Das grüne Millenium

Fritz Leiber

Fritz Leiber ist vor allem durch seine Fantasy Romane und Kurzgeschichten bekannt geworden. Neben seinen Exkursionen in den Bereich Horror sind eine Handvoll von durchweg eher exzentrischen, mit einem Augenzwinkern geschriebener Science Fiction Romane zurückgeblieben.  Interessant ist, dass einige dieser Bücher im Kleinen auch den ungewöhnlichen Humor Douglas Adams vorwegnehmen.

„The green Millenium“ ist im Heyne Verlag unter dem Label Science Fiction Klassiker erschienen. Dabei gilt dieser in den fünfziger Jahren unter dem direkten Einfluss der McCarty Ära geschriebene Roman eher als ein „durchschnittlicher“ Fritz Leiber, der viele kleine Ideen geschickt und selbstironisch miteinander verbindet, aber als komplettes Buch nicht gänzlich überzeugen kann.  Auch wenn die Geschichte ist einer Parallelwelt spielen könnte, sind die Anspielungen auf die damalige Gegenwart klar zu erkennen: Es herrscht weiterhin Kalter Krieg.  Die USA sind nur bedingt liberaler. Neben der erzkonservativen Regierung herrscht von oben durchaus gewollt vor allem eine puritanische, fast frigide Stimmung vor.

Ein heute mehr denn je geltendes Science Fiction Element ist die Angst vor der Rationalisierung durch die Maschine. Auch wenn Fritz Leiber es nicht weiter extrapoliert und die Technik eher ambivalent genutzt wird, ist sie allgegenwärtig.  Das Szenario erinnert an die Antiutopien Huxleys und Orwells. Ganz bewusst baut Fritz Leiber diese dunkle Stimmung mit einer „Brot & Spiele“ Mentalität auf. Neben einem Vorläufer der virtuellen Realität kann der durchschnittliche Amerikaner nach langen Arbeitstagen exotische Schaukämpfe – Mann gegen frau im Wrestling – anschauen oder sich von allgegenwärtiger Pornographie berieseln lassen.  Einfache Jobs scheinen rar zu werden. Fritz Leiber geht aber nicht darauf ein, ob der Staat sich um die erwerbslosen Massen kümmert.

Fritz Leiber stellt gerne durchschnittliche Protagonisten in den Mittelpunkt seiner Geschichte. Phil ist eine dieser am Leben gescheiterten Figuren.  Er ist ein emotional verschlossener Mensch, unzufrieden mit der langweiligen Perfektion des eigenen Lebens.  Zu Beginn des Buches hat er seinen Job verloren. Er will seine aus seiner Sicht nutzlose Existenz durch eine Überdosis Schlaftabletten beenden.  Mit fast sadistischen Vergnügen bei einer aber auch absichtlich unscheinbar eindimensional gezeichneten Figur demontiert Fritz Leiber Phils ganzes Leben. Höhepunkt ist, dass er seinen Job an einen Roboter verloren hat. So geht es vielen Menschen. Aber in dieser Zukunft gibt es keine beruflichen Alternativen mehr, obwohl Fritz Leiber inhaltlich die weitere Mechanisierung der Wirtschaft nur impliziert, aber nicht an Beispielen extrapoliert.    

Eines Tages erscheint eine grüne Katze in seiner kleinen Wohnung. Phil weiß nicht, woher sie gekommen ist oder wem sie gehört. Er füllt aber, dass die Katze ihm gut tut.  Er nennt sie Lucky.  Mit der grünen Katze geht es ihm besser, er wird emotional offener. Allerdings interessieren sich in der Tradition der amerikanischen Slapstick Komödie, deren Instrumentarium Fritz Leiber meisterhaft spielt, für die ungewöhnliche grüne Katze. Die Reihenfolge ist beliebig, aber neben der diktatorischen Regierung mit ihrer an eine überdimensionale „Homeland Security“ erinnernde alles im Grunde kontrollierende Behörde  sind es der Mob, das FBI, ein überdrehter Psychiater im Auftrag eines reichen Mannes, eine mysteriöse wie hübsche Frau und schließlich neben den paranoiden Russen auch nackte Außerirdische. 

Fritz Leiber hat die Geschichte geschickt aufgebaut. Nicht selten konnte man in seinen Romanen den Kurzgeschichtenschreiber zu deutlich erkennen, der einen Plot eröffnen und schließen, aber im mittleren Bereich die Spannungskurve nicht ausreichend genug hochhalten konnte. Hier wird Phil auf der Suche nach der magischen grünen Katze förmlich durch die Geschichte gerissen.

