Easy Death

Easy Death, Hard Case Crime, Titelbild
Daniel Boyd

“Easy Death” ist der erste Thriller eines ehemaligen Polizisten, der im Ruhestand bislang einen Western veröffentlicht hat. Neben den Nachdrucken unbekannter, vergessener und/ oder wieder aufgefundener Werke bekannter Autoren haben die Herausgeber der Reihe immer wieder den Mut bewiesen, Erstlingswerke von Newcomern zu präsentieren.  Daniel Boyds berufliche Erfahrung spielt in diesem herausfordernd geschriebenen Roman nicht unbedingt die wichtigste Rolle. Es ist schon ambitioniert und experimentell, um ein klassisches Szenario – einen Überfall auf einen Geldtransporter – herum Struktur und Zeit aufzulösen.  Alle Kapitel sind minutiös beschriftet.  Die Erzählperspektive, obwohl der Autor zwischen erster und dritter Person hin – und herwechselt, ist klar unter der Kapitelüberschrift zu erkennen. Die Zeit mit Sprüngen vor, nach und während des Überfalls auf die Minute dokumentiert. Selbst die  Örtlichkeit lässt Daniel Boyd einfließen.  Und trotzdem vereinfacht der Autor auf dieser sehr ambitionierten, teilweise auch bemüht erscheinenden Wechselorgie die Lektüre. Der Leser kann sich erst relativ spät auf die einzelnen Figuren einstellen und ihre Fronten ordnen, bevor während des obligatorischen Showdowns inklusiv des getöteten Beamten – der Autor erwähnt es in den einleitenden Worten des Übererzählers -  einige Erwartungen vor allem der  Leser auf den Kopf gestellt werden.  Auf der positiven Seite erhält man eine Art Rundumblick über den ganzen Überfall, die Planungen und schließlich die Folgen der Tat.  Im Film ist das alles leichter darzustellen, aber es gebührt dem Autoren schon einmal das Sonderlob, es  überhaupt  versucht zu haben.

Zusätzlich  spielt seine Story um Weihnachten des Jahres 1951.  Aus technischer Hinsicht kann er dabei alle heute bekannten Ermittlungshilfen wie Handys  oder Computer ausschalten und sich auf die typische Fußarbeit der Ermittler konzentrieren. Da das Wetter unwirtlich ist und ein Schneesturm selbst normales  vorsichtiges Fahren zu einem Abenteuer macht, hätte die Geschichte auch in der Gegenwart spielen können und die Protagonisten auf beiden Seiten des Gesetzes wären blind gewesen.  Die Idee, Weihnachten mittels verschiedener zitierter Lieder in  die Handlung einzubauen, wirkt allerdings auch bemüht. Sie dienen keinem tatsächlichen Zweck und nicht selten nutzen die einzelnen Figuren die Weihnachtszeit eher für  Geplauder nach dem Ort der jeweiligen Feier,  ob schon alle Geschenke eingekauft worden sind oder das das Wetter dieses Mal besonders schlecht ist.  Der einzige relevante Aufhänger für die Jahreszeit ist der Geldtransporter,  der  mehr als eine halbe Millionen Dollar in sich trägt.  Ungewöhnlich viel Geld, der  Jahreszeit mit den Käufen von Geschenken angemessen. 

Andere Krimiautoren haben die Weihnachtszeit sehr viel besser in den Griff bekommen und in ihre jeweiligen Plots eingebaut.

Walter und Eddie  sollen in einer einsamen Waldstraße den Geldwagen mit einem typischen  Trick des simulierten Unfalls und eines falschen Polizisten vor  Ort anhalten. Daniel Boyd beschreibt die Planung detailliert und gibt sich auch sehr viel Mühe, diese überzeugend zu beschreiben.  Bevor der eigentliche Überfall stattfindet,  springt der Autor in eine Zeitebene, die wenige Stunden nach dem Überfall beginnt und die Verfolger Täter nach der erfolgreich begangenen, aber auch nicht gänzlich glatt gelaufenen Tat beschreibt. Das irritiert, zumal Daniel Boyd sich in einem Punkt ausgesprochen schwer tut. Er  kann keine dynamische Spannung erzeugen und mit den Sprüngen vor  die sowie nach der Tat unterminiert er rückblickend sogar die intensiven Momente des Überfalls.  Wie eingangs erwähnt wechselt  der Autor dann auch die Erzählperspektive.  Der Polizist Drapp nimmt die Verfolgung der Täter alleine auf. Interessant wie subversiv ist, dass die intime Ich- Erzählerperspektive dem Leser Grundsicherheit schenken soll, welche Daniel Boyd während des finalen Showdowns sadistisch wie effektiv stiehlt. 

