Mit „Die letzten Tage der Ewigkeit“ ist die erste Veröffentlichung einiger seiner besten Kurzgeschichten – es sind vier – und zwei Novellen in Buchform, wobei nur eine Arbeit „Zur Feier meines Todes“ eine Erstveröffentlichung ist. Frans Rottensteiner leitet die Sammlung mit einem euphorischen umfangreichen Vorwort ein, das den roten Faden in Michael Iwoleits inzwischen umfangreichen Werk sucht und gleichzeitig herausarbeitet, dass vor allem die sekundärliterarischen Arbeiten über einige der besten Kurzgeschichtenautoren des Genres das Auge des Autoren noch mehr geschult haben. Michael Iwoleits Stärke liegt wahrscheinlich mehr in der Novelle, wie vor allem nicht nur die beiden hier versammelten Arbeiten im Gegensatz zu den Kurzgeschichten unterstreichen, sondern seine Verlängerung einer im Grunde perfekten Arbeit zum Roman „Psyhack“ zeigt. Durch die zweite Handlungsebene verliert der Text seine Kompaktheit.
Franz Rottensteiner zeigt auf, die bei Michael Iwoleit eine kritische Betrachtung zukünftiger Technik die sozialen Ordnungen nicht nur beeinflusst, sondern teilweise auflöst. Dabei sind seine Machtstrukturen manchmal ein wenig oligarchisch archaisch und müssen von den getriebenen Antihelden vielleicht nicht unbedingt gestürzt, aber zumindest ins Wanken gebracht werden. Nicht selten ist der Tod entweder der Übergang zu einer neuen gleichzeitig erregenden wie Furcht erregenden Existenz oder eine Art Katharsis, bei welcher die Figuren den Ballast ihrer nicht alltäglichen Leben ablegen können.
Insbesondere die letzte Geschichte dieser Anthologie „Wachablösung“ soll unterstreichen, wie die Menschen zwar Sonden zu den Sternen schicken und dort fremde Planeten erkunden wollen, diese aber der menschlichen Existenz konträre Lebensformen in sich tragen, deren Entwicklung von der Primitivität zum etwas Anderem kompakt, komplex aber auch ein wenig zu stark strukturiert beschrieben wird.
Die Auftaktgeschichte „Der Schattenmann“ zeigt die Stärken und Schwächen des Kurzgeschichtenautors Michael Iwoleit gleichzeitig. Ein Leibwächter wird für eine besondere Mission angeheuert. Er wird dabei schwer verletzt, kann aber seinen Schutzbefohlenen zumindest zynisch so weit retten, als das er wieder rekonstruiert werden kann. Bei den Untersuchungen stellt sich heraus, dass der Leibwächter vielleicht nicht mehr der ist, der er selbst zu sein glaubt. Diese mögliche Paranoia zeichnet die besten Arbeiten Philip K. Dicks aus und manche Grundzüge erinnern auch an die prämierte Novelle „Psyhack“, wobei viele Ideen aufgrund der fehlenden Komplexität, der extremen Kompression des Plots einfach verloren gehen. Die große Stärke Michael Iwoleits ist es, zugängliche Protagonisten in den Leser schwer verständlichen und deswegen auch so faszinierenden Situationen zu beschreiben. Als Grundlage für eine Novelle ist „Der Schattenmann“ ein ideales Sprungbrett, als allein stehende Novelle erlischt die Flamme des Interesses vielleicht einen Hauch zu schnell.