Kritisch gesprochen geht der Übergang vom depressiven, Selbstmord geforderten Phil zu einem aktiv in das Geschehen eingreifenden Helden/ Protagonisten zu leicht. Theoretisch könnte der grüne Katze ( der bestimmte Artikel ist tatsächlich richtig) mit Drogen oder Aufputschmitteln gleich gesetzt werden. Hier liegt auch die große Gefahr. Bevor Fritz Leiber sogar den Bogen zu den alten ägyptischen Göttern zu schlagen sucht, impliziert er, das alleine die Anwesenheit nicht nur dieser grünen Katze, sondern einigen der besonderen Tiere die depressive Stimmung der Erde oder das Machtgefüge der Diktaturen zum Einsturz bringen kann. Kein Wunder, dass nicht nur reiche Männer, sondern auch Regierungen hinter dem Tier her sind.

Der politische Content ist für einen Roman aus den fünfziger Jahren passend. Dabei spielt der Konflikt zwischen den USA und Russland nicht einmal die abschließend relevante Rolle. Der offensichtlich inzwischen globale Kommunismus hat auch die Machtgefüge in den USA vom reinen Kapitalismus zu einer die Massen unter Kontrolle haltenden Mangelwirtschaft verschoben. Auch wenn die Gesellschaft vor allem die Isolation in kleinen, spartanisch eingerichteten Wohnungen bevorzugt, sind es zum Beispiel im Original die „handies“, welche den Männern Freude machen. Sie gibt es überall. Frauen singen ihre sexuell stimulierenden Lieder in die Handteile, welche bei den Männern als Empfänger der Lieder eine sexuell stimulierende Wirkung hat. Einige Jahre früher hat Fritz Leiber diese Idee in „Die Sündhaften“  auf eine andere Art und Weise zum Ausdruck gebracht.

Zu den am meisten überzeugenden Figuren vor allem in einem scharfen Kontrast zum zu passiven, zu unscheinbaren Phil gehört Juno Jones, eine Wrestlerin. Früher war sie eine Schönheit genannt worden. Sie heiratete einen Wrestler, aber nach jahrelanger Hormontherapie in den allgeschlechtlichen Auseinandersetzungen auf den Jahrmarkt hat sie ihre feminine Seite verloren.  Fritz Leiber gibt ihr aber eine verletzliche Seite. Vor allem die Beziehung zu ihrem Mann ist ein wichtiger emotionaler Höhepunkt des ganzen Romans.

Andere Protagonisten sind deutlich überzeichnet und dienen dazu, die einzelnen Szenen zwischen den Verfolgungsjagden, Einbrüchen und Entführungen eher wie eine Farce erscheinen zu lassen. 

Neben der aus dem Nichts erscheinenden und wieder verschiedenen Katze gibt es in dieser Gesellschaft aber auch „Magier“. Ihre Fähigkeiten scheinen auf den Tricks des Jahrmarkts zu basieren, Fritz Leiber setzt sie neben den passiv beschriebenen Fähigkeiten der grünen Katze eher ambivalent ein, um einigen Szenen wie dem Einbruch in die allmächtige Behörde ausreichend Spannung zu verleihen.  

„The Green Millenium“ ist kein perfektes Buch. Es zieht sich zwar ein roter Faden durch den ganzen Roman, aber das Ende wirkt hektisch, überstürzt und zu viele Ideen aus dem Nichts heraus miteinander verbindend.  Auf der anderen Seite zeigt Fritz Leiber vor dem Hintergrund einer möglichen warnenden Anti Utopie eine wunderbar überdrehte Geschichte um eine magische grüne Katze, welche subversiv wie passiv das ganze System zum Einsturz bringt und den Menschen wieder die Freiheit schenkt. Das ist für Leiber wie auch Philip Jose Farmer in einigen seiner reinen Science Fiction Geschichten geradezu eine klassische Ausgangslage, um mittels eines hohen Tempos alternierender Szenen, sehr vielen teilweise bizarren bis lächerlich erscheinenden Charakteren und immer wieder wechselnden Perspektiven die Leser mindestens kurzweilig gut zu unterhalten.

 

 

Das Grüne Millennium

  • Broschiert: 172 Seiten
  • Verlag: Wilhelm Heyne,; Auflage: 1. (1978)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3453305183
  • ISBN-13: 978-3453305182