Jack aus den Schatten

Roger Zelazny

Die fast zehn Jahre nach der Erstveröffentlichung publizierte deutsche Ausgabe des Heyne Verlage verfügt nicht über das Vorwort der amerikanischen Nachdrucke. Im Original spricht Roger Zelazny davon, dass der Titel eine Hommage an das Werk, aber nicht unbedingt sklavisch den Menschen Jack Vance ist. Wie Jack Vance wollte Roger Zelazny eine Science Fiction Geschichte verfassen.  Der ursprünglich in "The Magazine of Fantasy and Science Fiction" publizierte Roman ist ein Jahr später für den HUGO nominiert worden. Interessant ist, dass zwischen der Magazinveröffentlichung und der späteren Buchausgabe es zu einem Druckfehler gekommen ist. Die Konversation zwischen Jack und seinem Gefährten Morningstar ist nicht vollständig nachgedruckt worden, ein Fehler, den die deutsche Ausgabe nicht macht.

Wie viele von Roger Zelaznys Romanen entwickelt sich der Plot sehr kompakt, die Hintergründe werden eher beschrieben und rudimentär entwickelt, als das sie ausführlich wie bei vielen anderen Science Fiction oder Fantasy Romanen dem Leser vorgestellt werden. Dabei handelt es sich wie Amber um eine der besten Schöpfungen Zelaznys, die mehr als die später veröffentlichten Prequel Geschichten verdient hätte.

Auch wenn es Zelazny niemals expliziert anspricht, spielt seine Geschichte auf einer geteilten Erde. Auf der einen Seite des Planeten ist immer Licht, hier hat sich ein dem Leser vertrauter wissenschaftlicher Fortschritt entwickelt. Auf der anderen Seite der Welt herrscht immer Nacht, hier agiert die Magie. Naturwissenschaftliche Phänomene lässt Roger Zelazny bei seiner Schöpfung aus. Es kommt ihm eher auf Stimmungen an. Auf der Nachtseite leben mächtige und natürlich magisch begabte Wesen. Auch hier bleibt Roger Zelazny eher ambivalent und genügt sich mit Andeutungen. Im Verlaufe des Romans wendet sich diese Ambivalenz gegen den Plot, da an einigen wichtigen Stellen weitergehende Erklärungen dem Leser geholfen hätte. Zusätzlich erschwert die durchgehend subjektive Perspektive einen komplexeren Einblick in diese Doppelwelten.

Unzuverlässiger Mittler ist der Titelheld Jack aus den Schatten oder Shawdowjack. Er ist eine besondere Kreatur. Unabhängig von seinen kriminellen Fähigkeiten als einer der besten Diebe anscheinend beider Welt zieht er seine Kraft aus den Schatten. Das wirkt paradox, wird aber gleich zu Beginn ausgesprochen gut erklärt. In kompletter Helligkeit ist er hilflos. Es gibt keinen Schatten. In kompletter Dunkelheit kann niemand seinen Schatten sehen, bzw. er wirft gar keinen Schatten. Auch hier ist er hilflos. Er braucht selbst einen sehr kleinen Schatten, um seine Kräfte zu entfalten. In diesen Momenten ist er unbesiegbar. Die Faszination mit dieser Figur unterminiert Roger Zelazny fast unabsichtlich, in dem er Jack einen Begleiter an die Seite stellt, welcher nicht nur das Mitleid der Leser auf sich zieht, sondern vor allem so unfassbar fremdartig ist, dass er aus einer anderen Welt stammen könnte. Morningstar ist vor unendlicher Zeit bestraft worden. Er ist in einem Stein gefangen. Am Rande der Nacht, so dass er nicht leicht befreit werden kann. Sein Kopf und seine Glieder ragen bei Dämmerung aus dem Stein heraus, aber anscheinend kann nur das volle Tageslicht ihn befreien. Ein Tageslicht, das es an dieser Stelle nicht geben wird.

Jack übernimmt einen schwierigen Auftrag. Er will und soll den Schlüssel finden, der verloren gegangen ist. Wie es sich für einen ordentliche Fantasyroman gehört, hat er keine Ahnung, welchen direkten Einfluss dieses Artefakt auf sein eigenes Leben haben wird.

Rückblickend und keine der Ergänzungen betrachtend ist "Jack aus den Schatten" auf der interessanten positiven Seite ein Roman, der vom Potential her die Amber Chroniken buchstäblich hätte in den Schatten stellen können. Jack ist ein vielschichtiger Charakter und sehr viel eckiger als Corwin von Amber bzw. sein Sohn in der zweiten Serie. Während Corwin von Amber im Grunde fast eindimensional langweilig in einem durch den Ehrgeiz der anderen Familienmitglieder bestimmten zwischendimensionalen Machtkampf erscheint, ist Jack ein Getriebener. Seine Einzigartigkeit isoliert ihn auf der einen Seite, hebt ihn aber auf der anderen Seite aus der Masse der Fantasy Helden heraus. Auch wenn er kein Albino wie Michael Moorcocks "Elric von Melnibone" ist, scheinen sich in Jack aus den Schatten zwei konträre Positionen zu vereinen. Er ist weder Licht noch Dunkelheit und damit in keiner der beiden Welten zu Hause. Um sich selbst zu definieren versucht Jack mit immer waghalsigeren Aktionen die Mächtigen auf beiden Seiten zu provozieren. Nach einer sehr guten Einleitung bestehend aus verschiedenen Dialogen und selbstironischen Beschreibungen verliert Roger Zelazny diesen Fäden aus der Hand und macht Jack zu einem depressiven, melancholischen Antihelfen, der sich im Grunde dem nihilistischen Ende des Romans anpasst.