Dazwischen steht aber eine Problemzone des Buches.  Drapp rekrutiert die  Parkaufseherin Callie Nixon, eine junge wie resolute Frau, deren Posten wieder von einem der  Soldaten übernommen werden soll, die in den Nachwehen des Zweiten Weltkriegs Arbeit brauchen.  Nixons verrückter wie sadistischer Vorgesetzter setzt sie quasi in dem Park gefangen und sie können nicht die Verfolgung der Täter übernehmen. Daniel Boyd versucht aus der Tatsache Spannung zu erzeugen, dass der Leser wie auch die beiden Täter ihren Auftraggeber, den dritten Mann, nicht persönlich kennen. Alle Hinweise deuten natürlich auf Nixons Vorgesetzten.  Vielleicht zu viel des Guten in dieser Richtung.

Leider schöpft der Autor dieses Potential nicht wirklich aus und kann keine der offenen Ideen zu einem zufriedenstellenden Ende bringen. Vom Sadismus des Chefs über die Rückversetzung fähiger Frauen in das wieder zweite Glied bis zu den rassistischen Exzessen. Einer der Täter ist ein Farbiger und wäre beinahe kurz Zeit vorher gelyncht worden.  Willkommen in den fünfziger Jahren. 

Positiv ist weiterhin, dass der Autor keine Schurken und Helden per se präsentiert. Alle Charaktere haben ihre Stärken und ihre Schwächen. Wenn am Ende selbst die Handlager des Bosses sympathisch, überzeugend und vor allem zugänglich erscheinen, ist das eine Stärke des debütierenden Autoren, auf welcher er ohne Frage weiter aufbauen können. Nur muss ihn ein Lektor disziplinieren und das Beiwerk entweder ausschmücken und abschließen oder  es  gänzlich streichen. 

Am Ende des Buches konzentriert sich Daniel Boyd aber wieder auf das Wesentliche und führt den Plot zielstrebig zu Ende.  Drapp erreicht trotz des unwirtlichen Wetters – ebenfalls ein nur ambivalent genutztes Element des ganzen Buches – das Hospital,  in dem sich die Überlebenden des Überfalls aufhalten und medizinisch versorgt  werden. In diesen Szenen löst der Autor anschließend alle Fragen direkt und indirekt den Überfall betreffend auf und zeigt, mit welcher Brutalität und Effektivität der Hintermann die beiden Räuber mit einem für ihn Taschengeld geködert und auch den Behörden ausgeliefert hat.  Aber auch hier scheint Daniel Boyd mehr an einem raschen Abschluss interessiert zu sein.  Wenigstens ist er fokussierter als im viel zu langen und phlegmatischen, von klischeehaften Szenen gekennzeichneten Mittelteil.      

„Easy Death“ ist von der Prämisse her – ein Überfall auf einen Geldtransporter in den fünfziger Jahren vor Weihnachten  bei unwirtlichen Wetter -  im Grunde ein Selbstläufer, der  rasant,  spannend und durch die wechselnden Perspektiven intensiv auf Augenhöhe des Geschehens erzählt werden kann.  Diese  Elemente sind durch den langweilig phlegmatisch und aufgesetzt wirkenden mittleren Abschnitt des  Plots förmlich ausgewaschen worden, so dass „Easy Death“ nur zu Beginn und während des hektischen Ende wirklich als Thriller überzeugt.    

 

  • Taschenbuch: 272 pages
  • Publisher: Hard Case Crime (11 Nov 2014)
  • Language: Englisch
  • ISBN-10: 0857685791
  • ISBN-13: 978-0857685797
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