Auch in den beiden anderen Kurzgeschichten „Die letzten Tage der Ewigkeit“ und „Planck-Zeit“ geht es um die intensive Beziehung zwischen phantastischen wissenschaftlichen „Ideen“ und Versuchen sowie dem zwischenmenschlichen Bereich. „Planck-Zeit“ verfügt im Mittelpunkt über eine seltsame Liebesgeschichte zwischen einem Reporter/ Autoren und seiner sehr attraktiven Agentin. Am Ende muss der Erzähler kennen, dass nur der Augenblick zählt. „Die letzte Tage der Ewigkeit“ konzentriert sich auf den Wettlauf zwischen zwei langjährigen Freunden, angestachelt durch die „Liebe“ einer reichen jungen Fau, welche den erfolgreicheren der Beiden zum Mann nehmen will. Interessant ist, dass dieser Wettstreit im Grunde nicht gegeneinander, sondern angesichts der Herausforderungen miteinander stattfinden kann. Am Ende wird in beiden Texten die Erkenntnis stehen, dass der Mensch nur in der Theorie Gottgleich agieren kann. Selbst der Schöpfungsprozess erscheint als billige Kopie, wobei sich bei „Planck-Zeit“ die Frage stellt, warum es anscheinend ein „vorher“ und ein „nachher“ gibt, während beginnend mit dem Urknall ja etwas gänzlich Neues entstanden ist. Beide Texte leben von der inhaltlichen Suche der Protagonisten entweder nach Erkenntnis und Wissen oder in der zweiten Story nach Fakten, nach einer Story, welche verkaufbar. Die Figuren sind interessant, wenn auch manchmal in ihrem Handeln ein wenig zu stereotyp gezeichnet worden, wobei „Die letzten Tage der Ewigkeit“ mit einem breit zu interpretierenden Ende überzeugender ist als „Planck-Zeit“, deren Zusammenhänge der Leser angesichts verschiedener schon veröffentlichter Variationen dieser Idee lange vor dem Protagonisten erkennen und verstehen kann.
Zwei längere Texte sind in dieser Sammlung vorhanden. „Ich fürchte kein Unglück“ und „Zur Feier meines Todes“
Michael Iwoleit malt angesichts der vielen Ideen manchmal mit einem breiten Pinsel eine brutale und doch auch exotisch faszinierende Welt, während seine „Liebesgeschichte“ „Ich fürchte kein Unglück“ sich mehr auf pseudowissenschaftliche Theorien konzentriert. Hier ist es ein Programmierer, der irgendwo zwischen dem Erbe seines Vaters, für dessen Tod ist mittelbar verantwortlich ist, und der Suche nach einer erotischen geheimnisvollen Frau nicht nur die bestehende Computertechnologie mit seinen Ideen auf den Kopf stellt, sondern am Ende nihilistisch erkennen muss, das diese Suche im Grunde umsonst gewesen ist. „Ich fürchte kein Unglück“ überzeugt mehr durch die feinere Zeichnung der Protagonisten und nicht nur des klassischen, ein wenig zu wehleidigen Antihelden mit seiner späten Erkenntnis. Die abschließende Idee ist ein Faustschlag nicht nur in den Magen des Protagonisten, sondern auch des Lesers. Vielleicht wirken die Bibelzitate ein wenig zu aufgesetzt und erzeugen eine Pseudosicherheit, die es in Iwoleits Welten niemals gibt, aber sie dienen als Leitplanke. Für diese Geschichte erhielt er den SFC Literaturpreis
Die einzige Originalgeschichte bzw. Novelle "Zur Feier meines Todes" beinhaltet wie alle Michael Iwoleit Arbeiten fast zu viele teilweise ein wenig bemüht zusammengesetzte Ideen. Dabei hat der Leser das unbestimmte Gefühl, als wenn der Autor Aspekte aus "Wir waren außer uns vor Glück" von David Marusek absichtlich aufgenommen und aus einer bedingt anderen Perspektive erzählt hat. In beiden Zukunftsversionen ist die nächste Generation zwanghaft von oben geplant. Michael Iwoleit geht einen Schritt weiter. Die Resourcen sind begrenzt, am Ende erfährt der Leser, dass diese Menschen auch unter einer Art Schutzglocke bzw. Oasen leben und im Grunde unsterblich sind. Wenn ein Mensch sich entschließt, freiwillig aus dem Lebnen zu scheiden, dann darf eine andere Familie ein Kind bekommen. Der Protagonist entschließt sich, sich an seinem 250. Geburtstag zu töten und gibt eine "Feier" für diese später fast mystisch geplanten Freitod, an dem auch die zukünftigen Eltern teilnehmen sollen. Nur der Vater entschließt sich, der Einladung zu folgen und den legendären Mann kennenzulernen, der ihm neues Leben schenkt.
