Money Shot

Money Shot, Christa Faust, Titelbild, Rezension
Christa Faust

Natürlich kommt es immer gut, wenn ein Profi einen Roman schreibt. Christa Faust hat neben vielen anderen Berufen auch einige Jahre als professioneller Stripperin in New York gearbeitet. Was liegt also näher, als Protagonistin eine ehemalige Pornodarstellerin zu wählen, die inzwischen eine Agentur für  hochklassige Modells betreibt und irgendwie dadurch nicht dem Rotlichtmilieu entkommen ist.

Wer schmierig schmutzige Details des harten Geschäfts mit dem käuflichen Sex erwartet, wird vielleicht enttäuscht. Es gibt Sexszenen und die Protagonistin Angel Dare ist auch leicht zu haben, aber sie muss auch Gefühle wie für ihren Retter Malloy haben. Andrew Vacchs ist in seinen Romanen deutlich weiter unter die Oberfläche des Mädchenhandels, des käuflichen Sexs und der brutalen Ausnutzung von eingeschleppten osteuropäischen Mädchen gegangen. Christa Faust beschreibt auch deren Folgen, aber durch den markanten, leicht ironischen, aber immer pointierten Unterton kommt dem Leser das beschriebene Geschehen nicht so schrecklich vor, wie es die Autorin meinte.

Vor allem weil sie lebendige Charaktere mit entsprechenden Ecken und Kanten aus dem Milieu erschaffen hat, die über die anfänglich getriebene Protagonistin Angel Dare hinaus dem Leser lange im Gedächtnis bleiben.

Um dem Leser den Bogen unter den Füßen weg zu ziehen, ignoriert Christa Faust die erzähltechnische Chronologie und beginnt das Buch mit einem Paukenschlag. Angel Dare findet sich gefesselt in einem Kofferraum wieder und droht erschossen zu werden, nachdem sie vorher entführt, gefoltert und vergewaltigt worden ist. Ein Freund aus der Pornobranche hat sie in eine Falle gelockt. Angeblich wollte er aufgrund eines einzelnen Wunsches noch einmal einen Porno mit ihr drehen, obwohl sie sich als Chefin ihrer Modellagentur seit vielen Jahren aus dem Geschäft zurückgezogen hat.     

Erst im Verlaufe  der ersten fünfzig Seiten erfahren Angel Dare und damit der sich ausschließlich auf ihrer Augenhöhe bewegende Leser dank der mehrfach sehr intimen Ich- Erzählperspektive die Hintergründe. Der Rückblick erscheint wie ein Mosaik. Ein unterernährtes ausländisches Mädchen suchte die Agentur auf, um nach einem von Angel Dares Modells zu fragen. Sie flüchtete durchs Badezimmerfenster. Anscheinend hat sie einer Gruppe von Mädchenhändlern einen Koffer voller Geld gestohlen und sie wollen die Beute um jeden Preis wieder haben. Angel Dare soll wie ihre Freundin sowie der Pornoregisseur wichtige Informationen liefern. Dabei scheuen sie auch nicht davor zurück, Menschen zu töten.

Der Plot ist ausgesprochen stringent erzählt und wirkt in jeglicher Form der Zusammenfassung fast wie eine Aneinanderreihung von Klischees in der Tradition der Women Revenge Filme. Der Ex Cop  Lalo Malloy mit einer eigenen schlechten Vergangenheit dient dabei lange Zeit als eine Art schlechtes Gewissen, bis Christa Faust bei seiner Figur einer der wenigen wirklich überraschenden Wendungen praktiziert und sein bisheriges Verhalten auf den Kopf gestellt. Als moralische Instanz mit der eigenen dunklen Vergangenheit funktioniert Malloy nur bedingt. Angel Dare ist schnell klar, dass ihr bisheriges Leben nicht mehr funktionieren wird. 

Im Laufe des temporeichen Romans nimmt sich Christa Faust immer wieder Zeit, um ihre Figur zu definieren. Sex vor der Kamera macht Angel Dare Spaß, vor echten Gefühlen scheut sie aber zurück. Sie ist intelligent und geschäftstüchtig, sie hat sich wie ihre Kollegin vor vielen Jahren ein kleines Haus gekauft und es nach den eigenen Vorstellungen umgebaut. In beiden Fällen handelt es sich um eine Art von Nest, das sie als ihre Oase abseits der wirklichen Welt ansehen. Das Eindringen der verbrecherischen Umwelt geht ein Heim mit  dem Verlust dieser Rückzugsort. Durch die minutiöse, nicht einmal immer detaillierte Zeichnung der Figuren gewinnt der ganze Roman nicht nur an Stärke, sondern ungeahnter Vielschichtigkeit.

