Persepolis erhebt sich

James Corey

Mit „Persepolis erhebt sich“ beginnt die dritte und letzte Trilogie der „Expanse“ Serie.  Es ist wichtig, die ersten Romane gelesen zu haben. Auch wenn es zwischen dem letzten Doppelband und der Eröffnungssequenz nicht nur zeitlich dreißig Jahre vergangen sind, sondern viele der politischen Ereignisse zusammengefasst werden, sind es die Feinheiten, welche die Serie positiv aber auch negativ auszeichnen und von denen der Leser Kenntnis haben sollte.

In den letzten dreißig Jahren haben sich die Menschen auf der einen Seite von der Ereignissen zu erholen gesucht, auf der anderen Seite haben sie dank der Tore – außerirdische Technik – große Teile des Alls besiedelt.  Im Gegensatz zu einigen oft kapitalistischen Science Fiction Romanen vertraut das Autorenkollektiv James Corey eher auf die Macht der politischen Seilschaften und Gewerkschaften. Das wirkt archaisch, aber die Tore und ihre Zugänge machen es möglich, dass sich einzelne Gruppieren an den Knotenpunkten breit machen.

Es gibt auch andere zarte Pflänzchen. Die Erde und der Mars haben Frieden geschlossen und ihre Truppen vereinigt. Die Transportgesellschaft ist ohne politische Macht ein wichtiger Faktor im vor allem auch interstellaren Handel geworden.  Die Kontrolle der Gewerkschaften hat allerdings dort draußen nur zu einer Art lockeren politischen Allianz der einzelnen besiedelten Welten geführt, wobei James Corey argumentativ in diesem Punkt fast plakativ an der Oberfläche bleibt.

Das Autorenteam nimmt sich relativ wenig Zeit, die einzelnen Fronten zu erklären.  Sie werden eher etabliert. Im Rahmen des Chaos mit der Besiedelung vieler Welten in einer relativ kurzen Zeit und daraus resultierend einem klassischen Exodus mit unabsehbaren wirtschaftlichen Folgen wir das Sonnensystem hat es ermöglicht, dass ein ganzer Truppenteil der marsianischen Armee verschwunden ist. Unter Führung eines natürlich brillanten und rücksichtslosen Admirals haben sich diese Soldaten nicht nur außerirdische Technik aus dem Laconia System zu eigen gemacht, sondern auch noch Protomoleküle gestohlen.

Neben dem etablierten totalitären System haben sie ihre Flotte aufgerüstet und kehren ins Sonnensystem mit dem entsprechenden Angebot zurück, dass jede vernünftige Regierung natürlich nicht ablehnen sollte.    

Die Ausgangsbasis ist nicht unbedingt neu. Ein wahrscheinlich taktisch cleverer, aber auch verrückter Tyrann möchte mit seinen wunderbaren Spielzeugen nicht nur das Sonnensystem, sondern abschließend alle Kolonien seinem Reich hinzufügen und dank der Protomoleküle unsterblich werden. Es ist erstaunlich, dass James Corey einen derartigen antiquierten Plot allerdings natürlich in schicken neuen Gewändern präsentiert und in diesem ersten vorliegenden Roman auch etabliert.

Die Vorgehensweise ist brutal und die medizinischen Experimente des jungen Captain Santiago Singh erinnern nicht nur an die Exzesse der Nazis in den besetzten Gebieten des Zweiten Weltkriegs, sondern leider jeder modernen Diktatur, die Widerstand durch Brutalität auslöschen möchte. In dieser Hinsicht ist der vorliegende Roman deutlich zeitloser und kritischer als die ersten sechs Vorgängerbände. Hier steckt aber auch der Teufel im Detail. In den ersten sechs Bänden hat James Corey eine Reihe von Überraschungen präsentiert. Er ist literarisch den Schritt weiter gegangen, den Actionabenteuer wie die James Bond Filme bei der Bedrohung der Welt und der anschließenden Rettung in letzter Sekunde immer elegant umschifft haben.

Zu den Schwächen dieser Romane gehörte aber eine adäquate Reaktion auf das Geschehen. Es fehlten die emotionalen Erschütterungen, so kitschig und klischeehaft sich diese Bemerkung auch anfüllen/ anhören mag.  Auch hier ist das der Fall. James Corey fehlt es immer noch schwer, das hohe Tempo zu variieren oder emotionale nachhaltig überzeugende Szene zu schreiben. Es ist eher so, dass auf jede Aktion egal welcher Art immer eine Reaktion zu erfolgen hat.