Der Leser würde wahrscheinlich mehr mit Jack fühlen, wenn er mehr über ihn wüsste. Zu sehr verweigert Roger Zelazny immer wieder entsprechende Ansätze, beendet einige Szenen abrupt und jagt Jack weiter durch eine psychedelische Landschaft auf dem Weg wieder zurück ins Leben. Den Jack kann getötet werden, aber solange sich ein kleiner Teil seines Schattens sich in seiner Nähe befindet, kehrt der Antiheld zwar einen langen Weg durch verschiedene Welten gehend wieder zurück. Diese Art der Reise ist weder für die Fantasy noch für Roger Zelazny selbst neu oder innovativ, aber der Amerikaner konzentriert sich auf einige Fixpunkte und versucht mittels Allegorien eine Beziehung zur irdischen Sagenwelt herzustellen und seine Science Fantasy Geschichte besser zu verankern.

Wie in den Amber Chroniken spielt die Technik der Erde eine wichtige Rolle. Im Gegensatz zu den insgesamt zehn Amber Romanen ist die Erde nicht eine Spiegelwelt, sondern elementarer Bestandteil dieses von der Grenze geteilten Universums. Dadurch verzichtet Roger Zelazny auch auf entsprechende Hinweise und wenn Jack aus den Schatten den irdischen Boden betritt und sogar die Technik kennenlernt/ nutzt, ist es nur ein kleiner Schritt für einen Fantasyhelden. 

Mit einem Computer wird Jack aber nicht allmächtig, er kann in Roger Zelaznys Interpretation nicht besiegt werden. Auch diese Position macht der Autor zu wenig nachhaltig deutlich, da Jack aus den Schatten im Grunde die Möglichkeit hat, die bestehende Welt zu zerstören und gleichzeitig etwas Neues zu erschaffen. Impliziert wird allerdings, dass mit dieser Veränderung der einzige hundertprozentige Profiteur ausgerechnet Jack selbst ist, denn die Grenzen verschwimmen und es wird dann immer Schatten geben. Die Folgen dieser für viele Wesen und Menschen katastrophalen Veränderungen miniert Roger Zelazny auf die finale Auseinandersetzung in einem surrealistischen Land. Auch bei seinen "AMber" Romanen oder einigen seiner später erscheinenden Science Fiction Romane wird der Autor Veränderung zwar als Chance anerkennen, aber niemals die katastrophalen Folgen für den Status Quo mit einer SIlbe erwähnen. Dabei geht es nicht um die Herstellung eines bessere Zustandes, sondern alleine um den Wechsel, um die anarchistische Zerstörung eines bestehenden Zustandes ausgerechnet durch Protagonisten, die nicht selten durch ihr kindisches bis kindliches Verhalten negativ aufgefallen sind.

Zu den Stärken gehört, wie mühelos Roger Zelazny Fantasywelten mit der Science Fiction verbindet. So erinnert manches an eine Sword & Sorcery Version seines ausgezeichneten Romans „Herr der Träume“,  wobei vor allem das Ende als Gegenentwurf zu diesem Buch verstanden werden kann. Mit Jack aus den Schatten hat Roger Zelazny zusätzlich den Mut gehabt, einen interessanten Antihelden zu präsentieren, den der Autor allerdings in den insgesamt vor  dem Roman spielenden Kurzgeschichten über die nächsten fast fünfzehn Jahre weiter entwickeln sollte.  Das wirkt paradox, aber für die Komplexität der Handlung opfert der Amerikaner sehr viel auf der emotionalen Handlungsebene. Vor  allem,  weil er im  Gegensatz zu Jack Vances „Dying Earth“ Geschichten nur den Hintergrund als Hommage sieht und  im Vordergrund eher eine dunkle,  moralisch und moralisierende Geschichte eines im Grunde unsympathischen Diebes und amoralischen Charakters erzählt, der beginnend mit seiner Hinrichtung durch Köpfen im ersten Kapitel alles das zerstören möchte, was ihn teilweise auch auszeichnet. 

Nur macht Roger Zelazny diese Ideen zu wenig offensichtlich und verfügt sich in einzelnen, isoliert geschriebenen Szenen, die spannungstechnisch zu wenig intensiv miteinander verbunden worden sind. Da hilft das nihilistische, aber auch folgerichtige Ende zu wenig. 

Wie Licht und Schatten zerfällt der Roman in zwei Teile, wobei insbesondere der Beginn dank der Originalität,  der Vorstellung der Protagonisten und der fremdartigen Welt deutlich besser ist als die schwerfällige zweite Hälfte. 

 

Originalausgabe erschienen 1971unter dem Titel „Jack of Shadows“,deutsche Ausgabe erstmals 1982, 186 Seiten.ISBN 3-453-30824-7.Übersetzung ins Deutsche von Hans Maeter.

Jack aus den Schatten. Fantasy-Roman.: Zelazny, Roger:

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