Kara Ben Nemsi Neue Abenteuer Band 10 "Die Shejitana"

H.W.Stein (Herg.)

Im Auftaktband einer neuen Trilogie  “Die Shejitana” macht Thomas Ostwald sehr viel richtig und bemüht sich, den bisherigen überwiegend in den arabischen Nationen spielenden Hintergrund durch einen langen und auch interessanten Abstecher nach Wien als Ausgangsbasis einer neuen teilweise widerwilligen Expedition in schon bekannte Orte zu erweitern.  Er macht aber auch einen Fehler,  der nicht zum ersten Mal in seinen Büchern auftaucht. Der Autor neigt zur Wiederholung bestimmter Situationen mit nur bedingt variierten  Ausgangssituationen.  Bis zur Seite einhundert dieses ersten Buches ist Old Shatterhand alias Kara Ben Nemsi alias Karl Winter dreimal  bewusstlos niedergeschlagen  oder betäubt worden.  Spätestens beim dritten Mal  müssen die Sinne des erfahrenen Westmannes, Abenteurers und Pinkerton Detektivs anschlagen.  Natürlich ist jede Ausgangssituation anders und abschließend wird Kara Ben Nemsi sogar entführt, aber als Ganzes betrachtet ermüden diese aufeinanderfolgenden Szenen.  Die erste Sequenz ist dabei die beste. 

Eine  zweite bedingt Schwäche ist  das bei Thomas  Ostwald schwache Geschlecht, das  sich als stark erweist.  Schon im ersten nicht von ihm verfassten Sechsteiler um die Rückkehr des Schut haben die Autoren eine willensstarke, charismatische wie gefährliche Frau eingeführt. Im Wilden Westen ist Old Shatterhand – dieser Dreiteiler  spielt nach den Ereignissen von mindestens sechs neuen Abenteuern – ebenfalls einer attraktiven wie sehr gefährlichen Frau begegnen. Dass er hier dem Charme der  Verwandlungskünstlerin und anscheinend russischen Gräfin mehrfach gegen alle Warnungen erliegt, dient der Konstruktion des Plots, erscheint aber ebenfalls unwahrscheinlich.

Beide Aspekte  weisen aber auf eine gänzlich andere Idee hinter den neuen Abenteuern der beiden Karl May Überheldeninkarnationen Old Shatterhand oder Kara Ben Nemsi hin.  Obwohl Freundschaften und  Heldentaten manchmal wider Willen im Mittelpunkt der vor den exotischen, aber historischen überzeugend aufbereiteten Schauplätzen stehen, vermenschlicht Thomas Ostwald seinen Protagonisten.  Er kann sich zumindest platonisch verlieben und schaut auch dem weiblichen Geschlecht nach. Selbst ab und zu einen Schluck Alkohol kann er vertragen, von den leiblichen Genüssen immer als besondere Geschenke dargereicht einmal abgesehen. Er macht auch große Fehler. Karl May hat seinen Überhelden allerhöchstens Fehleinschätzungen zugestanden, welche die Männer des vor  allem christlichen Friedens auch selbst ausgeglichen haben. Die Rettung erfolgte  überwiegend aus dem inneren  Kreis der Weggefährten und Freunde, nur sehr selten von außen. Auch diese Barriere haben die  Autoren der neuen Abenteuer durchstoßen. 

Sieht man die beiden oben angesprochenen Schwächen als Bestandteil des Vermenschlichungsprozess der Überfiguren, liest sich „Die Shejitana“ als Auftakt einer neuen Trilogie ausgesprochen flott. Aus einem der  vorangegangenen Zyklen ist die Idee einer geheimnisvollen, noch nicht weiter untersuchten Nekropole in der Nähe von Kairo  übernommen worden. Der Weg führt auch mit einigen Umständen bepflastert gegen Ende der Geschichte wieder dahin. 

Einen breiten Raum nimmt Wien ein.  Auf Einladung der Österreichischen Geographischen Gesellschaft soll Kara Ben Nasmi alias Karl Winter nach Wien reisen und auf dem dortigen Kongress über die Kartographie der Nekropole berichten.  Gastgeber ist der ägyptische Vizekönig, ein Freund Kara Ben Nemsi.