Auf der anderen Seite hat er mit der Crew der ROSINANTE in den ganzen Ereignissen eine Reihe von Identifikationsfiguren für den Leser in dem ganzen Chaos etabliert. In diesem Punkt schrauben die beiden Autoren am meisten am etablierten Handlungsgerüst und führen trotzdem gegen Ende des ersten Bandes der letzten Trilogie viele Punkte auf eine Art neuen Ausgangspunkt zurück. Auch hier hat das Leser das unbestimmte Gefühl, als wenn ihm viele Szene aus einer Reihe von Science Fiction Fernsehserien bekannt vorkommen. Unabhängig von der Grüße der einzelnen Ideen wirken die „Expanse“ Romane auch weniger wie klassische Space Operas mit einigen Unterthemen vom Krimi bis zum Revolutionsepos, sondern eher wie zusammengefasste Drehbücher der noch zu drehenden Fernsehteile. Kritisch gesprochen bleibt vieles auch dank des hohen Tempos oberflächlich.

Bei der ROSINANTE Crew kommt es zu Veränderungen. Noch weitere 30 Jahre seit dem letzten Roman haben sich Raumschiff und Besatzung monetär eher schlecht als recht durch das expandierende menschliche Universum geschlagen. Jetzt ist Captain Holden zusammen mit seiner Stellvertreterin Naomi Nolden der Meinung, dass es Zeit ist, in den Ruhestand zu gehen und das Raumschiff der restlichen Besatzung unter der neuen Führung von Bobbie Draper zu übergeben, einem ehemaligen marsianischen Marine.

James Corey bereitet das Ruhestandsszenario solide vor. Natürlich kommt es anders als Holden denkt. Das Raumschiff befindet sich in der Medina Station, als die Truppen des Dikators angreifen. Neben Holden und seiner Crew wird auch Saba, die Freundin des Präsidenten der angesprochenen mächtigen Transportgewerkschaft an Bord der Station festgesetzt.

James Core zeichnet Singh als Handlanger des Diktators ambivalenter als es auf den ersten Blick angesichts seiner Taten möglich erscheint. Auch wenn er gegenüber den Menschen auf der Raumstation grausam und brutal sein muss, wird er selbst immer wieder bedroht. Wenn er nicht Ergebnisse liefert, ist er der nächste Kandidat für Experimente. Natürlich wäre es überzeugender gewesen, den inneren Zwiespalt dreidimensionaler und vor allem auch nachvollziehbarer zu beschreiben und sich den ganzen Roman betrachtend nur auf Taten zu konzentrieren, aber zumindest versuchen die beiden Autoren etwas dreidimensionaler hinsichtlich der Charakterisierung zu agieren. Das war in den ersten Bänden der „Expanse“ Serie nicht unbedingt der Fall.

Nach der Extrapolation konzentriert sich der Handlungsbogen im bekannten Muster mit unterschiedlichen Perspektiven auf den immer brutaler geführten Partisanenkampf an Bord der Station. Negativ für die Invasoren ist, dass an Bord der Station viele Belter aus dem Asteroidengürtel leben, die nicht nur über langjährige Kampferfahrung verfügen, sondern bockig genug sind, um sich nicht unterdrücken zu lassen. Dazu kommen die Improvisationsfähigkeiten der ROSINANTE Crew, wobei James Corey Wert darauf legt, die Außenseiter wie Amos oder Clarissa Mao positiv mehr in den Mittelpunkt zu stellen.

Die Actionszenen sind ja schon seit vielen Jahren ein Höhepunkt der Serie. James Corey gelingen eine Reihe von dynamischen Sequenzen, wobei im Gegensatz zu Actionfilmen nicht immer weiter an der Adrenalinschraube gedreht wird und der Partisanenkampf schmutzig und brutal geführt wird, aber in keinem Vergleich zu den überdimensionalen, manchmal sogar überdimensionierten Abschnitten in der mittleren Trilogie steht.

In vielen Punkten ist „Persepolis erhebt sich“ eine interessante Fortführung der Serie und weniger nach den abgeschlossenen Handlungsbögen ein neues Sprungbrett.  Im Grunde spürt der Leser die vergangenen dreißig Jahre nicht einmal. Natürlich sieht sich Holden als älter, aber nicht unbedingt weiser an. Kaum hat er diese philosophischen Kenntnisse geäußert, wird er durch den Angriff wieder an die mittelbare Front getrieben und steht mutig, waghalsig und vor allem einfallsreich seinen Mann gegen die Aggressoren, wobei angesichts der ihnen entgegengestellten Technik ein Erfolg fast unmöglich ist. Die Qualität der abschließenden Trilogie einzuschätzen wird erst mit dem letzten band möglich sein, aber trotz aller Klischees liest sich das siebente „Expanse“ Abenteuer kurzweilig, allerdings auch irgendwie unangenehm vertraut und vor allem wie mehrfach betont auch oberflächlich.  

Persepolis erhebt sich: Roman (The Expanse-Serie, Band 7)