Gotham Noir Band 4- Die vierte Macht

Christian Humberg

Im vierten Band der Serie fängt der Autor, die verschiedenen Handlungsebenen wieder zu verdichten, ohne das der Plot entscheidend und zwingend notwendig vorangetrieben wird.

Im Vergleich zu „Der Fremde im Spiegel“ ist die Elliot Flynn Handlungsebene die größte Enttäuschung. Am Ende des letzten Bandes lag der okkulte Ermittler schwerverletzt und von der Polizei bewacht im Krankenhaus. Als er wegen einer seltsamen „Erscheinung“ von seiner Sekretärin/ Freundin/Hausmitbewohnerin benötigt wird, erwacht er passend aus dem Nichts heraus und macht sich auf den Weg, im Grunde mit seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert zu werden. Es ist schade, dass Christian Humberg wahrscheinlich auch umfangtechnisch bedingt die guten Ansätze des bislang besten Romans der Serie „Der Fremde im Spiegel“ nicht konsequenter extrapoliert hat und somit den Griff zum Klischee – die Wahrscheinlichkeit, dass Elliot Flynn schon im dritten oder vierten Roman der Serie stirbt, ist relativ gering – noch auffälliger macht.

Der Titel „Die vierte Macht“ bezieht sich auf eine populäre Talkshow, in der seit Jahrzehnten dem Moderator wichtige „Geheimnisse“ anvertraut werden. Hier wird der Prolog des ersten Bandes „Kollateralschaden“ mit dem auf Ellis Island verschwundenen Bürgermeister wieder aufgenommen. Mit ironischen Seitenhieben nicht nur dem Fernsehen gegenüber beschreibt Christian Humberg den sarkastisch überzogenen Verlauf einer klassischen Talkshowsendung, der mit einer gelungenen Überraschung endet. Diese Begegnung mit dem Übernatürlichen führt auf einen Schlag drei Handlungsarme zusammen.

Flynns Vergangenheit; das Verschwinden des Bürgermeisters, der mittels Videobotschaft von seinen Sünden der Vergangenheit berichtet und den studentischen Überschwang des Moderators mit seinen Drogen freundlichen „Freunden“, die alle durch den fahlen Mann miteinander verbunden sind. Mit dem übernatürlichen Phänomen erreicht der Roman einen atmosphärischen Höhepunkt, wobei Christian Humberg auch ein sichtliches Vergnügen hat, einzelne Protagonisten zumindest kurzzeitig in die Irre zu führen. Allerdings kritisch gesehen verabschiedet sich eine vielschichtige und ausbaufähige Nebenfigur zu früh aus der Handlung, wobei zumindest dessen Erinnerungen bleiben. Die dritte relevante Handlungsebene betrifft Sarah Dolan und ihren plötzlich versetzten Vorgesetzten. Akzeptiert der Leser das von Humberg implizierte Chaos einer Behörde, dann könnte es tatsächlich passieren, das ein plötzlich versetzter höherrangiger Polizist „verschwindet“.

Weder telefonisch über die Zentrale noch E- Mail technisch erreichbar ist. Selbst wenn intensiv nach ihm „gesucht“ wird. Das man einen gestandenen Mann – auch wenn er sich selbst in einer eher bizarren Wendung der Ereignisse aus der Schusslinie genommen sieht, in die er Sarah Dolan als seine Vertraute an einem wichtigen Ort förmlich gezogen hat – allerdings auf diese Art Mundtot machen kann, funktioniert schon seit den „X- Files“ nicht überzeugend.

Ebenfalls die langfristigen „Planungen“ mit Vertrauenspersonen, die in entscheidende Positionen geschoben worden sind, müssen noch zufriedenstellend aufgeklärt werden. Von den wahrscheinlich im sechsten Band angebotenen Erklärungen hängt auch der Erfolg der ganzen Miniserie ab. Der Handlungsverlauf beweist positiv, dass Sarah Dolan von höherer, allerdings natürlich nicht behördlich sanktionierter Stelle die Unterstützung erhält, die wichtig ist, um ihr noch unbekannte Flanken mit dem Verschwinden des Bürgermeisters nur als Spitze des Eisbergs mit Hilfe der Carte Blanche Elliot Flynn zu schließen. Nachdem Christian Humberg in den letzten beiden Bänden auch kleinere falltechnische Ablenkungen eingebaut hat, beginnt das Tempo hinsichtlich des übergeordneten Spannungsbogens – verschwundener Bürgermeister, Detektiv mit Vergangenheit und das Revier 666 – deutlich an Tempo zu gewinnen.

Angereichert werden diese drei angesprochenen Handlungsebenen durch einige kleinere Nebenkriegsschauplätze, auf denen der Autor dreidimensional gezeichnete Nebenfiguren agieren lässt. Zwar wirken zwei lange Rückblicke, die zwei Facetten des gleichen Rätsels sein können, für den kommenden fünften Band tempotechnisch eher hinderlich, aber bis auf das zu schnelle Erwachen Elliot Flynns präsentiert Christian Humberg einen unterhaltsam geschriebenen vierten „Gotham Noir“ Roman, dessen vierte Macht die Talkshow ist.

  • Format: Kindle Edition

  • Dateigröße: 710 KB

  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 79 Seiten

  • Verlag: Rohde Verlag (28. Oktober 2013)

  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.

  • Sprache: Deutsch

  • ASIN: B00FAF9SN0

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