Der Leser lernt die beiden Protagonisten auf eine sehr unterschiedliche Art und Weise kennen. Vor allem der Wohltäter präsentiert sein Leben den Gästen in virtuellen Szenen, in welche diese eintauchen können. So lernen sie einen Getriebenen kennen, der weder wahre Liebe empfinden noch seinen scheinbar unstillbaren Durst nach Wissen befriedigen kann.
Neben den Veränderungen einer dekadent erscheinenden unsterblichen Gesellschaft hat Michael Iwoleit unglaublich viele andere Ideen eingebaut. Die Bildung eines HIVE Bewusstseins, das aus Menschen Bienenschwärme macht. An dieser Evolution scheint tatsächlich auch ein Unsterblicher zu zweifeln, auch wenn er mit seinen Forschungen bedingt sogar an dieser Entwicklung Schuld ist. An einer anderen Stelle geht es um das Verpflanzen von Erinnerungen, Persönlichkeiten. Den zynischen Aspekt präsentiert Michael Iwoleit wie an einigen anderen Stellen brillante Ideen auch nur im Vorübergehen und unterminiert die zynische Brutalität dieser Zukunftswelt.
Moral bzw. Amoral sind ein schmaler Grat, auf dem Michael Iwoleit die Geschichte eines Verlorenen aufbaut. Er kann nicht verstehen, dass viele Menschen seine Forschungen ablehnen, auch wenn sie schließlich die sozialen Strukturen der Menschheit verändern. Ein großer Wurf für einen einzelnen Menschen, denn der Autor stellt ihn immer wieder hinsichtlich der Forschungen in den Mittelpunkt der Geschichte.
Die Welt wirkt dadurch auch ein wenig ambivalenter und nicht jede Episode kann nachhaltig genug überzeugen, da zu viele unterschiedliche Ideen einfließen, ohne dass der Leser oder der Protagonist diese wahre Flut ordnen oder einschätzen können. Positiv ist, dass Michael Iwoleit in dem für ihn inzwischen teilweise auch signifikanten und typisch melancholischen Stil die Geschichte eines Mannes erzählt, der nach außen Sieger, im Inneren allerdings ein emotionaler Verlierer ist. Davor schützt auch nicht die Unsterblichkeit in einer Gesellschaft der mindestens Langlebigen, denn es ist kein Alleinstellungskriterium.
„Zur Feier meines Todes“ überzeugt beginnend mit der schwarzhumorigen Grundidee durch eine Ideenvielfalt, die allerdings ein wenig differenzierter und vor allem in den Details nachhaltiger hätte präsentiert werden können.
„Die letzten Tage der Ewigkeit“ ist eine trotz der schwächeren Kurzgeschichten lesenswerte Anthologie, welche deutlich unterstreicht, das Michael Iwoleit vor allem ein Novellenautor ist. Hier kann er seine Stärken beginnend mit einer tempotechnisch angepassten Entwicklung der Plots immer in Kombination mit mindestens überzeugenden, manchmal sehr lebendigen Figuren besser ausspielen und vor allem mit seinem interessanten, sehr warmherzig melancholisch erscheinenden Stil den Leser auch atmosphärisch besser einfangen. Die Kurzgeschichten sind bis auf „Wachablösung“ alle mindestens so interessant, das aus ihnen auch technisch stärkere Novellen geworden wären.
- Taschenbuch: 256 Seiten
- Verlag: Wurdack Verlag; Auflage: 1., (19. März 2012)
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 9783938065839
- ISBN-13: 978-3938065839
- ASIN: 3938065834