The Magazine of Fantasy & Science Fiction July/ August 2019

C.C. Finlay (Hrsg)

Die July/ August 2019 Nummer von „The  Magazine of Fantasy & Science Fiction“ enthält vier längere Texte, keine der Storys erreicht Novellenlänge und mehrere kürzere Geschichten. Das Titelbild könnte dieses Mal eine Handvoll von Storys vertreten, wobei die Qualität der Texte sehr unterschiedlicher ist.

Zur optischen Vermarktung sagt Charles de Lint indirekt einiges in seiner Rezensionsspalte, während David J. Skal zum Beispiel auf die Mary Poppins Fortsetzung ausführlich eingeht.

 „Mighty are the Meek and the Myriad“ von Cassandra Khaw ist geschrieben worden, nachdem Gordon van Gelder und C.C. Finlay das an H.G. Wells „Kampf der Welten“ erinnernde Titelbild angekauft haben. Es ist eine im Grunde paranoide Geschichte. Die Menschen beginnen sich von den Wunden der von ihnen angezettelten Roboterkriege auf der Erde ein wenig zu erholen.  Harold vertritt dabei die amerikanischen Interessen, die ehemalige Offizieren Henrietta die Britischen. Das Ziel ist es, eine Art Friedensvertrag abzuschließen, wobei sich die beiden Seiten auf die Nerven gehen und vor allem auch misstrauen. Es steckt sehr viel Potential in dieser durchaus subversiven Story, in welcher die Autorin einzelne Geheimnisse bis zum dramatisch Ende versteckt. Durch dieses Aufeinanderschichten von Ablenkungen entwickelt sich der Plot ausgesprochen langsam. Es wäre sinnvoller, den zugrundeliegenden Inhalt zu entzerren und in Form einer Novelle hintergrundtechnisch auch deutlich erweitert noch einmal zu präsentieren.

 Die letzte Geschichte der Ausgabe „The Legend of Wolfgang Robotkiller“ von Alex Irvine nimmt mehr Bezug auf die absichtlich retroaktive Gestaltung des Titelbilds.

Gigantische Roboter haben die meisten Menschen getötet, die wenigen Überlebenden organisieren sich in Widerstandsnestern. Es gibt keine Hintergrundinformationen über die Herkunft der Robboter. Bei den Menschen gibt es die Legende um Wolfgang Robotkiller. Natürlich begegnet der Erzähler diesem legendären Mann. Ein geradliniger Plot mit einigen guten Dialogen und einer klassischen Handlung. Alex Irvine zollt den Science Fiction Geschichten der vierziger bis frühen sechziger Jahre Respekt, auch wenn er eigene Wege geht und aus einem Klischee einen kurzweilig zu lesenden Text macht.

 Deutlich besser als zum Beispiel die Auftaktstory ist die ungewöhnliche Post Doomsday Geschichte von Deborah Coates "Girls who never stood a Chance". In den USA tauchen Drachen auf. Keine kleinen niedlichen Drachen, sondern Menschenfresser, die Feuer speien können. Ihr Auftauchen spielt bis auf eine einzige Begegnung auch keine grundsätzliche Rolle. Es geht in dieser Geschichte um Beziehungen. Die Autorin schildert das unterschiedliche Schicksal einer Handvoll von Frauen, die  während der vom Staat angeordneten Evakuierung zurückgelassen worden sind. Meistens von ihren egoistischen Männern oder Freunden. Mit einer jeweils kurzen, aber auch prägnanten Charakterisierung werden die Frauen vorgestellt. Natürlich kommt ihre Weicheier Männer zurück, so dass er zur aus weiblicher Sicht finalen Konfrontation kommen muss. Auch wenn der zugrundeliegende Plot nicht viel Überraschungen anbietet und der Ablauf vorhersehbar ist, lebt die intensiv geschrieben Story vor allem von der dreidimensionalen Gestaltung der weiblichen Protagonisten und den Drachen, die meistens eher Katalysator als Teilhaber an den Ereignissen sind.

Auch Theodore McComs beschreibt grundsätzlich mit „Lacuna Heights“ eine Situation, die den Lesern aus verschiedenen anderen Texten bekannt vorkommt. Ein Anwalt kämpft mit Gedächtnislücken. Er  arbeitet für Adelp Corporation, einem Marktführer für Schaltstellen im Gehirn, mit denen man sich nicht nur ins Netz einklinken kann, sondern alle Daten im Gehirn ablegt. Das kann zu einer Überforderung führen. Die Lösung sind anscheinend private Auszeiten, die wiederum zu den Gedächtnislücken führen können. 

Der eigentliche sich langsam entwickelnde Plot ist nicht  die eigentliche Überraschung der Geschichte.

 Der Anwalt hat die üblichen Schwierigkeiten in der Ehe, Stress im Job. Interessanter ist, wie er später die dem Leser nur bedingt vertraute Umgebung sieht und was die klimatischen Veränderungen aus einer Stadt wie San Francisco gemacht haben. Die Geschichte erfordert nicht nur, aber vor allem auch wegen der unsympathischen Protagonisten Geduld vom Leser, erst mit der Erweiterung des Hintergrunds gewinnt die Story an Gewicht.   

