Abrechnung in den Los Diablos

Robert E. Howard

„Abrechnung in den Los Diabolos“ besteht aus zwei nicht miteinander verbundenen Kurzromanen, die Robert E. Howard zu unterschiedlichen Zeiten in seiner Karriere verfasst hat. „Drums in the Sunset“ erschien in den Jahren 1928/ 1929 in insgesamt neun Folgen bei der „Cross Plains Review“ Zeitung. Später ist die Geschichte unter dem Titel „Riders of the Sunset“ noch einmal auf nur noch fünf Kapitel aufgeteilt nachgedruckt worden.

 „Drums in the Sunset“ ist aber auch ein typisches Beispiel für das Ideenrecycling, das Robert E. Howard betrieben hat. Der zugrunde liegende Plot um einen Unschuldigen quasi auf dem Durchritt, der in die Suche nach einem lange verlorenen Schatz involviert ist und dabei das Mädchen seiner Träume kennen lernt, wird von Robert E. Howard nur wenig verändert auch in „Showdown at Hell´s Canyon“ verwandt. Dabei ist nicht immer die Zeitersparnis ein tragendes Element für diese Wiederholung von eigenen Plots. Nicht selten dauerte es insbesondere zu Beginn seiner Karriere sehr lange, bis die Magazine Howards Kurzgeschichten angekauft hatten. Manche der Texte könnten aus Sicht des ungeduldigen wie fleißigen Howard auch verloren gegangen sein. Darum hat er diese Geschichten quasi mit anderen Protagonisten ein zweites Mal, bei einigen Fantasy Texten sogar ein drittes Mal für ein anderes Magazin geschrieben.

 Steve Harmer ist einer der unzähligen Robert E. Howard Protagonisten, die im Schatten der Überhelden wie Solomon Kane oder natürlich Conan ihre Normalität, im Grunde auch ihre Schwächen zeigen dürfen. Howard schenkt ihm auch bei der Rettungsaktion seiner von Indianern entführten großen Liebe einige Momente des Ruhm, aber erstaunlicherweise schließt sich bei der abschließenden Rettung ein Kreis. Dieses Dualität ist ein unterschätzter Aspekt in Howards Werk. Nicht selten finden die gebrochenen Figuren außerhalb de Heroic Fantasy in den Moment wieder auf die Spur der Vernunft zurück, als die Schurken die moralischen Grenzen der Antihelden überschreiten. Gewalt gegen Frauen ist ein Motiv, das Howard immer wieder benutzt hat. In der vorliegenden relativ stringent bis ein wenig statisch geschriebenen Geschichte ist es ein Naturereignis, das einen gigantischen Goldclaim quasi vor den Augen des von Indianern angegriffenen alten Mannes verschwinden lässt. Es ist auch ein Naturereignis, das den Claim wieder auftauchen und die damals Schuldigen auf eine brutale Art und Weise bestrafen lässt. Das wirkt weniger zufällig als geplant und nimmt dem Finale auch an Intensität. Zu sehr ist Robert E. Howard bemüht, weite Teile der Geschichte noch stärker als in den Pulps dem Publikum anzupassen und tatsächlich ein Happy End zu konzentrieren, das den Tageszeitungsleser von der dunklen Realität der Depressionsfolgen ablenken soll.

 Steve Harmer wird auf der Durchreise einem alten Trail folgend gewarnt und beschossen. Die Warnung kommt von einem älteren Mann, in dessen Schatten seine hübsche Nicht reitet. Wer Harmer aus dem Hinterhalt beschossen hat, wird erst später klar.

 Harmer lernt einen alten Goldsucher kennen, der von Jahrzehnten genau in dieser Gegend von den Indianern skalpiert und für Tod gehalten zurückgelassen worden ist, während sein Partner auf bestialische Art und Weise gestorben ist. Die Indianer sind wieder in Aufruhr. Neben dem billigen Alkohol sind sie vor allem mit Falschgeld um ihre wertvollen Waren betrogen worden. Ein ungewöhnliches Motiv, das Howard nur bedingt ausbaut. Am Ende wird zwar quasi aus dem Off heraus bedauert, dass die Indianer Opfer eines Betruges geworden sind, aber deren Rache steht ein deutlich brutalerer Schicksalsschlag gegenüber.