Ein anderes Thema ist die Idee, dass Rache gleichbedeutend allerdings mit der Suche nach Gerechtigkeit die Menschen verändert. Malloy impliziert, dass das erste Mal – einen Menschen zu töten – etwas in einem kaputt macht. Eine Frage, der sich Angel Dare auch stellen muss. Sie hat aber eine interessante Antwort auf diese Idee. Es wirkt bei ihr erleichternd und gibt ihr neuen Mut, den Weg bis zum bitteren, aber konsequenten Ende zu gehen. 

In dieser Hinsicht bewegt sich Christa Faust natürlich auch auf einem schmalen Grat. Die Schurken scheinen sehr leicht zu finden zu sein und vor allem spricht sich vielleicht auch wegen der kurzen Zeit, in welcher diese Story erzählt wird, nicht herum, dass jemand sich rächen will. Gleichzeitig suchen ja die Schurken weiterhin nach dem Koffer mit Geld und Angel Dare braucht diesen, um wiederum an die Hintermänner zu kommen. Es ist fast die Quadratur des Kreises, die aber im letzten Drittel des Buches auch pragmatisch schnell aufgelöst wird. Natürlich stellt sich die Frage, ob eine derartige Organisation von einem ehemaligen Polizisten und einer Stripperin/ Porno Darstellerin so leicht aufgerollt werden kann, aber diese Logiklücken sind im direkten Vergleich zu vielen anderen Machwerken der „Ein Mann sieht rot“ Kategorie viel leichter zu ertragen, da Angel Dare angesichts ihrer Erfolge selbst überrascht ist und das auch dem Leser  mitteilt. 

Die Ich-  Erzählerperspektive  hat  Vor- und Nachteile. Der Leser agiert ausschließlich auf Augenhöhe der Protagonistin und alle wichtigen Hinweise erfährt er zeitgleich. Die chronologische Struktur ist nur in der Auftaktszene -  sie gleicht einem Holzhammer – durchbrochen und Angel Dare muss wenige Seiten später sich den Lesern erst vorstellen. Spannungstechnisch steht aber durch diese Vorgehensweise auch außer Frage, dass Angel Dare zumindest so lange leben muss, um ihre Geschichte erzählen zu können.  Zumindest präsentiert die Autorin mit dem offenen Ende – inzwischen ist ein weiterer Angel Dare Roman erschienen – eine interessante Lösung, welche andere Stellen als die Protagonistin beschäftigt.

„Money Shot“ ist dabei nicht die klassische Jagd nach dem Geld. Von der Seite der Schurken ja, die möchten ihre schwarzen Gelder wieder haben. Aber die erste Diebin hat andere Absichten als Angel Dare und der Leser erst vermuten. Der Ex Cop Malloy zeigt sich auch von zwei Seiten und Angel Dares Rache ist abschließend pragmatisch, konsequent und wie sie selbst sagt sehr zufriedenstellend.  Dabei erspart die Autorin nicht die fürchterlichen Einzelheiten, aber sie spielt die Szenen auch nicht sadistisch bis zum Ende aus.  Niemand stirbt in diesem Buch einen einfachen Tod, aber manchmal muss der Leser einzelne Szenen zweimal lesen, um das Beschriebene zu verarbeiten.

„Money Shot“ ist ein klassischer Hardboiled Krimi in einem modernen Gewand., Es geht weniger um die Suche nach dem Schuldigen, sondern Rache und die konsequente Bestrafung von Menschen, die böses machen und dabei keine Rücksicht nehmen. Das biblische „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ Motiv mit sehr guten, ein wenig vielleicht verklärten Hintergrundinformationen über das Erotikgeschäft, aber auch den brutalen Mädchenhandel. Hinzu kommt eine überragende ungewöhnliche Protagonistin doch mit einem Herzen aus Gold, aber wenig Naivität und ein humorvoll selbstironischer Erzählstil, der aber vor brutalen Exzessen nicht zurückschreckt.

Hard Case Crime

Taschenbuch, 252 Seiten

February 2008
ISBN: 978-0857683465
Cover art by Glen Orbik

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