The Magazine of Fantasy and Science Fiction Januar/ Februar 2019

Gordon van Gelder (Hrsg.)

Das Jahr 2019 startet mit einer ausgesprochen überzeugenden, vor allem auch thematisch breiten Ausgabe. Unabhängig von den ein wenig zu weichen Buchkritiken und dem Versuch, das Superheldenkinophänomen im Kino an Hand von „Venom“ zu erläutern finden sich einige sehr gute Fantasy Geschichten sowie dunkle Science Fiction.

Carrie Vaughn „To the Beautiful Shining Twilight“ eröffnet das Jahr 2019 mit einer Fantasy- Geschichte. Kinder, die vor vielen Jahren einmal in das Feenreich gereist sind, werden als Erwachsene noch einmal eingeladen.  Was ursprünglich als eine Art Traum gewesen ist, soll plötzlich Realität sein. Die Grundidee ist nicht unbedingt neu und die Autorin versäumt auch, aus dieser Prämisse mehr zu machen. Stilistisch gut geschrieben ist es trotzdem eine der schwächsten Geschichten dieser Ausgabe.

Sean McMullen macht es deutlich besser. In „The Washer at the Ford“ trifft der Protagonist in einem Waschsalon auf eine Fee, welche die Kleidung der Toten wäscht. In diesem Fall handelt es sich um eine Ermordete. Neben dem bodenständigen und phantastischen Tonfall ist Sean McMullens Plotentwicklung überzeugend. Es scheint bizarr, das sich Mensch und Fee in einem heruntergekommenen Wachsalon über das Leben unterhalten. Auch die Idee der letzten Reinigung ist gut dargestellt.

In den Bereich der reinen Fantasy fällt die längste Arbeit dieser Ausgabe. „The City of Lost Desire“ von Phyllis Eisenstein. Die Autorin kehrt zu einer ihrer Schöpfungen aus den siebziger Jahren zurück,  ihrem bekannten Barden. Im Gegensatz zu vielen anderen Eisenstein Geschichten auch um diesen Protagonisten wirkt die Novelle inhaltlich überzogen und erzähltechnisch eher unglücklich strukturiert. Die Hintergründe mit dem seltsamen Turm in der Wüste, dem phantastischen Palast trotz der anscheinend durchgehend Drogensüchtigen Mächtigen bis zum gesuchten Objekt der Begierde sind gut beschrieben, aber sie wirken teilweise aufgesetzt und erdrücken den sich nur langsam und dann leider in bekannten Bahnen entwickelnden Plot. Auch die Romanze scheint nachträglich eingebaut worden zu sein. Die ganze Novelle wirkt wie aus Versatzstücken zusammen gesetzt und das Ende ist viel zu offen, zielt zu sehr auf weitere Fortsetzungen. Ihre letzten Geschichten in „The Magazine of Fantasy and Science Fiction“ waren deutlich stringenter und der Leser hatte das Gefühl, als wolle sie einen Episodenroman aufbauen.

Zweimal finden sich in der Theorie phantastische Krimis. Beide können aber nicht wirklich überzeugen. Robert Reed macht den Auftakt mit „The Province of Saints“. Mary Sue ist die liebe Tochter einer sehr reichen wie rücksichtslosen Familie. Anscheinend hat sie ihre Verwandten nach und nach aufgrund ihrer geistigen Fähigkeiten getötet.  Robert Reed beendet aber den Text nicht stringent, sondern tritt einen Schritt zurück und nimmt einen Teil der beschriebenen „Taten“ wieder zurück. Dadurch wirkt der Plot zu stark konstruiert und zu wenig aus sich selbst heraus entwickelt. Es ist schade, das so viel Potential verschenkt wird.

In Pip Coens „The Fall from Griffin´s Peak” soll die Protagonistin einen besonderen Diebstahl begehen. Ziel ist die Träne aus dem Auge eines Griffins, abgesondert unmittelbar vor seinem Tod. Auch hier ist die Grundprämisse interessant. Die Figuren erscheinen dreidimensional, nur hat die Autorin Angst, den Handlungsfaden konsequent zu Ende zu denken.  Viele der im Mittelteil vorherrschenden Schwächen werden gegen Ende nicht nur relativiert, sondern emotional derartig offen präsentiert, dass der Leser sich für eine Seite entscheiden kann.  Diese offene Flanke kann enttäuschen, aber die ersten Seiten entschädigen für die kleineren Schwächen.

