Die Insel des roten Gottes

Ronald M. Hahn

Ronald M. Hahns im Apex neu veröffentlichter Roman „Die Insel des roten Gottes“ basiert auf einer der utopisch phantastischen Abenteuergeschichten Jack Londons.  Im Grunde hat Ronald M Hahn den Plot genommen, ihn in die dreißiger Jahre verlegt und entsprechend erweitert.

In Jack Londons 1918 veröffentlichter Kurzgeschichte „The Red One“ geht es um einen Wissenschaftler namens Bassett. In Ronald H. Hahns Roman handelt es sich um einen talentierten Plotschreiber für Hollywood, der nicht zuletzt wegen einer heißen Affäre eine Schreibblockade erlitten, sein Hab und Gut verkauft hat und als Trinker auf eine der Nachbarinseln Guadalcanals gezogen ist.

In beiden Fällen ist „der Rote“ eine Art gigantische Sphäre, die tief im Dschungel verborgen ist. Sowohl London als auch Ronald M. Hahn spielen mit der Idee, das diese Sphäre außerirdischen Ursprungs sein könnte. Beide Autoren bleiben aber bei Spekulationen. Einen abschließenden Beweis gibt es in beiden Arbeiten nicht.

Die auf der Insel lebenden Kopfjäger huldigen den Roten als ihren Gott und bringen ihm menschliche Opfer dar. Ronald M. Hahn baut diese Idee mit der  Sperrzone sogar noch weiter aus, in welcher auch Kinder von den Wilden geopfert werden, um den Gott zufriedenzustellen.

Interessant ist, dass der Wissenschaftler Bassett aus Jack Londons Geschichte sich freiwillig in den Dschungel begibt, um anfänglich Schmetterlinge zu suchen und einzusammeln. Ronald M. Hahns Bassett ist einer dieser typischen gebrochenen Charaktere, der sich selbst nur im Suff ertranken kann. Der Autor zeichnet das Portrait eines dieser fast klassisch tragischen Antihelden des Film Nor – obwohl Bassett nur ein Hollywoodautor, aber niemals ein Detektiv gewesen ist-, die sich nur noch in Selbstmitleid auf dem Grund der Flasche wohlfühlen.

Eigentlich will Bassett seine armselige Hütte auch gar nicht verlassen. Schon gar nicht, um auf eine geheimnisvolle wie gefährliche Insel überzusetzen. In diesem Punkt unterscheiden sich die Figuren markant. Für Hahns Bassett schließt sich ein Kreis, denn seine ehemalige Geliebte/ Freundin soll sich dort befinden. Ein gemeinsamer Freund aus England bittet ihn um seine Hilfe.

Die Stärke von Jack Londons Geschichte ist das Spiel mit den Implikationen. Der Text ist ausschließlich auch Bassett subjektiver Perspektive erzählt. Vieles erinnert ein wenig an Joseph Conrads „Heart of Darkness“. Eine Reise durch den Dschungel als Allegorie für den Blick in den dunklen Spiegel, der die eigenen schlimmen Wesenszügen zeigen soll.  Das Ende von Jack Londons Geschichte entspricht auch mehr Conrads Alptraum. Bassett muss seine brüchige Zivilisation ablegen, um dem Objekt seiner Obsession- die rote Sphäre – schließlich ganz nahe zu sein.  Es ist das zynische Ende einer interessanten Geschichten. Neben den Implikationen mit den behelmt aussehenden Fremden ist vor allem die bitterböse Ironie treffend, das der erste Kontakt mit einer möglicherweise außerirdischen Zivilisation ausgerechnet durch selbst im 19. Bzw. zu Beginn  des 20. Jahrhunderts primitive Eingeborene stattfindet und damit in der erdrückend feuchten Atmosphäre des Inseldschungels förmlich verpufft.

Ronald M. Hahns ursprünglich unter dem simpleren Titel „Der rote Gott“ 1998 im Ullsteinverlag erschienene Fassung ist dagegen weniger eine Reise ins eigene Innere, sondern eine klassische Abenteuergeschichte, die an Hahns eigene Serie um „T.N.T. Smith“ erinnert.

Bassett ist ein Opfer. Sein schwacher Wille hat ihn in die Arme einer Frau getrieben, die mit ihrer offenen Sexualität, ihrer „Männlichkeit“ unter der attraktiven Schale ein Vamp ist. Ronald M. Hahn macht im Verlaufe des Buches nicht abschließend deutlich, ob sie Verführter oder politisch Verführte ist. Sie agiert am Vorabend des Zweiten Weltkriegs an der Seite eines deutschen Adligen und Industriellen mit Kontakten in die höchsten Kreise der Nationalsozialisten. Wie bei „Indiana Jones“ scheinen diese noch meistens in Zivil auftretenden Nazis an der unvorstellbaren Macht des roten Gotts als Waffe interessiert zu sein und versuchen ihn von der Kanalinsel zu entführen.

