Clarkesworld Magazine 152

Neil Clarke

Neil Clarke streift in seinem Nachwort sowohl die Berührungsangst auf Cons wie auch eine wunderschöne Ablehnungskarte für eingereichte Geschichten, die inzwischen Kult. An dieses Thema schließt sich Alethea Kontis mit ihren Worten zu den Schwierigkeiten an, Geschichten in Anthologien veröffentlicht, aber nicht unbedingt angekauft zu bekommen. 

Das Interview mit Jack McDevitt ist angesichts des Umfangs seiner Serien und der Affinität zu auch fiktiver Geschichte zu kurz, während im wissenschaftlichen Essay die übernatürlichen Aspekte im Werke der Brontes durchgespielt werden.

 Wie die letzte Ausgabe präsentiert "Clarkesworld"  152 nur einen Nachdruck. "Bad Day on Boscobel" von Alexander Jablokov erschien in einer kleinen Anthologie und verdient einen Nachdruck.   Auch wenn sie in einer der "Year´s Best" Anthologien nachgedruckt worden ist,  ist es wichtig zu erwähnen, dass die ursprüngliche Storysammlung ihre Autoren und vor allem Autorinnen aufforderte, Geschichten über Frauen und ihre jeweilige Position im Science Fiction Universum zu verfassen.  Den Hintergrund hat der Autor auch in einigen seiner Romane verwandt. Es handelt sich um eine klassische Intrigengeschichte. Sie spielt im Asteroidengürtel. Aus der subjektiven Perspektive der Protagonisten baut sich der stringente Plot spannend und vielschichtig zu gleich zusammen. Die Pointe ist gut, vielleicht nicht herausragend. Aber insgesamt bietet die Story überzeugende Unterhaltung vor einem farbenprächtigen, sehr dreidimensionalen Hintergrund.  

 Insgesamt fünf neue Geschichten findet sich in der Ausgabe. Xia Jia eröffnet mit „Tick- Tock“ das Magazine mit einer ungewöhnlichen Story.  Die Menschheit muss sich besondere Träume erkaufen und hart dafür arbeiten. Es gibt aber auch ein Spiegelbild dieser Gesellschaft. Andere Menschen arbeiten wie am Fließband auch in blauen Kitteln an der Kreation dieser Träume. Xia Jia konzentriert sich vor allem auf den Plot. Sie verzichtet auf Hintergründe oder eine charakterliche Entwicklung.  Hinter der Pointe steckt eine bittersüße Weisheit, deren Potential eher eine Novelle als dieser komprimierte, von der Grundidee aber nicht uninteressante Kurzgeschichte.

Während sich Xia Jia auf die Seele konzentriert, behandelt Cory Skerry in „Empress in Glass“ den Körper. Meneja hat ihre Haut durch Glas ersetzt. Die nächste Operation soll nicht  nur tiefer gehen, sondern auch im Fernsehen live ausgestrahlt werden. Der Plot funktioniert nicht unbedingt, es spricht die sadistischen Voyeure unter den Lesern an.

„Move Forward, Disappear“ ist aus A.T. Greenblatts Feder eine der emotional ansprechenden Geschichten, die vor allem wichtige Teil des Plots ignorieren, damit sie funktionieren. In der Zukunft können die Menschen im Grunde eine Schwelle zur nächsten Existenz – wahrscheinlich im Rahmen einer Cloud – überschreiten und „unsterblich“ werden. Der Erzähler hat zwar viele Operationen hinter sich, will aber auch nicht diese Schwelle überschreiten. Ob es sich um medizinische, religiöse oder einfach nur andere Gründe handelt, wird nicht extrapoliert. So bleibt der Erzähler mehr und mehr von seinen Freunden und Verwandten alleine gelassen zurück. Er erkennt, dass er lange genug gelebt hat und möchte sich verabschieden. Eine emotional schöne Geschichte, wenn der Hintergrund dieser Verweigerung, zu den Anderen zu stoßen, erläutert worden wäre.

Zusätzlich befinden sich zwei längere Texte, eher Novelletten als Novellen in dieser Sammlung. Arula Ratnakars „Insaan Hain, Farishte Nahin“ ist die schwächere Geschichte. Die Menschheit will ein Raumschiff mit einer „Freiwilligen“ nach Alpha Centauri aussenden. Die Reise dauert mehr als einhundertdreißig Jahre.  An Bord befindet sich das kopierte Bewusstsein Meenas, einer der für die Mission verantwortlichen Frauen. Als das Raumschiff kaum unterwegs mit etwas kollidiert, erwacht dieser Geist aus der Flasche.