Thomas  Ostwald nimmt sich über den ganzen Roman betrachtet sehr viel Zeit, um das Flair, aber auch den Wiener Schmäh ausführlich zu beschreiben. Das Wien des 19. Jahrhunderts mit seiner Arroganz, aber auch seinem gekünstelten Liebreiz, seiner seltsam verspielten Atmosphäre erwacht vor den Augen des Lesers zu einem dreidimensionalen Leben. Vor  allem stimmt die Balance zwischen leicht belehrenden Exkursen mit Hintergrundinformationen und der vordergründigen Handlung immer besser.  Nur für wenige Absätze wird der Handlungsfluss unterbrochen und der Autor präsentiert die Fakten inzwischen in einem deutlich unterhaltsameren und weniger belehrenden Ton, wie es Karl May manchmal an sich gehabt hat.

An einem der Abende verfolgt Kara Ben Nemsi, wie anscheinend eine schöne Frau in einer Gasse überfallen wird.  Er versucht ihr zu helfen, wird aber von ihr niedergeschlagen.  Er wacht auf der Polizeistation. Anscheinend ist der angebliche Täter  ermordet worden.  Es ist nicht die einzige Leiche, welcher Kara Ben Nemsi im vorliegenden Band begegnet.  Immer steht eine betörende wie gefährliche Frau im Mittelpunkt  des Geschehens.  Später wird sie trefflich als  ein Engel  mit Satansaugen beschrieben.  Die  Polizei sieht in einer der eher konstruierten Szenen mal Kara Ben Nemsi als Verdächtigen, dann wieder aufgrund der Beweise am Tatort nicht.  Im Hotel wird in das Zimmer des Vizekönigs eingebrochen, nachdem er Damenbesuch gehabt hat. Anscheinend will er die Identität  der Schönheit selbst seinem  besten Freund Kara Ben Nemsi nicht offenbaren, was den professionell inklusiv entsprechender Schlüssel zum Tresor  abgewickelten  Einbruch zu einem doppelten Rätsel  macht.  Ob ein so einflussreicher Mann angesichts der seltsamen Vorgänge nicht wirklich seinen Freund ins  Vertrauen zieht, bleibt unausgesprochen. 

Es zeigt sich schnell, dass es vor allem um die Geheimnisse der Nekropole und ein besonderes Zepter geht.  Bis Kara Ben Nemsi  schließlich mit Freunden in Port Said ankommt, muss er einige Herausforderungen meistern, wobei Thomas Ostwald clever vorgeht.  Der Autor liefert  in Person seines Helden kontinuierlich Fragen. Meisterlich endet dieser Spannungsaufbau in einem privaten Zug in der Nähe von  Budapest. Auch hier können die Freunde nur helfen, weil sie einen Hinweis bekommen. Dieser  wirkt aber angesichts der bisherigen Informationen eher  dürftig und erscheint konstruiert. Die Szene endet mit einem Paukenschlag, der noch mehr Fragen aufwirft. Es bleibt abzuwarten, ob und in welcher Form Thomas Ostwald diese Aspekte noch einmal aufgreift und für den Leser zufriedenstellend erklärt. 

Es geht ihm ja um die Entwicklung des Plots und in dieser Hinsicht überzeugt der Auftaktband durch ein  hohes Tempo.  Es ist nicht unbedingt notwendig, mindestens die letzte Trilogie um die Nekropole gelesen zu haben. Es gibt ausreichend kleine Hinweise oder zumindest Fußnoten.  Es erhöht aber das Lesevergnügen des vorliegenden Romans, da  vor allem Karl May unkundige Konsumenten deutlichmehr Hintergrundinformationen bekommen und die zufällige wie gefährliche Entdeckung dieser  bislang unbekannten Nekropole direkt verfolgen konnte.  Hintergründe wird der Leser aber erst in dieser Trilogie erfahren. 

Solide geschrieben mit einigen sehr guten Actionszenen sowie einer sich entwickelnden gefährlichen Antagonistin entwickelt sich der Spannungsbogen auch aufgrund des ungewöhnlichen wie interessanten Wiener Hintergrunds  originell und fesselnd. 

Taschenbuch,  142 Seiten

www.blitz-verlag.de

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