 Auch wenn Harmer erstaunlichen Mut zeigt, agiert er im Gegensatz zu Howards sonstigen Überhelden erstaunlich passiv. Es ist der alte Mann, der als treibende Feder ihn immer wieder einbremst und schließlich die Rettung der jungen Frau aus der Hand der Indianer mit ermöglicht.

 Vieles wirkt wie eine Aneinanderreihung von Klischees und Howard greift nicht selten auf längere distanzierte Beschreibungen als seine lebendigen Dialoge zurück, aber grundsätzlich liest sich vor allem der mittlere Abschnitt mit der Aufdeckung der Pläne der Schurken wie eine moderne Fassung einer Karl May Indianergeschichte inklusiv einiger spannender Actionszenen, während das Happy End ein wenig zu bemüht erscheint.

 Die zweite Geschichte „Boot- Hill Payoff“ ist im Oktober 1935 in dem Magazin „Western Aces“ publiziert worden. Nachdrucke erfolgten unter dem Titel „The Last Ride“.  

 Wer sich mit Howards vor allem Westerngeschichten auseinandersetzt, wird in leicht abgewandelter Form zwei Ideen als Vorgriff auf „The Vultures of Whapeton“ erkennen. Der Mann zwischen den Fronten und der Anführer der Banditen ist ein auf den ersten Blick ehrenwerter Mann, der allerdings durch die Laramiebrüder und ihre Überfälle die Chance sieht, die anfänglich eigenen Verbrechen zu überdecken.

 Bucky Laramie ist der jüngste der Laramiebrüder, die seit einigen Jahren die Gegend tyrannisieren, Vieh stehlen und schließlich die Bank überfallen. Er macht zwar mit, ist aber grundsätzlich mit den Verbrechen nicht einverstanden. Beim Überfall wird der örtliche Sheriff erschossen, ausgerechnet der Vater seiner heimlichen Liebe.

 Er schwört, das Unrecht an den Bewohnern wieder gut zu machen. Einige Jahre später kehrt er als einziger überlebender Laramiebruder mit Geld in die Stadt zurück und will es den Bewohnern auszahlen. Auf dem Weg in die Stadt wird er trotz seiner körperlichen Veränderungen aus dem Hinterhalt beschossen, in den Straßen selbst als Laramie erkannt und gejagt. Angeblich haben seine toten Brüder seit einigen Monaten wieder begonnen, aus ihrem Versteck heraus die Gemeinde zu überfallen. Der örtliche Sheriff ist inzwischen der Bruder seiner heimlichen Liebe und als dieser hinterrücks trotz Bucky Laramies Eingreifen während eines weiteren Banküberfalls niedergeschossen wird, scheint sich das Drama zu wiederholen.

 Bucky Laramie ist einer der typischen Robert E. Howard Protagonisten. Noch stärker als die gebrochenen Antihelden ist er anfänglich ein Mitläufer, zieht sich aber den Schuh der Verbrechen seiner Brüder an. Er übernimmt Verantwortung für Taten, die er selbst nicht direkt begangen hat. Zurückgekehrt in die Stadt versucht er trotz der Vorurteile der Bewohner und der aussichtslosen Situationen notfalls auf eigene Faust den Menschen nicht nur zu helfen, sondern den befleckten Namen der Laramiebrüder zumindest von den neuen Verbrechen „rein zu waschen“. Diese stoische und lebensgefährliche Haltung wirkt auf den ersten Blick absurd. Aber Howards Charaktere sind es gewöhnt, ihre auch sehr steinigen Wege bis zum bitteren Ende zu gehen, der aber in vielen seiner nicht in der Barbarei spielenden Geschichten auch in das Herz der einzig wahren, immer wunderschönen und nicht selten auch entschlossenen jungen Frau führt. Es ist diese unerschütterliche Haltung, Verantwortung zu übernehmen, die sie in den dunklen brutalen Zeiten hell scheinen lässt.

 Der Plot entwickelt sich ausgesprochen spannend. Die Zusammenhänge lässt Robert E. Howard Bucky Laramie vom Chef der Schurken im Grunde unnötig erläutern. Es ist dieses Prahlen, das Laramie einen entscheidenden Vorteil schenkt.    