Der Schreibstil ist gewöhnungsbedürftig. Anstatt sich auf den Plot zu konzentrieren und das zwischenmenschliche Elemente herauszuarbeiten, fügt die Autorin immer wieder notwendige, aber viel öfter unnötige Informationen hinzu. Leider greift sie nicht nur auf distanzierte Beschreibungen zurück. Viel schlimmer ist, dass ihre Dialoge vor dieser Art von Belehrung überquellen und deswegen unnatürlich erscheinen.

Zu solchen Geschichten gehört, dass der persönliche Konflikt – zusammen mit ihrer Lebensgefährtin werden sie wieder Eltern – immer einhergeht mit der angesprochenen Katastrophe.  Die Handlung funktioniert ausgesprochen gut. Es kommt quasi zu einem doppelten emotionalen Konflikt. Die Mission droht zu scheitern. Es gibt keine pauschalen Lösungen.

Daneben führt Meena eine glückliche Beziehung, die aber auch durch die Art der Herausforderung sowie die Anstrengungen der Schwangerschaft auf eine harte Probe gestellt wird. Es ist schade, dass Neil Clarke nicht angeboten oder verlangt hat, den ganzen Plot noch einmal durchzusehen und die erzähltechnischen Schwächen in den Griff zu bekommen. So verliert diese Story sehr viel an Reiz.

Sehr viel besser ist „The Sun from Both Sides“. Dabei greift R.S.A. Garcia an einigen Stellen auf inzwischen zu Klischees gewordenen Ideen und handlungstechnischen Versatzstücken zurück. Es ist erstaunlich, dass die Novelle trotzdem sich so gut lesen lässt. Eva und Didecus leben auf einem Hinterwäldnerplaneten. Sie sind glücklich. Als ihr Dorf überfallen und ihr Mann von Sklavenhändlern entführt wird, zeigt sich, dass sie nicht von dieser Welt stammen. 

Auch wenn die Dialoge absichtlich ein wenig archaisch erscheinen und die Autorin nicht die nötige Mischung aus Distanz und Intimität je nach Situation oder Szene aufbauen kann, funktionieren wichtige Abschnitte der Handlung ausgesprochen gut. Der Hintergrund verschiedener Welten ist gut beschrieben worden. Die Actionszenen sind spannend, die Technik originell.

Plottechnisch greift die Autorin auf einige absolutistische Prämissen zurück. So originell die Technik auch sein mag, so sehr dominierend ist sie. Eva verfügt über eine „Schwester“, die viel zu mächtig ist. Sie wirkt fast wie eine Superheldin im Kampf gegen die Barbaren. Dadurch fehlt dem Plot gegen Ende ein echtes überraschendes Element.

Didecus soll eine schwere Aufgabe übernehmen. Es gibt keinen Hinweis, dass es der erste und vielleicht einzige Versuch ist. Hier hätte R.S.A. Garcia noch einiges an Hintergrundarbeit leisten können und müssen, damit die Geschichte wirklich funktioniert. Es ist ohne Frage eine gefährliche Mission, aber der Plot ist viel zu sehr fokussiert.

Hinzu kommt, das an einigen Stellen Ideen wie das menschliche Schachspiel nur vordergründig surrealistisch verzerrt beschrieben werden, während die Intention der Autorin klar zu erkennen ist.

Positiv zeichnet die Novellette ein sehr hohes Tempo aus. Der exotische Hintergrund und vor allem der noch ein wenig desorientierend aufgebaute Hintergrund der Geschichte ziehen den Leser förmlich in Garcias Welt, bevor die Spannungskurve gerade wegen des Hangs zur Übertreibung nachlässt.

„Clarkesworld“ 152 ist wieder eine eher durchschnittliche Ausgabe, welcher der Leser beginnend mit Herausgeber Neil Clarke nicht die Ambition absprechen kann, gut und originell zu unterhalten.  Nur wirken einige der Geschichten ein wenig zu sperrig, zu wenig überarbeitet. Die guten Ideen verstecken sich leider nicht zum ersten Mal hinter einer eher dürftigen Ausführung, so dass weiterhin in diesem Jahr die Nachdruck der Platz bei Wyrm Publishing ist, an dem man sich am wohlsten fühlt. 

E Book, 122 Seiten 

www.wyrmpublishing.com