Nicht alle Geschichten sind unbedingt Genres zuzuordnen. Sie überzeugen trotzdem. Basierend auf den eigenen Erfahrungen als Student hat Adam- Troy Castro mit „Survey“ eine dunkle, brutale Geschichte mit einem konsequenten Ende geschrieben. Anfänglich handelt es sich nur um eine Testbefragung, dann soll die betroffene Person plötzlich über das Schicksal von Menschen entscheiden. Am Ende wird mindestens ein Wille gebrochen. Eine moderne Voyeurhorrorgeschichte, deren Wurzeln im Splatterkino wie „Saw“ auch gut zu erkennen ist, während Castro zumindest einzelne Zwischentöne seinen Lesern anbietet, aber keinen Ausweg.

Keine Horrorgeschichte, sondern basierend auf dem Schicksal der in New York in den zwanziger Jahren lebenden Indianern – sie haben die Hochhäuser gebaut und gleichzeitig in einigen Stummfilmproduktionen mitgearbeitet -  eine ergreifende, aber leider nicht richtig originelle Geschichte stammt von Andy Duncan. Die Grundidee in „Joe Diabo´s Farewell“  ist nicht neu, auch einige andere Kurzgeschichten in diesem Magazin haben sich in den letzten Jahren mit dieser Thematik beschäftigt. Dafür sind die Protagonisten sehr überzeugend gezeichnet worden und der Zeitgeist wird in eindrucksvolle, intensive Bilder gefasst. Es ist nur schade, dass Andy Duncan sich zu sehr an bekannten Vorbildern orientiert und die notwendige Eigenständigkeit bei einem zeitlosen Thema wie Rassismus vermissen lässt. 

Das Thema Rassismus nimmt Leah Cypess in ihrer Story „Blue as Blood“ noch einmal auf. Es ist die beste Geschichte dieser Ausgabe.  Auf allen bewohnbaren Planeten hat der Himmel eine andere Farbe als blau. Trotzdem bestehen die Menschen darauf, ihren Himmel als eine Art Heiligtum anzusehen. Eine junge Außerirdische beginnt auf der Erde zu leben und muss mit den entsprechenden Vorurteilen leben. Als Mitglieder ihrer Rasse zu Besuch kommen, eskaliert die Hysterie. Auch wenn die Autorin einen Hang zur Allegorie hat und viele Momente überdramatisiert, lebt die Geschichte von den lebendigen Figuren und vor allem den alltäglichen Situationen, die aus der Perspektive der Fremden ganz anders erscheinen als vielleicht geplant. 

Neben di Fillipos Satire finden sich einige wenige sehr kurze, aber trotzdem intensive Kurzgeschichten in dieser Ausgabe. Jenn Reese philosophiert über „The Right Number of Cats“.  Trauer und Katzen mit einem typischen Außenseiter bilden den Kern dieser Kurzgeschichte.   Oder Marie Vibberts „Tactical Infantry Bot 37 Dreams of Trochees“, in der eine militärische Maschine ihre Mission zu hinterfragen beginnt. Mit viel Einfühlungsvermögen und einer sprachlich interessanten Idee kann die Autorin einem bekannten Thema neue Aspekte abgewinnen.   

Wie eingangs erwähnt ist der Inhalt der von C.C. Finlay betreuten „The Magezine of Fantasy and Science Fiction“ Ausgaben deutlich breiter. Hinzu kommt, dass Finlay nur einen längeren Text bis zur Novelle bevorzugt, während seine Vorgänger nicht selten eine Handvoll kürzerer Geschichten um zwei/ drei längere Arbeiten platziert haben. Auch wenn einige der Texte kleinere Ecken und Kanten aufweisen, ist die Qualität überdurchschnittlich und vor allem werden eine ganze Reihe neuer Ideen für durchaus bekannte Prämissen präsentiert. 

January/February 2019 issue of The Magazine of Fantasy & Science Fiction

Paperback, 256 Seiten

www.sfsite.com