 „Nice for what“ von Dominica Phetteplace setzt die Idee einer manipulierten Realität fort.  Luliana ist ein Influencer im Netz. Alles wird darüber quasi

abgewickelt. Sie erkrankt an Krebs und kann sich keine Medikamente kaufen. Sie lässt sich sponsern, aber die eigenen Eindrücke weichen von der den Massen vor den Computer simulierten „Realität“ ab. Eine kurze, dunkle, nachdenklich stimmende Geschichte, in der es genauso um den realen Überlebenskampf wie die Manipulation der Massen geht.

 Die letzte reine Science Fiction Geschichte „Planet Doykeit“ von Eliza Rose beinhaltet so viele Ideen, das es sinnvoller gewesen wäre, sie in die Form einer Novelle zu bringen. Eine jüdische Kolonie hat sich auf dem sehr kleinen Planet Doykeit angesiedelt, nachdem sie mehr als einhundert Jahre durch das All gereist sind. Über ihre Haare definieren sie inzwischen ihren Platz in der Gesellschaft. Die nächsten Generationen sollen geplant zur Welt kommen, was eine Reihe von Schwierigkeiten beinhaltet.  Der Plot entwickelt sich langsam, die Komplexität einer für Leser nicht immer überschaubaren Situation wird betont und die abschließende Auflösung ist zu offen. Es besteht auch durchgehend eine Distanz zu den Protagonisten, was wichtige Aspekte der Kultur und den Besonderheiten des Planeten schwer durchschaubar macht.  

 In den Bereich des Horrors fallen einige andere Texte-  „A Strange uncertain Light“ von G.V. Anderson wird das Schicksal eines Chime Babys beschrieben. Sie ist während der Kirchturmglockenschläge um Mitternacht geboren worden und soll deswegen die besondere Fähigkeit haben, Geister zu beschwören. Ihr Mann Merrit versucht die im Ersten Weltkrieg verlorene Jugend wiederzufinden, während Anne einfach ihrer spirituellen Vergangenheit zu entfliehen sucht.

Natürlich kehren sie an den Ort ihrer Jugend zurück. Verschiedene Elemente machen die Geschichte besonders spannend. Neben den Erinnerungen an zwei im Krieg gefallene Brüder oder den Doktor, der in dem jetzigen Hotel und ehemaligen Waisenhaus Experimente mit Kindern durchgeführt hat stellt sich dem Leser die Frage, ob die Protagonisten nicht vielleicht die Grenze zum Wahnsinn schon längst überschritten haben. Die ganze Story ist ausgesprochen gut erzählt worden und die Protagonisten erscheinen dreidimensional, ihre Handlungen im übernatürlichen Rahmen jederzeit nachvollziehbar.

 Auch „The Legacy“ von Albert E. Cowdrey ist eine Geschichte, in welcher die Protagonistin mit ihrer Vergangenheit konfrontiert wird. Maggie erbt von ihrem kriminellen Vater ein abgeschieden gelegenes Haus. Einzige Bedingung ist natürlich, dass sie in dem Wohnendhaus leben muss. Lange Zeit verzichtet der Autor auf übernatürliche Elemente. Die Figuren sind gut gezeichnet, die Funde im Keller interessant und die sich abzeichnende finale zwischenmenschliche Konfrontation der inzwischen in einer Dreiecksbeziehung lebenden Maggie betont die emotionale Ebene. Am Ende präsentiert der Autor eine solide Auflösung, welche übernatürlich interpretiert werden kann, aber nicht muss.

 Auch „The Sklave“ von Andrej Kokoulin ist streng genommen keine phantastische Story. Schon in der Jugend wird der Protagonist von einem anderen wenige Jahre älteren Jungen als Sklave verhaftet. Er muss allen Wünschen folgen, auch Verbrechen begehen. Jahre später hat er sich frei geschwommen, als sein Sklavenhalter wieder Kontakt mit ihm aufnimmt. Das Ende der Story ist pragmatisch, ein wenig zu offen. Die einzelnen Herausforderungen sind aber unangenehm genug, um zu überzeugen.

 In den Fantasybereich fällt Molly Gloss „The Everlasting Humming of the Earth“  .  Eine Frau kann im Vorwege Erdbeben spüren. Nur weiß sie nicht, wo. Damit ist sie für die Experten wertlos. Nach Jahren zieht sie schließlich nach Kalifornien und möchte ihre Vergangenheit vergessen. Vor allem die Zeichnung der Protagonistin und ihre Verzweiflung, zu helfen und es doch nicht zu können, heben den kurzweiligen Text aus der Masse vergleichbarer Arbeiten hervor. 

 Zusammengefasst ist diese Ausgabe von „The Magazine of Fantasy & Science Fiction“ qualitativ besser als ihr Vorgänger. Aber der Leser hat das unbestimmte Gefühl, als schwebe das in der nächsten Nummer zelebrierte Jubiläum – siebzig Jahre „The Magazine of Fantasy & Science Fiction“ – über den letzten Nummern.

 Einige Texte ragen aus der Masse heraus, während vor allem die Kurzgeschichten von jungen Autoren zu bemüht und zu wenig aus sich selbst heraus entwickelt erscheinen. 

 

Bildergebnis für magazine of fantasy and science fiction 05/06 2019

Paperback, 256 Seiten