Amerika Band 1 - Flucht in die neue Welt

Amerika 1, Rezension, Titelbild
Jörg Kastner

Mit „Flucht in die neue Welt“ beginnt der BASTEI Verlag die Neuauflage einer schon in den achtziger Jahren veröffentlichten Auswandererserie aus der Feder des vor allem für seine historischen Romane bekannt gewordenen Jörg Kastner. Sollte die Reihe ein erfolg werden, hat Jörg Kastner angedeutet, über die damals publizierten zweiundzwanzig Romane hinaus eine Fortsetzung zu verfassen.

 Der erste Roman ist vor allem aus heutiger Sicht keine zufrieden stellend Lektüre. Jörg Kastner versucht beginnend mit „Flucht in die neue Welt“ ausführlich darzulegen, warum sein Protagonist Jacob Adler im Grunde nur in die USA fliehen und dort die Reste seiner Familie suchen kann. Dabei drückt ihn der Autor förmlich nieder. Alle Klischees prasseln in einer derartig raschen Reihenfolge auf ihn ein, dass sie sich abschließend gegenseitig negieren und damit die Grundidee unterminieren.

 Jacob Adler kehrt inzwischen als fertiger Zimmermann von seiner Walz in seine Heimatstadt zurück. Elbstadt liegt in der Nähe von Hamburg. Dort erwartet ihn eine Reihe von Überraschungen. Die Mutter ist tot. Der Vater hat den Ort verlassen und ist wahrscheinlich in die USA geflohen. Man ihn ihm vorgeworfen, dass er beim Bau einer Kirche gepfuscht hat. Durch den Einsturz des Daches sind mehrere Menschen ums Leben gekommen. Wie sich im Verlaufe des Romans herausstellt, handelt es sich um ein Komplott, um ihn zu ruinieren und billig sein perfekt gelegenes Haus zu übernehmen.

 Seine Verlobte hat sich mit dem örtlichen Brauereisohn eingelassen und ihn geheiratet, damit dieser die Behandlung ihrer Mutter bezahlt. Schon in Kindertagen sind Jacob Adler und Arning immer wieder zusammengestoßen. Arning ist – wie ein kleiner Rückblick offen legt – ein opportunistischer Sadist.

 Es kommt zum Konflikt zwischen Arning und Adler, wobei auch hier der Zufall dem jungen Zimmermann in einer derartigen Form hilft, dass es unglaubwürdig erscheint. Kastner überspannt den Bogen, um dieses verbotene Duell als einen weiteren Ausgangspunkt für die nächste Anzeige gegen Jacob Adler zu nutzen.

 Natürlich stehen viele Menschen unter dem mächtigen Einfluss der Arnings, dem anscheinend wichtigsten Arbeitgeber in dem kleinen Ort. Das aber alles so perfekt organisiert worden ist und niemand wirklich einen Hauch des Verdachts gegen den „unbescholtenen“ Arning formuliert, erscheint unwahrscheinlich. Zumal es anscheinend ja nicht nur die Adler Familie ist, die von dem aggressiven Arning betrogen worden ist. Aber damit der Plot funktionieren kann, braucht es einen allgegenwärtigen und erdrückend überlegenen Feind, dem in diesem Fall der ein wenig naive, aber körperlich kräftige ehrliche und bodenständige Jacob Adler in die USA weichen muss.

 In Hamburg erhält Jacob Adler mit Martin Bauer – die Namensgebung erscheint ein wenig zu einfach – einen Begleiter, der ihm aus der Not hilft und anscheinend auch als erfahrener Ratgeber zur Seite stehen wird. Er ist das Hirn dieses Duos, während Jacob Adler mit seiner Abneigung gegen Feuerwaffen, aber einer kräftigen immer nur aus Notwehr eingesetzten Faust weniger an die klassischen Westermänner, sondern eine Art Arbeiter Old Shatterhand erinnert.

 Jörg Kastner packt positiv viel Handlung in den Auftaktroman. Mit dem offenen Rahmen weiß der Leser zusätzlich zum Titel, dass die Flucht gegen alle Widrigkeiten und Wahrscheinlichkeiten gelingen wird. Die ersten drei Hefte spielen noch in Deutschland bzw. auf See.

Historisch gesehen  spielt der Plot in den frühen 1860er und damit früher als die Old Shatterhand Geschichten. Die USA ist noch vom Bürgerkrieg zerrissen, der Süden hat die ersten militärischen Triumphe eingefahren, während der Norden sich langsam aufrüstet und auf die Bedrohung zu reagieren beginnt. Diese rudimentären Informationen erhält Jacob Adler noch in der Heimat. Der einzige Hinweis auf seinen Vater und seine Schwester ist ein natürlich an der richtigen Stelle verbrannter Brief, der Jacob Adler nicht verrät, wohin sich sein Vater in den USA gewandt hat. Vielleicht hat er dort lebende Verwandte aufgesucht? Vielleicht baut er sich auch irgendwo anders eine eigene Existenz auf.

 Mit dieser wagen Prämisse kann sich der Autor über die ganze USA verteilt bewegen. Aber Jacob Adler muss erst einmal im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ankommen. Spannungstechnisch wäre es sinnvoll gewesen, weniger auf die Schultern des armen Zimmermanns zu laden und die Handlung sich langsamer, dafür auch überzeugender entwickeln zu lassen. Jörg Kastner hat in diesem sprachlich solide geschriebenen, aber irgendwie auch zu einheitlich erscheinenden Roman weniger den an die Klischee gewöhnten Leser, als seinen nur reagierenden Charakter überfordert und damit sich für den Auftakt eher einen Bärendienst erwiesen.     

Bastei Verlag

Heftroman 64 Seiten

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