der Extrapolation verlieren fokussiert sich David Gerrold plötzlich aus dem Nichts heraus auf eine Art  emotionale zwischenmenschliche Ebene, deren Funke nicht wirklich zünden möchte. 

Im Verlaufe seiner Reise jetzt mit dem Skimmer perfekt ausgerüstet zu den bei den Randwelten verbliebenen Resten des Imperiums sammelt Mass eine Reihe von eher skurrilen als überzeugenden Charakteren ein.  Der biologische Roboter, die vor vielen Jahrhunderten eben für die Skimmer Schiffe entwickelt worden ist, verfügt nicht nur über eine große  Klappe, er ist quasi das Tor des Wissens für den Leser, um in dieses  vielfältige, aber nicht zufriedenstellend entwickelte Universum zu schauen. Nicht selten dienen die belehrenden Bemerkungen Mass gegenüber eher dem Leser, um einzelne Zusammenhänge vielleicht nicht unbedingt hintergründig zu verstehen, aber zumindest Beziehungen zu erahnen.  Am Rande der Farce singt Mass seinem neuen Begleiter anrüchige Lieder, die tatsächlich aus den Wikingerepen Hollywoods der fünfziger und sechziger Jahre stammen könnten.

Da zumindest in der vorliegenden Übersetzung nicht zu erkennen ist, ob David Gerrold diese sich auch gegen Ende wiederholenden, wenig lyrischen Abschnitte des Buches wirklich ernst meinte, bleibt der Leser desorientiert zurück. Spätestens mit dem jugendlichen Prinz, der an einer Art Blutkrebs leidet,  lässt die Handlung zur Farce werden. Larry Niven hat in einer seiner Kurzgeschichten mit der Idee gespielt, dass in einer fremden Gesellschaft Menschen als lebendige Glücksbringer förmlich gezüchtet werden.  David Gerrold dreht diesen Aspekt auf den Kopf und präsentiert mit dem nervigen, todkranken Prinzen im Grunde das unglücklichste Individuum dieser Welt. Hinzu kommt neben einer Art Puppenspielerin eine junge Telepathen, die  von den Herrschern ihrer Welt absichtlich mit einer kurzen Lebensspanne gezüchtet worden ist und deswegen anfänglich von einigen Mitgliedern des Teams abgelehnt worden  ist.

Zu Lasten der Handlung wird jedes neue Teammitglied ausführlich vorgestellt, wenn auch nicht immer mit einem Lied begrüßt.  Anstatt diesen Szenen einen heroischen oder mindestens emotionalen Hintergrund zu schenken, arbeitet David Gerrold sie fast stoisch ab, um dann während des auf der zwischenmenschlichen Ebene eher abrupten Endes vom Leser Empathie einzufordern. Keine leichte Aufgabe angesichts der Struktur des Textes.   

Der Weg ist dabei interessant. Auch wenn die Umsetzung nicht gänzlich gelungen ist, versucht David Gerrold an Bord des Skimmers, eines Mikrokosmos also, das zu entwickeln, was im Großen in den Weiten des Empires gescheitert ist. Aus den unterschiedlichen Wesen werden teilweise  über die Notwendigkeit der Zweckgemeinschaft schließlich nicht nur Verbündete, sondern impliziert Freunde und abschließend Seelenverwandte.    

Dabei verliert David Gerrold die Ausgangsbasis des zerbrochenen Empires aus den Augen und verzettelt sich zu sehr in diesen emotionalen Szenen, die isoliert für sich gestellt ohne Frage experimentell interessant sind, aber in einem größeren Handlungskontext gesehen werden müsste.  Es ist schade, dass  „Space  Skimmer“ anscheinend nur den ersten Band einer möglichen, aber niemals fertiggestellten Serie darstellt. Neben den offenen Fragen wirken die letzten Zeilen eher wie bei einer Fernsehserie als Vorbereitung auf die nächste Folge mit den entsprechenden Herausforderungen. 

 „Raumspringer“ fehlt vor allem ein zündender Funke.  Sowohl „Ich bin Harlie“ als auch „Zeitmaschinen gehen anders“ , ganz zu schweigen von seinem ersten professionellen Verkauf  „Trouble with Tribbles“ waren warmherzig, humorvoll, immer am Rande der schriftstellerischen Selbstanalyse, von einem hohen Tempo durchdrungen und zusätzlich von markanten Dialogen gekennzeichnet. „Space Skimmer“ kann diese Ideale nur an einigen wenigen Stellen vor allem im ersten  Drittel des Plots erreichen, während der Mittelteil fast phlegmatisch wie eine Parodie auf Space Operas wirkt und das Ende zu hektisch niedergeschrieben worden ist. Irgendwo zwischen den Abschnitten steckt ohne Frage ein guter Roman, David Gerrold hat es in diesem Werk aber nicht überzeugend genug geschafft, ihn wirklich zu heben. Und die mehr als fünfundvierzig Jahre seit der Erstveröffentlichung haben dem Buch auch nicht gut getan.  Die E Book Neuauflage ist eher wie  Komplettisten David Gerrold  als das der Amerikaner neue Fans durch dieses Buch gewinnt.       

  • Format: Kindle Edition
  • File Size: 1919 KB
  • Print Length: 152 pages
  • Publisher: Heyne Verlag (26 Mar 2018)
  • Sold by: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Language: Deutsch