Bassett soll als durch das britische Empire zwangsverpflichteter Europaeinheimischer auf der Insel nach dem Rechten zu sehen.   Hahn bewegt sich hier auf einem schmalen Grat. Der Klappentext impliziert, dass ausgerechnet Bassett den roten Gott entdeckt. Das ist nur bedingt richtig, denn wie in Jack Londons Kurzgeschichte haben ihn schon die einheimischen Kopfgeldjäger als ihren Gott anerkannt und sind bereit, auch Europäer zu opfern. Hinsichtlich der „Invasion“ verschiedener europäischer Mächte mit im Grunde nur bedingt unterschiedlichen Interessen ist Bassett tatsächlich der Erste, der mit ihm in eine Art Kontakt tritt.

Das ist aber in der Tatsache begründet, dass Bassett am Strand der Insel in eine andere Richtung als die schwedische Krankenschwester mit zwei Colts in den Holstern als Pulpklischee geht und auch seinen englischen Freund im Dschungel verliert. Mehr oder minder passiv gerät er in die Hände der Einheimischen und kann mit ihnen in einen Kontakt treten. Er hört die „Stimme“ des roten Gottes und macht sich schließlich aus dem Dorf der Wilden auf den dann nur noch relativ kurzen Weg.

Die Nazis folgen zwar, sind aber technologisch einen Schritt weiter. Das zeigt sich in dem fast hektischen Ende, mit dem Hahn die Geschichte konsequent, aber auch ein wenig konstruiert beendet. Im Gegensatz zu „Indiana Jones“ folgt Hahn lieber der Traditon der „X- Akten“, in der alle Spuren von Übernatürlichen von der Dummheit und Naivität der Menschen beseitigt werden, damit sie nicht den Anderen in die Hände fallen. Ohne Rücksicht auf die besondere Gefahrensituation.

So überzeugt vor allem die erste Hälfte des Buches. Jack London hat in einer Reihe seiner Kurzgeschichten und Romane vor den Gefahren des Alkohols, dem Hang zur Selbsttäuschung gewarnt. Das nicht unbedingt bemitleidenswerte, aber intensive Portrait eines Trinkers, der von allen benutzt wird und dessen Job als Ideengeber, als Hure des Molochs Hollywoods nicht passender sein könnte gehört zu den besten Charakterisierungen in Hahns nicht unbedingt kleinen Werk. Mit einer Liebe zum Details, vielen kleinen zynischen Seitenhieben und der souveränen Handhabung der Gegenwartshandlung in Kombination mit immer passenden Rückblicken erweckt er auch diese vordergründige Idylle zum Leben. Er zeigt das Leben der gestrandeten Europäer und Amerikaner in einem starken Kontrast zum harten,  höchstens monetär armen Leben der Einheimischen.

Den Mittelteil dominieren die Reise zu der Insel sowie der Kontakt mit den Wilden und dem roten Gott. Jack London beschrieb diese auch sprachlich extrem intensiv als eine Art Fiebertraum, möglicherweise auch als Wahnvorstellung der vielleicht am entsprechenden Fieber erkrankten Bassetts. Alle Interpretationsmöglichkeiten sind offen geblieben.

Hahn agiert hier bodenständiger, mehr dem Geist der Abenteuerliteratur auch eines Jack Londons geschuldet. Es ist eine solide Überleitung zum Finale, das durchaus cineastisch angelegt ist, aber wie erwähnt ein wenig hektisch, ein wenig zu gewollt und zu wenig aus sich selbst heraus entwickelt erscheint.

Natürlich ist „Die Insel des roten Gottes“ nicht nur für Abenteuerfans, sondern auch Jack London Anhänger interessant. Ronald M. Hahn bemüht sich, dem Autoren eine moderne und doch auch inhaltlich zeitgemäße Hommage zu schenken. Aber einige Stellen wirken auch simpler verfasst, bewegen sich im Rahmen der modernen Abenteuerliteratur mit Pulpwurzeln versehen. Der Autor hat unauffällig, aber ohne belehrend zu agieren viele Hinweise auf die 30. Jahre im Allgemeinen und Jack Londons Werk im Besonderen eingebaut. Das Entdecken macht Spaß, aber im Großen und Ganzen ist „Die Insel des roten Gottes“ vor allem eine rasante Abenteuergeschichte, die ohne Kenntnisse von Jack Londons sonderbarer, aber auch faszinierender Kurzgeschichte vielleicht sogar besser funktioniert. Denn diese Erwartungen kann der bekennende Jack London Fan Ronald M. Hahn leider nicht zu hundert Prozent erfüllen. 

 

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  • Format: Kindle Edition
  • Dateigröße: 1887 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 258 Seiten
  • Verlag: BookRix (17. Januar 2018)
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Deutsch
  • ASIN: B0792TFNP2