Bei den wenigen längeren Texten, aber zahlreichen teilweise sehr kurzen Storys dominieren die Fantasy und Weird Storys. So beschreibt Jeffrey Ford in seiner „Thanksgiving“ Geschichte den ominösen Gast, der immer dabei ist, den aber niemand kennt. Am Ende dieser süßsauren Geschichte steht die Erkenntnis, dass ein anfänglich unbekannter, inzwischen vertrauter Gast mehr wert als die Suche nach der Wahrheit. Auch Abra Staffin- Wiebes „Overwintering Habits Of The North American Mermaid” passt zu einer November/ Dezember Ausgabe, wobei der Titel den Inhalt schon augenzwinkernd gut zusammenfasst.
Klassische Fantasy bietet nicht nur „The Lady of Butterflies“ von Y. M. Pang. Eine junge Frau erscheint unter mysteriösen Umständen am königlichen Hofe. Rikara ist die Leibwächterin des Herrschers und soll die junge Frau namens Morieth auf der einen Seite unterrichten, auf der anderen Seite ihre Vergangenheit durchleuchten. Als der Herrscher beginnt, für Morieth Gefühle zu empfinden, droht das Gleichgewicht zu kippen. Rikara muss sich zwischen ihrer bislang bedingungslosen Loyalität gegenüber dem Herrscher und dieser geheimnisvollen Frau entscheiden. Auch wenn der Text sehr stimmungsvoll ist, bewegt sich Pang zu Beginn in bekannten Bahnen und kann nur während des Finales eine allerdings auch vom Titel bestimmte interessante Idee präsentieren. Vielleicht wäre diese Liebesgeschichte als Novelle oder gar Roman überzeugender als in der vorliegenden komprimierten Form.
Robert Reed erzählt eine weitere Geschichte um seinen Protagonisten Raven Dream. Er hilft Mara und Greggie, als ihr Flugzeug abstürzte und rettete sie vor One- Less. Raven wird zu seinem Onkel geschickt, der ihm eine engere Verbindung zur Natur beibringen soll. Robert Reed versucht seinen Hintergrund dadurch zu verfremden, in dem der Erzähler Raven vor allem fremdartige Begriffe für Dinge benutzt, welche dem Leser eigentlich vertraut sein sollten. Wenn diese Verfremdung durchschaut worden ist, verläuft der Plot in eher ruhigen Bahnen, auch wenn Robert Reed kein überzeugender Spannungsaufbau gelingt.
Zwei Geschichten in dieser Ausgabe handeln von Inseln. Bo Balders „The Island and Its Boy“ ist dabei die Abschlußstory der ganzen Ausgabe. Vor allem der Hintergrund überzeugt. Imus Volk lebt in dieser Fantasywelt auf einer kleinen insel, welche den Pol umkreist. Eine kleine Insel taucht am Horizont auf. Imu beschließt, auf der kleinen Insel zu bleiben. Bo Balder packt basierend auf dem Volk der Eskimos einige Coming of Age Elemente in die stringente Handlung. Es geht darum, Tradition zu wahren und trotzdem zu neuen Ufers aufzubrechen. Die Charaktere sind gut abgerundet und ihre Handlungen klar nachvollziehbar. Allerdings erscheint es unwahrscheinlich, dass selbst ein Eskimo als Gemeinschaftswesen auf den Gedanken kommt, ein neues Volk auf einer anderen Insel nur mit einer einzigen Frau zu beginnen.
Die Science Fiction Geschichten könnten nicht unterschiedlicher sein. „Extreme“ von Sean McMullen zeigt einen Adrenalinjunkie, dessen genetischer Marker angeblich ihn zwingt, immer wieder neue Extreme aufzusuchen. Für sein letztes Abenteuer wird er von einer Frau namens Husky angesprochen. Er übernimmt ohne Kenntnisse der Folgen den Job. Das Ende ist zynisch und soll aufzeigen, dass die Reichen andere Vorstellungen haben als die meisten Menschen. Leider hat Sean McMullen den Text auf einzelne interessante Szenen komprimiert und den Hintergrund der extremen Kultur zu wenig überzeugend weiterentwickelt. Die Ansätze sind aber ohne Frage da.
Von Hanus Seiner stammt „The Iconoclasma“ . Die Terbius wird von einer unbekannten Macht angegriffen. Alle Luftschleusen werden aufgesprengt und zahlreiche Besatzungsmitglieder sterben im All. Die Überlebenden versuchen den Angreifer zu identifizieren. Auf der zweiten Handlungsebene versucht Sandra eine Art „Waffe“ zu entwickeln, mit welcher die Iconoclasma bekämpft werden können.
Anstatt den Plot aus sich selbst heraus zu entwickeln, scheint Hanus Seiner seiner Geschichte nicht zu vertrauen und fügt sehr viele teilweise ausgesprochen nebensächliche Informationen hinzu. Dadurch wirkt der Text schwerfälliger als er im Grunde sein muss und leider wegen der wissenschaftlichen Unzulänglichkeiten sein darf. Keiner der Protagonisten geht einen einfachen Weg, was auch zu Lasten der Glaubwürdigkeit geht.
Die Übersetzung ist solide, auch wenn der begabten Autorin irgendwie an einigen Stellen das Gefühl für Dynamik fehlt und sie lieber eine Art belehrenden Kunstroman geschrieben hätte. Auch das Ende mit den sich zurückziehenden Menschen, die auf die nächste Chance warten, wirkt zu pazifistisch, um glaubwürdig zu sein. Die Ausgangsidee ist vielleicht nicht einmal schlecht, sie wird aber umständlich und leider eher den Gesetzen der alten osteuropäischen Science Fiction folgend präsentiert.