 Wie in einigen anderen Geschichten steht Howard vielleicht auch durch die große Depression gezeichnet dem Kapital skeptisch gegenüber. Seine Sympathien sind immer auf Seiten der kleinen Leute, die nicht selten durch Betrug oder Verbrechen ihre immer hart selbst erarbeiteten Habe zu verlieren drohen.

 Auch wenn seine überdimensionalen Charaktere – sieht auch den dominanten Revolvermann Cocoran aus „The Vultures of Whapeton“ – immer eine dunklere Vergangenheit haben, überwinden sie diese durch Eigeninitiative, ihnen wird aber auch immer wieder Vertrauen von weiblicher Seite geschenkt. Das macht diese Protagonisten nicht nur in Hinblick auf Howards gesamtes Werk, sondern auch die Pulpära zu sehr viel interessanteren Figuren als zum Beispiel seine berühmteste Schöpfung: Conan, der Barbar. 

 Bei den Actionszenen greift Howard nicht unbedingt auf den Zufall zurück. Das perfekte Versteck in einem abgeschiedenen Tal nur durch einen Tunnel zu erreichen ermöglicht es Bucky Laramie, die Banditen so lange festzuhalten, bis Hilfe kommt. Er kennt sich selbst ein wenig besser in dem im Tal liegenden Haus aus, weil es eben das Versteck seiner Brüder gewesen ist. Auch diese Tatsache kommt ihm in einer anderen Szene zu Gute. Und bei der wichtigsten Szene mit einer auf den ersten Blick aussichtslosen Flucht ist es auch Hilfe von dritter, unvorhergesehener Seite, welche das kräftemäßige Ungleichgewicht ausgleicht.  Auch wenn Bucky Laramie einige Schritte alleine gehen muss,  lässt ihn der Autor gegen alle Glaubwürdigkeit nicht alleine. Das macht die Geschichte deutlich realistischer.

 „Boot- Hill Payoff“ ist die bessere der beiden Geschichten in dieser Sammlung. Der Tonfall ist dunkler, die Ausgangslage ungleich schwieriger. Was die Geschichte zusätzlich auszeichnet ist der verzweifelte Versuch Bucky Laramies, erst seine Schuld zu begleichen und dann erkennen zu müssen, dass die neuen Banditen noch schlimmer als seine Brüder sind. Robert E. Howard spielt anfänglich konsequent mit diesen Doppelungen. Sie machen den Reiz der gelungenen ersten Hälfte der Geschichte aus, während der zweite Abschnitt vielleicht dynamisch, aber auch ein wenig schematisch abläuft. Im Gegensatz zu „Drums of the Sunset“ wirkt der Plot aber deutlich komplexer und Howard greift unabhängig von der angedachten weiteren Doppelung nicht auf den Faktor Zufall zurück. Zusätzlich erscheinen die Protagonisten dreidimensionaler, teilweise kantiger, auch wenn Robert E. Howard in beiden Kurzromanen gerne auf erfahrene Westmänner durchaus mit Vergangenheit zurückgreift, welche die ungestümen, aber positiv ambitionierten Helden immer ein wenig leiten, lenken und schließlich spätestens mit warmen Worte zur Liebe ihrer jeweiligen Leben verhelfen.

 Aber alleine die Tatsache, dass eine eher wenig bekannte Seite Robert E. Howard mit diesen Sammlerausgaben den deutschen Lesern zur Verfügung gestellt wird, ist empfehlenswert und ergänzt die zahlreichen nicht unbedingt phantastischen Texte, die vor Jahrzehnten im Rahmen der „Terra Fantasy“ Reihe das erste Mal das Licht des deutschen Marktes entdeckten.     

 

  • Format: Kindle Edition
  • Dateigröße: 2575 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 116 Seiten
  • Verlag: BLITZ-Verlag (23. April 2018)
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Deutsch
  • ASIN: B07BZJ2NF1
  • Buch direkt beim Verlag bestellbar www.blitz-verlag.de 
  • Abrechnung in den Los Diablos (Kult-Romane)
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